Habeck und die Algorithmen der Macht

Robert Habeck ist ein grundehrlicher Mensch, der aus seinen autoritären Phantasien keinen Hehl macht, nicht einmal versucht, sie zu verschleiern.

Wir müssen über Robert Habeck reden, den amtierenden Minister für Wirtschaft und Klima. Die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik hatte ihn eingeladen, eine Rede über „Wettbewerbsfähigkeit, Klimaschutz und Polarisierung“ zu halten. Das tat der Minister auch, wobei er überdeutlich klarmachte, was er unter „Polarisierung“ versteht und wie „die Gesellschaft“ diesem Übel begegnen müsse. Er sagte u.a.:

Ich will kein Hehl daraus machen, dass ich glaube, dass diese unregulierte Form von diesen sozialen Medien inzwischen nicht mehr akzeptabel ist. Wir müssen schärfer und konsequenter darauf achten, dass die Algorithmen erstens transparent gemacht werden und zweitens, dass sie dann auch so reguliert werden, dass nicht der Raum der Demokratie, also das Soziale an den sozialen Medien, unmöglich gemacht wird.    

Wir können am Ende nicht zulassen als liberale Demokratien, dass Milliardäre, die in den USA Donald Trump unterstützen, mit ihrer Vorstellung von Kommunikation, oder chinesische Technik, die ja in China selbst verboten ist oder reguliert ist, den Diskurs in Europa definiert. Das wäre wirklich blind.

Deswegen ist Polarisierung nicht einfach nur so ein Schlagwort über den Zustand der Gesellschaft, sondern es ist meiner Ansicht nach ein politischer Auftrag, genau hinzugucken, wie die Polarisierung entsteht. Und wenn sie – und das ist der zweite Punkt über Polarisierung, über den wir reden müssen – wenn sie bewusst eingesetzt wird, um eine Gesellschaft zu destabilisieren, und zumindest den Gedanken muss man zulassen in dieser Zeit, dann haben wir jeden Grund, uns politisch dagegen zu wehren und diese wehrhafte Demokratie auch bei den sozialen Medien fortzusetzen.

Dafür gibt es jede Menge Möglichkeiten. Vielleicht sind sie noch nicht ausreichend, aber eine scharfe Anwendung des DSA, des Digital Services Act, ist das Mindeste, was wir in Deutschland brauchen.

So denkt es in ihm, so spricht es aus ihm

Das ist keine Parodie auf Robert Habeck, die die Gültigkeit des Peter-Prinzips bestätigen soll, es ist Originalton Robert Habeck, so denkt es in ihm, so spricht es aus ihm. Er ist eben ein grundehrlicher Mensch, der aus seinen autoritären Phantasien keinen Hehl macht, nicht einmal versucht, sie zu verschleiern. Was er unter „Polarisierung“ versteht, ist der Normalzustand einer intakten Demokratie – Meinungsvielfalt und Meinungskampf innerhalb der gesetzlichen Grenzen.

Habecks Referenzrahmen aber ist der „Digital Services Act“, eine „Verordnung“ der EU, die grob irreführend als „Gesetz“ etikettiert wird, mit dem „die Verbreitung illegaler Inhalte“ verhindert werden soll. Man braucht nicht viel Phantasie, um sich vorzustellen, wer im Ernstfall darüber entscheiden wird, welche Inhalte „illegal“ sind. Die für die Vorarbeit notwendigen „Meldestellen“ gibt es bereits, die „Polarisierung“ findet noch unterhalb der Strafbarkeitsgrenze statt, kann aber jederzeit upgegradet werden. Dafür gibt es jede Menge Möglichkeiten und der Digital Services Act der EU ist das Mindeste, was wir in Deutschland brauchen.

Jeder Dammbruch fängt mit einem Haarriss an, und jede benevolente Diktatur positioniert sich auf einem gesetzlichen Sockel. Es muss ja nicht gleich das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ sein, es reicht auch eine „Richtlinie“ oder „Verordnung“ der EU, die auf dem kurzen Weg von Brüssel nach Berlin zum „Gesetz“ geadelt wird. Digital Services Act klingt eigentlich ganz harmlos. Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz hört sich viel bedrohlicher an.

Sollte es jemals wieder eine Diktatur in Deutschland geben, werden sich ihre Protagonisten auf Gesetze stützen, die sie initiiert haben. Es wird eine bunte, diverse und inklusive Diktatur sein, eine Diktatur mit menschlichem Antlitz. 

Und Habecks jüngste Äußerungen kann man ohne Weiteres als Bewerbung dafür lesen, in dieser schönen neuen Welt Verantwortung zu übernehmen.

 

Henryk M. Broder ist einer der Herausgeber der Achse des Guten.

Foto: Montage achgut.com/Imago

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Leserpost

netiquette:

Dirk Jungnickel / 30.10.2024

Mich würde brennend interessieren, wieviel der Habeck - Hacker rot oder gar grün gewählt haben. -Das ist selbstverständlich kein Lanzenbruch für den “Grünen Ruinator Herr von Habeck auf Habeck “, aber gewählt ist er wohl doch geworden…

Sam Lowry / 30.10.2024

@Barbara Strauch: Mir fällt dazu auch nichts mehr ein, was strafrechtlich irrelevant wäre… nur: Es gehören unsere Minister und Kanzlerinnen vor Gericht!

Rolf Menzen / 30.10.2024

Ignazio Silone, ick hör dir trapsen.

Lutz Liebezeit / 30.10.2024

Was sozial ist, bestimmen vier alle. Ja, das ist nicht so einfach geworden. Habeck dreht die Schuld um. Er interpretiert die Kritik im Netz nicht als Reaktion auf seine desaströse Wirtschafts- und Sozialpolitik, sondern als völlig unbegründet und die bösartigen Hass- und Hetzgesetze, die ja eine sehr dunkle Vergangenheit haben, als Notwehr. Der Kampf gegen Nazis erzeugt die Nazis. Man findet immer das, was man finden will. Die Älteren erinnern sich vielleicht, das nannte man früher “Rechthaberei”. Autoritär wurden Rotgrüne mit Fischer und Schröder. “Deutschland wird am Hindukusch verteidigt.” Das hatte schon ein gewisses Geschmäckle.  Die Grünen waren, mit einigen schlimmen Entgleisungen, wirklich mal eine Umweltschutzpartei gewesen. Zur Maurerpartei für den Umbau der Gesellschaft fühlten sie sich erst mit dem autoritären Fischer berufen. Der sich ja, wie Schily nach dem VISA-Streich, gewissenlos gezeigt hat. Ganz wie “Nun sind sie halt da”. Sowas kommt von sowas.

Adam West / 30.10.2024

Stellt sich die Frage: Hat das totalitäre Gedankengut vielleicht irgendwelche Konsequenzen für Habeck? Muss er als Verfassungsfeind zurücktreten? Natürlich nicht. 41% (!) der Medienleute WOLLEN das Grün regiert (Quelle: TU Dortmund). Weitere 16% stehen bei der SPD im Wort. Und immer noch 6% der Journalisten finden die ex-SED besser als alles andere. Die CDU - obwohl eingemauert und ergrünt, mögen hingegen nur 8% der Möchtegerngatekeeper. Die AfD kommt da gar nicht erst vor. Was soll da also passieren, wenn Habeck für einen Moment mal ehrlich sagt, dass er einen linksautoritären Staat jenseits des Grundgesetzes will? Genau. Es gibt Applaus.

Rainer Nicolaisen / 30.10.2024

...mit menschlichem Antlitz?  Nö, es ist eine Maske, denn das Totalitäre ist immer eine Fratze.

Stefan Riedel / 30.10.2024

@Benedictus Zweifel / 30.10.2024: Danke für den Leserbrief! Haarriss, Anfänge? D sitzt bis zum Hals in der Sch….. ! Und nicht erst seit Habeck! Ich frage Frau Angela Kasner?

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