Der gratismutige Kampf gegen rechts hat viel mit Verleugnung der Lebenswirklichkeit der Bevölkerung und der Juden in Deutschland zu tun – und mit Feigheit, die sich lieber gegen deutsche und israelische Interessen wendet – weil man zivilisierte Feinde ja nicht fürchten muss.
Weil der wahrscheinlich nächste CDU-Kanzler, Friedrich Merz, nach der Bluttat von Aschaffenburg die längst überfällige Asylwende inklusive eines Zuwanderungsstopps fordert, sieht Robert Habeck – der symbolische Kanzlerkandidat der grünen Minorität – mit diesem Kurswechsel die für seine Partei überaus nützliche Brandmauer in Gefahr. Habeck dreht im Wahlkampf also seine Geschütze in Richtung CDU/CSU, er ballert und schreit auf dem Grünen-Parteitag mitunter im Tonfall einer Sportpalastrede krude Dummheiten heraus. Zwei davon: Deutschland solle „dienend Europa aus der zweiten Reihe führen“ und die CDU hätte ihre Mitte verloren: „Die Mitte ist jetzt leer“. Habeck singt die ewiggestrige Moritat vom „Rechtsruck“, wenn das Migrationsdesaster und die Messermorde unter Zuhilfenahme von AfD-Stimmen beendet werden sollen. Er würde beides wohl lieber nicht beenden, wenn das die Isolation der AfD weiterhin garantiert.
Friedrich Merz, noch am Gängelband von Scholz und Habeck, wird nicht müde zu betonen, dass er nichts mit der AfD am Hut hat und die Brandmauer steht, auch wenn die verfemte, unmögliche Partei für seinen Vorschlag zur Asylwende am Ende votieren wird und diese sogenannte Zufallsmehrheit den Asylnotstand endlich beenden kann. Scheinbar geht es hier nur nachrangig um das politisch Richtige und Vernünftige, obwohl es mit einer waschechten Mehrheit zustandekommt. Ist die Mehrheit in freier Stimmabgabe nicht ein Merkmal „unserer“ Demokratie?
Nicht nur die Grünen wollen eine Kehrtwende in der Asyl- und Migrationspolitik aus ideologischen Gründen verhindern – was ihr gutes Recht ist –, aber sie erheben darüber hinaus Anspruch auf die Definitionsmacht, wie in unserem Land parlamentarische Abstimmungsmehrheiten moralisch zu beurteilen sind und versuchen daraus formale Verpflichtungen für die „demokratischen“ Parteien zu stricken. So käme der AfD eine mandatslose, umgekehrte, also „negative“ Definitionsmacht zu, die allein daraus bestünde, dass sie wichtige und richtige Politik durch ihre Teilnahme „vergiftet“. Wer diese Segregation betreibt, handelt demokratieschädlich.
Absurde Trennung zwischen Vernunft und Politik
Natürlich gab es einen Musterfall: Die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel versetzte der Demokratie höchstpersönlich einen verfassungswidrigen Tritt, als sie im Februar 2020 die Wahl von Thomas Kemmerich zum thüringischen Ministerpräsidenten rückgängig machen ließ – wegen einer Mehrheit, die mit Stimmen der AfD-Fraktion ordnungsgemäß zustandegekommen war. Robert Habeck scheint Merkels damalige, antidemokratische Intervention nach wie vor toll zu finden, er erwähnt in seiner Parteitagsrede die damalige Zufallsmehrheit tatsächlich auch als wiederholte, aktuelle Gefahrenlage. Mehrheiten haben für ihn keinen hohen Stellenwert, das wissen wir, sie sind in seinen Augen mitunter sogar hinderlich für die moralisch „richtige“ Weltrettungspolitik. Das wäre der autokratische Subtext einer „relativ-demokratischen“ Kanzlerschaft unter Robert Habeck, sollte sie uns nicht erspart bleiben.
Eigentlich geht es in erster Linie darum, die Kontaktschuld als politisches Kriterium aufrechtzuerhalten. Sie ist die künstliche Aura jener sich selbst beschränkenden, „relativen“ Demokratie, wo ideologische Ausschlusskriterien vor demokratischen Pragmatismus gesetzt werden dürfen, ohne dass eine autokratische Herrschaftsgeste dazu vonnöten wäre. Vor so einer Geste (im Zuge eines umfassenden Ermächtigungsgesetzes, zum Beispiel für das Klima) schreckt man noch zurück, zumal die Selbstverpflichtung funktioniert.
Solange die Prämissen des Politischen diesseits der Brandmauer, im Bereich der Altparteien, eingefangen waren, gab es kein Kontaktschuldproblem, keine „negative“ Definitionsmacht. Die AfD und ihre Wähler durften als irrelevant betrachtet werden, und die CDU konnte sich als Pseudo-Opposition den Regierungsmehrheiten nolens volens oder im vollen Einklang mit der Einheitslinie anschließen, vom Geplänkel um des Anscheins willen mal abgesehen. Die Prämissen durften die Brandmauer nie überwinden. Es kam zu einer absurden Trennung zwischen Vernunft und Politik.
Angeborene, ideologisch bedingte Feigheit
Kontaktschuld und Brandmauer sind die zwei Backen einer selbst angelegten, linksgrün gelesenen Kneifzange, mit der Friedrich Merz in den Wahlkampf zog. Dann kam Aschaffenburg, und Merz versuchte sich im Abschütteln des Zangengriffs – zumindest was die Migrationskrise betrifft. Selbst unter dem Eindruck eines bestialischen Kleinkindmordes durch einen schwerkriminellen und angeblich schuldunfähigen Afghanen schafften es Scholz und Habeck noch, den Kanzlerkandidaten der Union an seine eigene Brandmauer anzuketten. Er ließ es zu. Eine seltsam „sittliche“ Demokratie ist das. Sie lebt vom Verhindern statt vom Ermöglichen und sieht dabei recht verkommen aus.
Währenddessen feiern in Berlin führende Parteigenossen der Grünen sich selbst auf einer Demonstration gegen „Rechtspopulismus“ und veröffentlichen ein pietätlos feixendes Foto, das die Frage aufwirft, ob die Grünen überhaupt verstanden haben, dass ihr prahlerischer „Kampf gegen Rechts“ beschämend und rein gar nichts mit den menschenverachtenden Attentaten der letzten Monate oder mit den gerade massakrierten Opfern von Aschaffenburg noch mit dem grassierenden islamischen Antisemitismus in Deutschland zu tun hat. Allein der Schrecken von Aschaffenburg gäbe genug Anlass zu großen Demonstrationen gegen die Migrationsfahrlässigkeit der Regierung. Solche Demos würden ganz sicher sogleich als rechtspopulistisch gebrandmarkt werden und müssten mit Gegendemos der selbsternannt „Anständigen“ rechnen. (Jeder, der die Posener Rede von Heinrich Himmler kennt, sollte das Attribut „anständig“ im Zusammenhang mit politischer Gesinnung aus seinem Wortschatz streichen. Aber so viel Feinsinn und Differenzierung kann man linken und grünen „Aktivist*innen“ nicht unterstellen.)
Offensichtlich hat der gratismutige Kampf ganz viel mit abgehobener grüner Eitelkeit und massiver Verleugnung der Lebenswirklichkeit der deutschen Bevölkerung und der Juden in Deutschland zu tun. Und leider hat es auch mit einer angeborenen, ideologisch bedingten Feigheit zu tun, die sich lieber gegen deutsche und israelische Interessen wendet – weil man zivilisierte Feinde ja nicht fürchten muss.
Eine äußerst unbequeme Opfer-Täter-Koinzidenz
Während die Angehörigen eines zweijährigen marokkanischen Jungen und eines 41-jährigen Deutschen in Aschaffenburg trauern und während sich am 27. Januar der 80. Jahrestag der Befreiung von Ausschwitz jährte, geht es den grünen Politikern um ihre selbstverliebte Moral, mit der sie gegen einen deutschen „Rechtspopulismus“ vorgehen, der weder blutgierige Messermänner mit Migrationshintergrund losschickt, noch öffentlich in unseren Straßen die Vernichtung der Juden skandiert, wie es die Parole „from the river to the sea“ auf den Palästinenserdemos einfordert. Die Gefahr des Rechtspopulismus ist gleichbedeutend mit der Gefahr der Unpopularität linksgrüner Politik. Vor diesem selbstverschuldeten Dilemma haben die SPD und die Grünen Angst und brauchen deshalb einen äußeren Feind zur Mobilisierung ihrer krisengeschwächten Klientel im Angesicht krisenuntauglicher Politik.
Eigentlich müssten Tausende auf die Straße gehen und der Opfer gedenken, Tausende müssten auch gegen eine religiös genährte, neofaschistisch-fanatische und gewaltaffine Gesinnung Position beziehen, die sich aufgrund eines irrtümlichen Kulturdogmas namens „bunte, offene Gesellschaft“ bei uns einschleichen konnte und nun für die Grünen und Linken eine äußerst unbequeme Opfer-Täter-Koinzidenz aufweist, mit der beide Parteien nicht umgehen können oder wollen. Man kann nicht weiter propagieren, dass die „Freunde“, die man gefühlsduselig eingeladen hat, auch unsere erbitterten Feinde sein können, die man wiederum nicht loswird, beispielsweise durch sofortige Ausweisung. Unglaublich auch, wie viele Menschen durch die Hand von „Schutzsuchenden“ sterben mussten, bis endlich etwas dagegen unternommen wird.
Die CDU – unter Angela Merkel selbst Initiator dieser „Willkommenskultur“ – scheint das begriffen zu haben, der Moment scheint ideal, weil das Blut und die Tränen noch nicht getrocknet sind. Es ist aber zu befürchten, dass die Koalitionspartner in spe genau das beabsichtigen: weiterhin ungeordnete Migrationspolitik auf Kosten einer schutzlosen Bevölkerung.
In Achtsamkeitsseminaren das Weinen gelernt
Man kann den Bürgern nicht weiter erklären, warum eine „offene“ Gesellschaft erst dann gut ist, wenn auch potenzielle Gewalttäter freundlich aufgenommen und später ihre Gewalttaten hingenommen werden müssen. Unerträglich sind obendrein die Doppelmoral und die Verstrickungen in Widersprüche. Zu häufig hat man sich den Islamisten mit Geld, Duldung und stiller Genugtuung an den Hals geworfen: Bei Auslandsbesuchen von deutschen Politikerinnen, bei abstrus antisemitisch tickenden Studentengruppen und Universitäten, die sich dem Druck der Israelhasser beugten, bei vielen (europäischen) Gremien, die deutsche Steuergelder in Hilfsprogramme judenfeindlicher Länder steckten und den Terror gegen Israel damit direkt finanzierten. Wenn man sich das alles vergegenwärtigt, widert einen das regierungsseitige Versagen nur an. Und diese verirrten Figuren des Niedergangs möchten uns erklären, wer hier falsch, rechtspopulistisch, demokratiefeindlich und antisemitisch ist.
Beides, die Messermänner und der wieder aufflammende Antisemitismus sind gesellschaftliche Desaster, für die maßgeblich SPD- und Grünen-Politiker mitverantwortlich zeichnen. Der ausgestreckte Zeigefinger der Demonstranten gegen Rechts deutet auf die Falschen, vornehmlich solche, die eine den Altparteien nicht genehme Partei wählen. Diese mittlerweile zahlreichen Wähler sind aber keine Attentäter und glühenden Antisemiten. Werden sie von Politikern angepöbelt, diffamiert und „demokratisch“ ausgrenzt, rasten sie nicht aus, sondern bleiben zuhause und wählen dann heimlich still und leise kichernd Protest.
Die Grünen und die SPD sind leider feige Parteien geworden, unfähig zur politischen Auseinandersetzung auf hohem Niveau. Sie missbrauchen die Unwissenheit und Ängste vieler Mitbürger, um unter Vorspiegelung falscher Tatsachen die angeblich notwendige Rettung der Demokratie zu inszenieren. Dabei hat man nichts anderes im Sinn, als den linksgrünen Fetisch AfD – die große Konkurrenz, mit dem größten Stigma, das Deutschland zu bieten hat – kaltzustellen. Aber das funktioniert nicht mehr, denn der Dauerbeschuss erregt Aufsehen bei jungen Menschen, die von der Stigmatisierung und dem Underdog-Image der AfD magisch angezogen werden. Während sich Robert Habeck gern als intellektueller, aber auch als geradliniger „Underdog“ präsentieren möchte, kommt er bei den unter 20-Jährigen wie ein spießiger Ethiklehrer rüber, der in Achtsamkeitsseminaren das Weinen gelernt hat, um seine Männlichkeit von toxischen Reflexen zu befreien.
SPD und Grüne arbeiten seit Jahren idiotisch akribisch an der „Volksparteiisierung“ der AfD, und die CDU leistet mit der Aufrechterhaltung der Brandmauer ordentlich Schützenhilfe. Es wäre besser gewesen, die Partei in einem Reality-Check zu entzaubern. Dafür müsste die Angst abgelegt werden, dass das Böse unter uns ist. Das Paradox des Feindes ist, dass man selbst zum Feind wird. Davon können die Grünen schon ein Lied singen.
Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.