Peter Grimm / 14.12.2017 / 06:25 / 25 / Seite ausdrucken

Gute Bürgen, schlechte Bürgen

Das publizierte Mitleid mit einigen Menschen, für die die Zuwanderung der letzten Jahre nun wirklich teuer wird, ist groß; die Empörung über kaltherzige Justiz, die gnadenlos exekutiert, was im Gesetz steht, obwohl es um Migranten und wohlmeinende Helfer geht, ist grenzenlos. Der Grund: Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat jüngst geurteilt, dass diejenigen, die für einen Zuwanderer gebürgt haben, damit der ein Einreisevisum bekommt, nun tatsächlich für diese Bürgschaft auch zahlen müssen.

Eigentlich ist die Rechtslage ja klar, wie jeder weiß, der schon einmal privat Freunde oder Verwandte aus einem Land eingeladen hat, dessen Bewohner normalerweise ein deutsches Visum zur Einreise brauchen. Um dieses Visum zu beantragen, benötigt der Besucher ein offiziell beglaubigtes Einladungsformular, und zu diesem gehört eine Bürgschaft des Einladenden, für alle hierzulande entstehenden Kosten des Eingeladenen aufzukommen, auch wenn Letzterer einen Asylantrag stellt.

Diese Praxis mag etliche Betroffene auch schon in den vergangenen Jahrzehnten schwer genervt haben; zu einer breiten Diskussion über die Abschaffung dieser Bürgschaftsregel führte das nicht. Der Grundgedanke dieser Gesetzgebung war ja auch durchaus nachvollziehbar: Nur der, der einlädt, sollte für eventuelle Folgen haften, nicht alle.

Im Zeitalter weitverbreiteter Verantwortungsverschiebung und organisierter Verantwortungslosigkeit scheint das Wissen darum, dass man für die Folgen einer eigenverantwortlichen Entscheidung auch selbst einzustehen hat, etwas verloren gegangen zu sein. Oder weiß man heutzutage in Deutschland nicht mehr, was eine Bürgschaft ist?

Um Flüchtlingen und denen, die sich zu solchen erklären, zu helfen, hatten sogenannte Flüchtlingshelfer die Idee, dafür zu werben, dass man doch mit einer Einladung einem Zuwanderer den legalen und gefahrlosen Weg nach Deutschland ebnen könnte. Die Bürgschaft sei mehr eine Formalie. Zum einen gäbe es für Betroffene bestimmt Hilfen und außerdem würde jeder, der solche Verpflichtungen einginge, um Gutes zu tun, bestimmt bald per Verordnung oder Gesetz davon befreit.

Hätte man es nur gewusst

Die Welt schildert einen Mitleid erregenden Fall, ganz so, wie es die anderen Medien auch derzeit tun. Die Kollegen sind bei William Eichouh, einem Ingenieur und Vater von drei Kindern. Er hatte für zwei Syrer gebürgt. Er hatte den vielen Reden geglaubt, dass er seine Zahlungen einstellen könne, sobald der Asylantrag genehmigt ist. Bei „seinen“ Syrern war das schnell der Fall, und er stellte die Zahlungen ein. Das hätte er nicht gedurft, sondern er ist drei Jahre lang verantwortlich.

Gegenüber der „Bild“ zeigte er sich hilflos: „Ich habe Familie, muss Kredite für ein Haus bedienen. Mir droht der Ruin“, so der Deutschsyrer. Und gegenüber dem „Focus“ sagte er: „Hätte ich gewusst, dass ich immer weiter zahlen muss, hätte ich mich niemals darauf eingelassen.“

Das ist zwar eine bittere Erkenntnis, aber die teilt William Eichouh mit vielen Deutschen, die sich deshalb allerdings kaum eines großen Mitgefühls erfreuen dürfen. Gerade Eheleute oder Lebenspartner bürgen oft füreinander, beispielsweise, um ihren Liebsten ein Geschäft zu ermöglichen, wofür diese allein aber nirgends einen Kredit bekommen würden. Die Bürgschaft macht es möglich. Und wenn dann das Geschäft scheitert und die Beziehung möglicherweise auch, bleibt man auf den Schulden sitzen. Wohl die meisten sagen dann, dass sie das nie gemacht hätten, wenn sie es gewusst hätten. Bei dem Geschäft, das es zu finanzieren galt, könne nichts schiefgehen, wurde der Bürgin oder dem Bürgen doch versichert. Ganz so, wie bei den selbsternannten Flüchtlingshelfern auch. Doch egal ob für Ehegatten, Lebenspartner oder Zuwanderer – eine Bürgschaft ist und bleibt eine Bürgschaft.

Dass sich die Menschen, die gezielt Asylbewerber eingeladen haben, dennoch viel stärker benachteiligt fühlen als andere Bürgen, hat damit zu tun, dass sie Grund hatten, den anderen Signalen zu glauben. Zum einen wurde mit der „Flüchtlingskrise“ jedes Gesetz, das den ungebremsten Zuzug hätte behindern können, de facto außer Kraft gesetzt. Und während die Bürgen dafür bezahlen sollen, verdienen andere mit Unterbringung und Versorgung der Asylbewerber gutes Geld. Schlussendlich hat doch fast jeder, der beim Refugees-Welcome-Jubel das Gefühl genoss, ein guter Mensch zu sein, darauf gesetzt, dass es ihn selbst am Ende schon nichts kosten werde. Schließlich bekommen doch all die Zuwanderer ihren Platz im Sozialsystem, und das spüren ja zunächst nur diejenigen, die mit den zusätzlichen Kostgängern die Wohlfahrtsleistungen teilen müssen.

In dieser Situation befinden sich Menschen, die eine Bürgschaft übernehmen können, naturgemäß nicht. Dass das eigene Handeln wirklich Konsequenzen hat und die Zuwanderer-Bürgen nun tatsächlich selbst mit eigenem Geld für ihre eigenen Verpflichtungen einstehen müssen, schockiert nun die Menschen, die für das Gute gebürgt haben. Es ist noch nicht allzu lange her, da galt die Übernahme von Verantwortung für die Folgen einer eigenen freien Entscheidung als so selbstverständlich, dass sie keinerlei extra Erwähnung bedurfte.

Der von der „Welt” voller Mitgefühl porträtierte Bürge sagte übrigens vor Gericht: „Man versicherte mir, dass die Zahlungspflicht endet, wenn meine Verwandten als Flüchtlinge anerkannt sind.“ Doch das müsse er belegen und den Mitarbeiter, der ihm dies gesagt habe, als Zeuge benennen, verlangte der Richter.

Man hätte es wissen können

Das ist ein großes Entgegenkommen, denn eigentlich gilt das, was man unterschrieben hat. Ein erwachsener geschäftsfähiger Mann, wie der mitleidheischende Bürge, konnte das wissen.

Als „Flüchtlingshelfer“ in den Hochzeiten der „Flüchtlingskrise“ bei Wohlmeinenden um Bürgschaften warben, schrieb Antje Sievers hier auf der Achse:

Juristen raten in der Regel eindringlich davon ab, eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben. Denn dass eingegangene Risiko ist schlicht unkalkulierbar. Hat man einmal eine Verpflichtungserklärung unterschrieben, ist diese praktisch unwiderruflich. In Bundesländern, in denen nicht automatisch die Krankheitskosten von der Allgemeinheit getragen werden, zahlt der Verpflichtungsgeber nicht nur Wohnung und sämtliche Lebenshaltungskosten, sondern muss auch eine Krankenversicherung tragen. Verzichtet man auf dieselbe, ist es, als würde man eine Partie Russisches Roulette spielen. Eine lebensrettende Operation plus sechs Wochen Reha – da wird man mit 1650.- € monatlich noch im selben Monat an seine Grenzen kommen.

Sollte sich die (in der Regel komplett unbekannte) Person gar strafbar machen oder ins europäische Ausland absetzen, wird man sich wünschen, man hätte vorher besser mal nachgedacht. Oder man wäre nie geboren worden. Da kann es unter Umständen noch besser sein, wenn der Eingeladene schnell wieder abgeschoben werden muss. Für die Kosten muss man als Verpflichtungsgeber selbstverständlich auch aufkommen, aber in solch einem Fall bleiben sie nur im fünfstelligen Bereich.

Wer also für die Gute Sache gebürgt hat und nun von der kaltherzigen Justiz auf Recht und Gesetz verwiesen wird, muss dennoch nicht verzagen. Es gibt Politiker, die daran arbeiten, die Bürgen des Guten vielleicht per Sonderrecht zu entlasten. Manfred Haferburg hat vor einem Vierteljahr hier darauf hingewiesen. Das publizierte Mitgefühl mit den Menschen, die für Zuwanderer gebürgt haben, dient so einem guten Zweck. Da können die guten Bürgen hoffen. Wer für Einheimische Haus und Hof verpfändet hat und dabei Schiffbruch erlitt, wird solche politische Fürsorge nie erfahren. Es gibt eben gute Bürgen und schlechte Bürgen.

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Karla Kuhn / 14.12.2017

Unwissenheit schützt nicht vor Strafe. In dem Fall Bürgschaftseinlösung.  Wer das Gesetz aushöhlen möchte, macht sich zum Straftäter, das wurde uns schon in der Schule eingebläut. Weder ein Richter, noch ein Staatsanwalt und Rechtsanwalt darf ein Gesetz beugen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, daß sie es machen würden. Wir haben jetzt eine wirkliche Opposition, die hat mit Sicherheit ein Auge auf dieses brisante Thema geworfen.

Jochen Brühl / 14.12.2017

Zum russischen Roulette wird das nicht nur in den Fällen der nicht abgeschlossenen Krankenversicherung, sondern in den meisten Fällen auch bereits bei der Bürgschaftsübernahme der laufenden Kosten zum Lebensunterhalt. Der schlechte Bildungsstand sorgt hier für ein solches Risiko. Es gibt nur einen kleinen aber doch erheblichen Unterschied. Das Russische Roulette mit den Bürgschaften ist nicht das klassische mit dem Trommelrevolver, sondern eines mit einer Automatikpistole. Und da sind die Überlebenschancen bekanntlich gering.

Magdalena Lau / 14.12.2017

Tja, in einem Land, in dem mehrfach und andauernd geltendes Gesetz gebrochen wird kann der gutherzige Bürge leicht mal auf die Idee kommen, es werde sich im Ernstfall einer Bürgschaft übers Gesetz hinweg gesetzt. Dumm nzr, wenn es dann bei Mitleidsbekundungrn in dem darüber berichtenden Gazetten bleibt.

Martin Landvoigt / 14.12.2017

Im Grunde ist die Idee, Bürge zu sein für Flüchtlinge, ein konsequent gutmenschliche. Denn es nimmt zur Kenntnis, dass eben Kosten entstehen, die ansonsten ja Dritte zahlen müssten. Eine Forderung nach einer Willkommenskultur, die von Dritten Zahlungen fordert, einen selbst aber unbehelligt lässt, ist dagegen moralisch bedenklich. Die Häme sollte sich eher an die richten, die eben die Willkommenskultur beförderten und nicht die von ihnen verursachten Kosten beglichen. Die Forderung, die Kosten der Bürgschaftsverpflichtung zu begrenzen und den Bürgen vor dem vollständigen Ruin zu retten, halte ich für nachvollziehbar, bleibt aber strittig. Denn zu recht verweist der Autor auf die aktuelle Rechtslage, und die lässt einen vernünftigen Menschen eben keine echte Wahl, derartigen Verpflichtungen einzugehen. Wer es dennoch macht, muss eben damit rechnen, die Suppe auch auslöffeln zu müssen.

Wolfgang Hase / 14.12.2017

Als meine Mutter für meinen Vater eine Bürgschaft für dessen Geschäft leistete und nach seinem Tod das ganze Ausmaß einer gefälschten Buchführung sowie nicht vorhandener Waren sichtbar wurde, musste sie die Bürgschaft trotz ausgeschlagener Erbschaft mit entsprechendem Zinssatz über Jahre abstottern. Entsprechend arm und trostlos bin ich aufgewachen, da Teile unserer Einrichtung auch noch gepfändet wurden. Nicht umsonst sagt der Volksmund: “Bürgen heißt Würgen”. Das kann heutzutage jeder wissen bzw. in div. einschlägigen Ratgebern nachlesen bevor er solch eine Verpflichtung eingeht. Darum: Mein Mitleid hält sich doch arg in Grenzen.

Frank Hilgers / 14.12.2017

Nicht gewusst? Sorry, das ist lächerlich. Ich habe selbst schon einige dieser Verpflichtungserklärungen für Verwandte meiner Frau aus Südamerika unterschrieben. Man bekommt die Rechtslage ausführlich von der Behörde erklärt. Insbesondere, dass man eine Krankenversicherung für den Eingeladenen abschließen sollte. Das wäre ja auch noch schöner. Der feine Herr läd sich seine Verwandschaft ein und wir sollen dafür zahlen? Wie dreist ist das denn?

Frank Pressler / 14.12.2017

Verstehe ich das richtig? Dieser deutschsyrische Gutmensch hätte seiner Verwandtschaft, die aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe auf der Flucht war, nicht geholfen, wenn er gewusst hätte, dass er und nicht der deutsche Steuerzahler für die Hilfe zahlen müsste? Damit ist ja sowohl fast alles über die tatsächliche Gefährdungslage seiner mittlerweile anerkannten Verwandtschaft als auch über die humanitäre Gesinnung dieses Mannes, der ein Musterexemplar all der anderen Gutmenschen ist, gesagt.

Edgar Thormeyer / 14.12.2017

Politische Lösungen? Was meinen Sie damit? Lösungen, die geltendes Recht umgehen oder biegen? Lösungen, die die Lasten der Aufgabe auf andere als die übertragen, die davon profitieren wollten? Lösungen, die dem gesunden Menschenverstand und dem Rechtsempfinden widersprechen? Ja, fürwahr, das sind alles “politische” Lösungen. Wir aber wollen Gerechtigkeit und Rechtskonformität!

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