Am Karfreitag war es wieder soweit. Ein Ritual fand statt, welches sich allerdings von Jahr zu Jahr geringerer Beliebtheit erfreut. Lediglich zehn Personen stellten sich diesmal in Frankfurt ein, um mit einem Protestzug gegen die staatlich verordneten und religiös motivierten Einschränkungen der Menschen an Karfreitag zu demonstrieren. Christian Hufgard, Pressesprecher der Piratenpartei Frankfurt und Mitinitiator der Demonstration, zeigte sich mehr als enttäuscht über die geringe Resonanz. Es ginge um weit mehr als das Tanzverbot, sagte er laut Frankfurter Rundschau. Schließlich hätte die Kirche Einfluss auf alle Menschen in Land.
Einer der zehn Demonstrationsteilnehmer pflichtete ihm bei. Als besonders bedrohlich empfand dieser, dass eine Trennung von Kirche und Staat in Deutschland nicht gegeben sei. Schon auf die Kleinsten würden die christlichen Kirchen Einfluss nehmen und zu diesem Zweck als Träger von Kindertagesstätten fungieren: „Wenn alle Leute wüssten, was da abgeht, würde hier mehr als ein Dutzend Leute stehen.“ Im ganzen Land scheinen die Menschen jedoch resigniert und ihren Widerstand aufgegeben zu haben.
Die traditionellen Karfreitagsprotestaktionen konnte man dieses Jahr an nur einer Hand abzählen. Selbst die Grüne Jugend beschränkte sich darauf, die Abschaffung des Tanzverbotes zu fordern und sah von eigenen Veranstaltungen ab. Deutliche Worte fanden die jungen, grünen Streiter gegen staatlichen Zwang dennoch. In einer modernen Gesellschaft hätten absurde Verbote des Staates nichts zu suchen, verkündeten etwa die Vorsitzenden der Grünen Jugend Hessen, Lisa Süß und Alexander Unrath. Besonders, wenn diese religiös motiviert seien. Auch die Grüne Jugend Sachsen machte verbal mobil. Sprecherin Lena Franke stellte klar, dass das karfreitägliche Tanzverbot das öffentliche Leben in Sachsen komplett lahmlege. Angesichts des hohen konfessionell nicht gebundenen Anteils von Menschen sei es einfach nicht mehr nachvollziehbar. Zeit für eine Modernisierung, glaubt Franke.
Damit befindet sich Lena Franke ganz auf Linie mit ihrer Partei. Staatliche Regelungen, die den Alltag der Menschen beeinträchtigen, dürfen heute nicht mehr im Festhalten an überholten Traditionen begründet sein. Ein zeitgemäßes und modernes Verbot muss sich immer an der Fragestellung messen lassen, ob seine Einhaltung der Volksgesundheit zuträglich ist oder nicht. An Karfreitag sollten Jugendliche also nach Herzenslust tanzen dürfen, Bewegung ist schließlich gesund. Das von den Grünen unterstützte totale Rauchverbot sorgt aber etwa in Bayern dafür, dass die jungen Leute dabei nicht unfreiwillig als Passivraucher Schadstoffe zu sich nehmen. Und auch Stuttgarts grüner Oberbürgermeister Fritz Kuhn sorgt sich um die Gesundheit junger Menschen.
Im November letzten Jahres machte das Gerücht die Runde, Kuhn plane ein Verbot von Schweinefleisch an Schulkantinen. Andreas Scharf, Sprecher der Stadt Stuttgart, erklärte allerdings, es handle sich lediglich um eine Empfehlung, nicht ein Verbot. Jede von öffentlicher Hand finanzierte Schule kann demnach frei entscheiden, ob sie Schweinefleisch nun vom Speiseplan streicht oder nicht und somit „religiöse und gesundheitsbedingte Besonderheiten berücksichtige“. Von staatlichem Zwang zu sprechen ist also nicht korrekt. Alles was die Stadtverwaltung wolle, betont Scharf, sei „ein höherer Bio-Anteil“.
Anders als in Stuttgart, können die Grünen im Bund aufgrund geringer Wählerbindung und ihres mageren Abschneidens bei der letzten Bundestagswahl momentan zwar empfehlen, aber nur wenig durchsetzen. Dem von Grünen und Linken geplanten Antrag für eine Gesetzesänderung zugunsten eines kompletten Alkoholverbotes für Autofahrer dürfte trotz der von Stephan Kühn, Verkehrsexperte der Grünen, empfundenen „klaren gesellschaftlichen Akzeptanz“ des Verbotes wenig Erfolg beschieden sein. Auch das für den Fall des Wahlsieges geplante bundesweite Fleischkonsumverbot für alle Donnerstage des Jahres musste erst einmal auf die lange Bank geschoben werden. Diese modernen Verbote können aber mit der staatlich verordneten Einschränkung der Tanzfreiheit an Karfreitag nicht verglichen werden.
Hier geht es schließlich nicht um Religion, sondern um Gesundheit.
http://www.stuttgart.de/item/show/273273/1/9/521075