Von Frank W. Haubold.
Was passiert eigentlich, wenn man jemanden anzeigt, der zur Gewalt gegen AfD-Wähler aufruft – jemanden wie den Sportfunktionär Peter Fischer (Foto oben)? Ein Erfahrungsbericht in eigener Sache.
Man stelle sich vor, ein rechter Demagoge würde in einem Interview alle Grünenwähler als „Bolschewisten“ bezeichnen und die Öffentlichkeit dann auffordern: „Rennt denen die Türen und die Tore ein, gebt denen Ohrfeigen. Kotzt ihnen ins Gesicht!“
Der Mann könnte gar nicht so schnell weglaufen, wie Polizei und Staatsschutz zur Stelle wären. Sein Haus würde durchsucht, sein Umfeld durchleuchtet und binnen kurzem würde er wegen Volksverhetzung und öffentlicher Aufforderung zu Straftaten vor Gericht landen, zu Recht übrigens.
Nun hat besagtes Interview tatsächlich stattgefunden, und zwar bei RTL, und steht sogar trotz zahlreicher Beschwerden immer noch auf YouTube online. Nur war die Person kein rechter „Brandstifter“ und auch kein angetrunkener Penner, der eben noch auf einer Parkbank genächtigt hat (auch wenn das Video fälschlicherweise diesen Eindruck vermitteln könnte), sondern ein zumindest in bestimmten Kreisen hoch angesehener Sportfunktionär und tapferer Kämpfer gegen „rechts“.
Bananenrepublik
Und natürlich war auch nicht die Grünenwählerschaft Ziel der Tirade, sondern – der Leser ahnt es – die Wähler der Schwefelpartei AfD. Der ehemalige Diskobetreiber und Mitinhaber eines Klubs auf Ibiza, dessen Biographie man durchaus als „abenteuerlich“ bezeichnen kann, war immerhin mehr als 20 Jahre Präsident des Fußballklubs Eintracht Frankfurt (was nebenbei auch einiges über diesen Klub und sein Umfeld sagt). Zum Liebling des Establishments wurde er allerdings nicht wegen seiner Eskapaden, sondern weil er keine Gelegenheit auslässt, reale und vermeintliche Rechte unter besonderer Berücksichtigung der AfD als „Rassisten“ oder „Nazis“ zu beschimpfen und sich selbst als Antifaschist und Hüter der Moral aufzuspielen.
Solches Engagement bleibt natürlich nicht unbelohnt und ist vermutlich auch bei kleinen „Unfällen“ hilfreich, wie der kürzlich stattgehabten Hausdurchsuchung wegen des Verdachtes auf Drogenbesitz. Zwar wurden dabei Kokainrückstände auf Fischers Nachttisch, eine geringe Menge Marihuana und vier Crusher (zum Zerkleinern von Drogen) gefunden, aber die Staatsanwaltschaft, die sich schon zuvor gegen die Angriffe von Fischer-Anwälten wehren musste, stellte das Verfahren dennoch ein, da der Tatverdacht sich angeblich gegen keinen der Verdächtigen erhärten ließe.
Doch damit war die Affäre jedoch noch nicht zu Ende, denn die Frankfurter Polizeiführung sorgte im Nachgang sogar dafür, dass der Spitzenpolizist, der die Razzia angeordnet hatte, entlassen wurde! Zitat: „Die Chefetage habe sich nicht ausreichend informiert gefühlt, berichtete die ‚FAZ‘ unter Berufung auf Polizeikreise. Von der Razzia bei Fischer habe die Polizeiführung im Vorfeld keine Kenntnis gehabt.“ Es dürfte auf der Hand liegen, weshalb die Polizeiführung so verärgert war, denn der Imageschaden für den umtriebigen Multifunktionär war trotz der späteren Verfahrenseinstellung enorm. So viel zu den Frankfurter Verhältnissen, die jeder Bananenrepublik Ehre machen würden.
Keine Reaktion
Nun hatten jedoch einige Bürger – darunter auch ich – den durchaus begründeten Eindruck, dass Fischers Tirade gegen die AfD einen strafbaren Gewaltaufruf darstellt und erstatteten deswegen Anzeige. Deren Berechtigung liegt (eigentlich) auf der Hand, denn das geforderte Verabreichen von Ohrfeigen stellt eine Straftat der Körperverletzung gemäß § 223 StGB dar und somit erfüllt Fischers Äußerung eindeutig den Straftatbestand einer öffentlichen Aufforderung zu Straftaten gemäß § 111 StGB.
Daraufhin erfolgte zunächst einmal keine Reaktion, bis ich zwei Monate später ein Schreiben der Staatsanwaltschaft Frankfurt erhielt, dass das Ermittlungsverfahren „zuständigkeitshalber“ an die Staatsanwaltschaft Köln weitergegeben wurde. Nachfragen bei besagter Staatsanwaltschaft via E-Mail, Fax und Einschreiben blieben unbeantwortet, bis gestern (also 7 Monate nach Übernahme des Verfahrens) doch ein mehrseitiges Schreiben der Staatsanwaltschaft Köln einging, in dem mir wortreich die Ablehnung der Einleitungen förmlicher Ermittlungen „mangels Anfangsverdachts“ begründet wird.
Angesichts der Tatsache, dass Staatsanwälte in der Bundesrepublik (politisch) weisungsgebunden sind, stellt die Einstellung des Verfahrens keine wirkliche Überraschung dar, da ein Strafverfahren gegen eine Gallionsfigur des „Kampfes gegen rechts“ nicht im Interesse der Staatsräson ist. Folglich dürften sich die Aktivitäten der Staatsanwaltschaft weitgehend darauf konzentriert haben, entlastende Interpretationen von Fischers verbalen Ausfällen zu erarbeiten und juristisch zu begründen.
Der einzig ehrliche Satz fehlt leider
So findet sich zum Beispiel dieser schöne Satz in der Begründung: „Der Satz ‚Gebt denen Ohrfeigen‘ kann etwa hierbei zwar durchaus als Aufforderung oder Wunsch nach körperlicher Gewalt interpretiert werden, dies ist jedoch gerade nicht die einzige Interpretationsmöglichkeit.“ Schon klar, wenn ich also sage „Haut den Müller aufs Maul“, dann hat das nichts mit einem Gewaltaufruf zu tun, sondern ist „verbal“ oder als politisches „Dagegenhalten“, ein „in die Schranken weisen“ sowie ein Obsiegen gegen den politischen Gegner gemeint (alles Formulierungen der Staatsanwaltschaft) und somit durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Schön zu wissen, aber ob das die Justiz wohl auch so sehen würde, wenn Grünen-Politiker Ziel der Tirade wären?
So liegt es nach Auffassung der Staatsanwaltschaft auch fern, dass Ohrfeigen oder Türen eintreten tatsächlich so gemeint sind wie ausgesprochen, vielmehr handele es sich hierbei um eine „rhetorisch mit offenkundigen Übertreibungen und Elementen aus der Bildsprache aufgeladene Fundamentalkritik und Unmutsbekundung gegenüber den politischen Entwicklungen“ (auf eine derartige Formulierung muss man erst einmal kommen). Dass derartige öffentliche „Unmutsbekundungen“ auf fruchtbaren Boden fallen und durchaus zu Gewaltstraftaten gegen AfD-Mitglieder und ihr Umfeld nicht nur führen können, sondern tatsächlich auch führen (immerhin werden AfD-Repräsentanten laut Statistik am häufigsten Opfer von politisch motivierter Gewalt), blendet die Staatsanwaltschaft gewissenhaft aus. Aber das Umdeuten von Brandstiftern zu Biedermännern hat ja in Deutschland eine gewisse Tradition…
Insgesamt hat das Schreiben acht Seiten und strotzt von juristischen Spitzfindigkeiten, sämtlich im Sinne der Verharmlosung besagter Äußerungen (was normalerweise Sache der Verteidigung wäre), nur der einzig ehrliche Satz fehlt leider: „Natürlich ist dieser Fischer unerträglich, aber wenn wir gegen ihn ermitteln, bekommen wir Ärger.“ Und dafür hätte ich sogar Verständnis in der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2024…
Frank W. Haubold wurde 1955 in Frankenberg (Sachsen) geboren. Seit 1989 schreibt er Romane und Erzählungen unterschiedlicher Genres und gewann mehrere Literaturpreise. Seit einigen Jahren betätigt er sich auch publizistisch und gehörte zu den Erstunterzeichnern der Gemeinsamen Erklärung 2018. Mehr über ihn finden Sie auf seiner Website.