Dushan Wegner, Gastautor / 08.05.2018 / 06:29 / Foto: Pixabay / 50 / Seite ausdrucken

Gutmenschenland ist abgebrannt

Manchmal geschieht es mitten im Unterricht. Die Polizei schlägt an die Tür und holt einen Schüler aus der Klasse. Man bringt ihn samt Familie zum Flughafen, und ab geht es zurück ins offiziell „sichere“ Zielland. Manchmal werden die Familien im Morgengrauen abgeholt und die Schüler fehlen dann einfach – für immer.

Wenn das kleine, brave, schlaue Mädchen mit den Zöpfchen aus der fleißigen Familie abgeschoben wird, und alle ahnen, dass es ihr gar nicht gut gehen wird, da, wo sie herkommt und hingebracht wird, dann können Lehrer sich damit schwer tun, den übrigen Kindern zu erklären, warum der Staat tut, was er tut – und warum dieses Handeln nicht „böse“ ist.

Abgeschoben wird, wer sich abschieben lässt. „Bei manchen Menschen ist nicht mit Widerstand oder Untertauchen zu rechnen. Die warten mit gepackten Koffern“, lasen wir am 3.5.2018 auf faz.net. Dort erfahren wir auch, dass Abschiebungen abgebrochen werden, wenn sich einer „zu sehr wehrt“ – der optionale Rechtsstaat. Es braucht eine gewisse Stufe von Integriertsein, um sich „freiwillig“ abschieben zu lassen – also um überhaupt abgeschoben zu werden. Das deutsche Asylsystem funktioniert wie ein Filter, der exakt das Gegenteil dessen herausfiltert, was er herausfiltern soll.

Wir haben vom Abschiebeskandal in Ellwangen gehört. Es ist nicht das erste Mal, dass Menschen, die Merkels Welteinladung gefolgt sind, die folgende Ausladung als Affront betrachten und dies auch ganz konkret ausdrücken.

Was passiert war, ist in wenigen Zeilen zusammengefasst. Ein junger Herr (23) aus Togo erfüllte entgegen seiner eigenen Einschätzung nicht die für Asyl in Deutschland notwendigen Voraussetzungen – wohl aber für Italien, via Dublin. Die Polizei kam bei Herrn Yussif O. vorbei, doch 150 Freunde des Herrn überzeugten die Polizei, es besser sein zu lassen.

„Die Staatsmacht zog sich zurück“

Es werden in den kommenden Jahren und Jahrzehnten noch viele Bücher über den Merkel-Wahnsinn geschrieben werden, und viele, die heute „wer nicht für Merkel ist, ist ein Arschloch“ brüllen, werden dann schon immer dagegen gewesen sein. Mindestens ein Buch aber sollte im Titel fünf Wörter aus einem Bild-Artikel zu Ellwangen übernehmen: „Die Staatsmacht zog sich zurück.“

Diese fünf Worte tun mir weh. Ich halte Demokratie und Rechtsstaat, trotz aller Fehler und Unbequemlichkeiten, für eine der größten Errungenschaften der Menschheit, gleichauf mit Schrift, Mathematik und wissenschaftlicher Methode. Das Desaster, hinter die Prinzipien des Rechtsstaats zurückzufallen, wäre kaum in Worte zu fassen.

„Die Staatsmacht zog sich zurück“ stellt eine brennende Frage! Wenn sich die Staatsmacht zurückzieht, was tritt dann in das Vakuum, das die Staatsmacht hinterlässt? Es ist eine schreckliche Frage, denn die Antwort kann nur lauten: Barbarei. Die demokratisch kontrollierte Staatsmacht ist manifestierter Rechtsstaat. – Rechtsstaat oder Barbarei, tertium non datur. (Und ja, an dieser Stelle fasse ich Anarchie, Diktatur und andere menschenfeindliche Irrtümer zur „Barbarei“ zusammen.)

Denker und Mahner, die Worte wie „Besatzung“ und „Eroberung“ in den Mund oder auf die Tastatur zu nehmen wagen, werden schnell übler Absichten bezichtigt. Und tatsächlich wäre es in diesem Kontext nicht richtig – nicht ganz falsch, aber auch nicht richtig. Eine Besatzung setzt voraus, dass jemand einen anderen absichtsvoll besetzt. Das ist hier nicht gegeben. Die Situation in Deutschland, Schweden und anderen Staaten auf dem Weg zur Selbstaufgabe ist eine andere, geschichtlich (so weit ich weiß) noch nicht dagewesene: Die Staaten laden – wieso auch immer, denn humanitäre Hilfe wäre realistischer, effektiver und nachhaltiger vor Ort zu leisten – Menschen aus Krisenregionen ein, von denen sie wissen müssen, dass diese nicht demokratisch-rechtsstaatlich sozialisiert sind. Das führt zu Zuständen, die nach Eroberung und Besatzung aussehen – aber eben keine sind. Wir werden für die schlimmen Folgen der Merkel-Politik neue Begriffe finden müssen, die alten Begriffe setzen Vernunft und Selbsterhaltungstrieb voraus.

Und das ist noch nicht das eigentliche Problem.

Wie viele „Wendepunkte“ braucht Deutschland denn noch?

Einige der 150 Geflüchteten, die in ihrer Rechtsauffassung eher die Position ihres Kollegen als die der Polizei vertraten, und das erfolgreich, haben – wie sich am kommenden Tag herausstellte – ihr Einkommen mit Drogengeschäften und Diebstahl aufgebessert. Auf Deutsch: Einige sind der Kriminalität nicht abgeneigt.

Wir müssen eine weitere Frage stellen: Was wäre eigentlich geschehen, wenn ein Verbrechen just in dem Moment im Gange gewesen wäre, bei dem ein Mensch just in dem Moment zu Schaden kommt – und die Polizei kapituliert hätte?

Die deutsche Polizei wurde darauf trainiert, mit Menschen umzugehen, die den Rechtsstaat mit der Muttermilch aufgesogen haben. Lenin wird zugeschrieben, über die Deutschen gespottet zu haben: „Revolution in Deutschland? Das wird nie etwas, wenn diese Deutschen einen Bahnhof stürmen wollen, kaufen die sich noch eine Bahnsteigkarte.“ – Dem anständigen Deutschen genügt die hochgezogene Augenbraue des Polizisten, und er reiht sich wieder ein. Für einige der jungen Herren in Ellwangen ist die deutsche Polizei nur ein weiterer Gegner.

Deutschland hat viele, zu viele „Wendepunkte“ unter Merkel durchgemacht. Silvester am Kölner Hauptbahnhof war ein solcher. Breitscheidplatz war auch einer. Wie viele „Wendepunkte“ braucht Deutschland denn noch? Wenn der Satz „Die Staatsmacht zog sich zurück“ Sie nicht aufrüttelt, sollten Sie aufhören, sich Demokrat zu nennen.

Noch immer denken zu viele Bürger, dass es zwischen Rechtsstaat und Barbarei eine rosafarbene Zauberzone gäbe, das magische Gutmenschland, wo man sich beständig ins eigene Fleisch schneidet und doch nicht blutet. Diese magische Feenwelt existiert nicht.

Merkel und ihre Zuarbeiter zwingen Deutschland in die Entscheidung: Rechtsstaat oder Barbarei – ein Drittes gibt es nicht. Die Lehre von Ellwangen: Gutmenschland ist abgebrannt.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf dushanwegner.com.

Dushan Wegner (geb. 1974 in Tschechien, Mag. Philosophie 2008 in Köln) pendelt als Publizist zwischen Berlin, Bayern und den Kanaren. In seinem Buch „Relevante Strukturen“ erklärt Wegner, wie er ethische Vorhersagen trifft und warum Glück immer Ordnung braucht.

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Marc Stark / 08.05.2018

1.Ich glaube das Fälle wie die 15jährige Bivsi Methode hatten. Es war einkalkuliert das sich hier Menschen breitflächig solidarisieren. In diesem Fall und bei weiteren gut bis integrierten Migranten vollkommen zu Recht. Das Kalkül war aber eine breite Ablehnungsfront gegen JEDE Abschiebung zu etablieren. Speziell bei gefühlsgeleiteten differenzierungs-unfähigen GrünINNEN funzt dergleichen auch hervorragend.2.Lenin hat Recht. Die Germanen gibt es, ähnlich wie die Wikinger schon seit Dutzenden von Generationen nicht mehr. Scheinbar gibt es so etwas wie ein immer-wieder-neu vererbtes Obrigkeits-Hörigkeit-"Gen". Eine solide Mitte die stolz und stark rechtzeitig gegen Unrecht aufsteht hat es in keinem Deutschland gegeben. Es gab immer radikale Gruppen oder ne kleine Avantgarde aber in JEDEM Deutschland ist das stets etwas exotisches geblieben. Solange die Misstände nicht persönlich and deine Haustür klopfen, die Einschränkungen und Einbussen nicht drastisch am eigenen Leib erfahren werden, erhebt sich der Michel nicht.Sorge oder Solidarität bleibt in Deutschland ein Randphänomen, das kaum jemanden vom gemütlichen Ofen weglockt. Man WILL Beschwichtigungen glauben!Erst wenn die Zustände Katastrophen-Niveau erreicht haben, erheben sich Deutsche. Aber erst wenn ne kritische Masse überschritten ist, erheben sich VIELE Deutsche. Wenn das Pendel aber erstmal in Bewegung ist, schlägt es nicht selten in das andere Extrem. Die nicht stattgefundende Entnazifizierung und das extrem autoritäre System der 50er hat eben nicht im moderaten Liberalismus der 80er geendet sondern ist weitergependelt zum anderen Extrem, einem Nihilismus, der im Endziel alle Werte die eine Gemeinschaft zum Zusammenhalt und alle nötigen Grenzen für den inneren Frieden benötigt, abschaffen will. "Deutschland muss sterben, damit wir leben können!" Der Denkfehler ist: Deutschland wird möglicherweise sterben, aber leben können werden die Apologeten dieser These in diesem Erbe erst Recht nicht.

Peter Sticherling / 08.05.2018

"Merkel und ihre Zuarbeiter zwingen Deutschland in die Entscheidung: Rechtsstaat oder Barbarei – ein Drittes gibt es nicht." Ich möchte diesem Satz zustimmen, doch ich weiß nicht, wer hier mit Deutschland gemeint ist. Merkel und ihre Zuarbeiter, die verantwortlich dafür sind und weiter daran arbeiten, dass Deutschland im Chaos versinken wird, sind ja von der leider immer noch überwiegenden Mehrheit der Wähler in ihren Ämtern bestätigt worden. Und wie es aussieht, wird sich auch bei der nächsten Wahl nichts ändern. Wie soll es da zu einer Entscheidung für den Rechtsstaat und gegen die Barbarei kommen?

Jörg Messerschmidt / 08.05.2018

Leider muss man auch hier wieder von "Denkirrtümern" lesen, die mich sehr traurig machen. Immer wieder und auch dieser Autor outet sich in nur einem Satz dazu, versteht nicht im entferntesten, was Anarchie überhaupt bedeutet. Sehr wahrscheinlich könnte er diesen Begriff nicht mal annähernd beschreiben, geschweige denn erklären.Wenn diese Form des Lebens ohne einen Herrscher über dem Menschen, mit der Diktatur gleichgestellt wird, dann weiß man sofort, das der Autor ein vollkommener Verstandesmensch ist und vom reinen Menschsein leider nicht die geringste Ahnung hat. Schlecht informierte Autoren wie dieser sollten sich besser andere Berufe suchen oder das Schreiben gleich ganz sein lassen. Warum...? Ganz einfach, weil Halbwahrheiten oder besser gesagt, schlechte Recherche es eben schon mehr als genug in dieser Welt gibt. Gruß Jörg Messerschmidt

B.Kröger / 08.05.2018

Ehemalige Leibwächter von .. werden nicht abgeschoben, Kriminelle auch nicht, sie könnten ja in ihren Heimatländern eingesperrt werden und das wäre nun wirklich zu hart für diese Leute. Wer nicht abgeschoben werden will, sollte kriminell und aggressiv sein, dann kann er in der sozialen Hängematte liegen bleiben. Wer sich integrieren will und vielleicht noch etwas kann, der hat schlechte Karten. Der wird abgeschoben. Es geht doch nichts über soziale Gerechtigkeit....

Ana de Lemos Palme / 08.05.2018

Mit einem solchen Mangel an Durchsetzungskraft, bestärkt Deutschland das unzivilisierte Verhalten der "Gäste". Welch Signal sendet Deutschland damit aus? Ganz klar - hier darf man alles, wenn man nur genügend Aggressivität zeigt. Wenn sich aber der Deutsche weigert die Zwangsgebühr für den Rundfunk zu zahlen, dann wird mit einer Gefängnisstrafe gedroht. Mit den zivilisierten Menschen kann man es ja machen.

Georg Dobler / 08.05.2018

Das ist in Deutschland schon seit 30 Jahren so. Ich hatte beruflich mit Straftaten und Abschiebungen in den 1980er Jahren zu tun. Die Ehepaare / Familien, meist ohne jegliche Strafakten, die sich nicht wehrten, wurden abgeholt. Die mit dicken Kriminalakten nahmen sich einen oder mehrere Anwälte. Zu meinen Erstaunen zogen sich da die Behörden zurück. Wir (Kollegen) haben irgendwann resigniert. Den Rechtsstaat gibt es schon lange nur auf dem Papier und in Bundestagsreden. Jetzt erreicht alles ein sichtbares Ausmaß und die Quittung wird präsentiert. Es ist Zahltag.

Stefan Leikert / 08.05.2018

Ja, Lenin hat wohl so gesprochen, etwas früher auch Napoleon und etwas später war dann ein großer Fan der Deutschen doch tief enttäuscht von diesem Volk, das es einfach nicht wert sei. Da liegt etwas tief im Argen. Und wenn ich mir meine nächste Umgebung ansehe, bleibt nur Kopfschütteln: es ist ihnen egal! Und wenn ich an die guten Eigenschaften und Hervorbringungen der Deutschen denke, finde ich, sie passen einfach nicht in diese Welt. Sie sollten zur Seite und zurück treten, sich den Untergang von Europa aus der Distanz ansehen und erst wieder hervortreten, wenn Aufbau gefragt ist. Vielen Dank, Herr Wegner, Ihre Art gefällt mir.

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