Henryk M. Broder / 03.01.2022 / 12:00 / Foto: Achgut.com / 97 / Seite ausdrucken

Was der DJV-Vize alles so nicht sagen will

Sie haben es vermutlich mitbekommen, dass achgut.com auf YouTube nicht mehr zu finden ist. YouTube hat uns komplett gelöscht. Alle Videos, mehrere hundert Beiträge, obwohl nur eine Handvoll (oder noch weniger) beanstandet wurde, und das mit der immergleichen Begründung: „Verstoß gegen die Gemeinschaftsstandards". Im normalen Leben würde man so etwas „unverhältnismäßig" nennen, aber darauf kommt es im Netz nicht an. Würde man diese „Gemeinschaftsstandards" auf eine Hausgemeinschaft anwenden, bedeutete das, dass der Vermieter allen Mietern kündigen kann, weil einer mit der Mietzahlung in Verzug geraten ist.

Sei's drum. Die Sache wird vor Gericht entschieden werden, und YouTube wird, wie in allen vorausgegangenen Fällen, für seinen zensorischen Eifer büßen. 

Heute wollen wir Ihnen von einem anderen bedeutenden Player im Großen Haus der Meinungsfreiheit berichten, dem Deutschen Journalistenverband und seinem stellvertretenden Bundesvorsitzenden Mika Beuster, im Hauptberuf Redaktionsleiter des Weilburger Tageblatts und Reporterchef des Weilburger Tageblatts und des Usinger Anzeigers.

Am 30. Dezember berichtete MDR aktuell über die YouTube-Löschaktion. Der kurzen Meldung folgte ein drei Minuten langes Interview zu der Causa mit dem stellvertretenden Bundesvorsitzenden des DJV, Mika Beuster. Unser haitianisches Au Pair Mariposa war so freundlich, das Gespräch zu transskribieren. Hier ist es in voller Länge:

Herr Beuster, die Löschung des YouTube-Kanals der Achse des Guten ist jetzt eine Woche her. Hat der Deutsche Journalistenverband schon dagegen protestiert?

Nein, das haben wir nicht und das werden wir auch nicht tun.

Also wenn es um die Pressefreiheit in Hongkong oder Belarus geht, dann äußern Sie sich schon mal sehr pointiert und protestieren, wenn da kritische Journalisten an der Arbeit gehindert werden. Sind Ihnen deutsche Journalisten, die kritisch berichten, nicht so wichtig?

Ganz im Gegenteil Wir stehen für kritischen Journalismus. Wir haben 30.000 Mitglieder im DJV und wir sind das Bollwerk gegen Angriffe auf den kritischen Journalismus. Also ganz im Gegenteil. Aber es ist wirklich fraglich, ob es sich hier um kritischen Journalismus handelt. Das will ich im Einzelfall jetzt auch gar nicht beurteilen. Aber die Pressefreiheit ist hier nicht in Gefahr. Journalismus oder was guter Journalismus ist, das ist im Pressekodex festgehalten, kann jeder nachlesen. Welche Grundsätze gelten für seriösen guten Journalismus? Wahrhaftigkeit gehört dazu. In dem Fall hier kann man sicherlich sagen, dass das kein Angriff auf die Pressefreiheit ist.

Das heißt, Sie sind damit einverstanden, dass ein amerikanischer Konzern, in dem Fall YouTube, bestimmt, was wahre Informationen sind und was nicht und entscheidet, was quasi in Deutschland auf diesem Kanal zumindest gesagt werden darf und was nicht?

Nein, so rum kann man es auch nicht drehen. Wir haben große Probleme damit, wie gerade die Digitalkonzerne aus dem Silicon Valley hier umgehen. Da geht es um so Detailfragen wie Urheberrecht im Journalismus. Eine Rolle spielen also, dass Plattformen Inhalte teilen, die von Dritten produziert werden und die daran aber dann auch nicht partizipieren. Aber ja, es kann natürlich nicht angehen, dass in Amerika bestimmt wird, quasi was zu sehen ist. Aber wenn wir über Journalismus in Deutschland reden und wenn man jetzt hier zum Beispiel das Wort der Zensur auch hört, dann stimmt das natürlich nicht. Zensur ist staatlich und nicht von anderer Stelle. Also da muss man auch die Begriffe deutlich auseinanderhalten. Und wie gesagt, wir als Deutscher Journalistenverband, wir sind für die deutschen Journalistinnen und Journalisten zuständig, also für jene, die qualitative Arbeit leisten, die wahrhaftig ist. Desinformation rügen wir und wir stellen uns dagegen. Und das haben wir zum Beispiel im Fall des staatlichen Propagandasenders RT Deutsch auch getan. Also Propaganda ist was anderes als Journalismus.

Damit sagen Sie aber eigentlich, dass die Achse des Guten Desinformationen verbreitet.

Das habe ich so nicht gesagt. Das haben wir im Fall von RT Deutsch so gesagt. Wie gesagt, das ist jetzt eine Entscheidung, die YouTube getroffen hat. Das ist die Entscheidung eines Privatunternehmens. Das kann es so treffen. Im Übrigen sind wir ja dafür, dass soziale Netzwerke wie auch YouTube Standards einhalten, die sich an den Gesetzen orientieren. Das gilt ja für alle anderen Medien auch. Also niemand darf ja Hass, Hetze, Häme und Desinformation betreiben und das ist auch gut so. Und wir finden es auch gut, dass dann die Konzerne daran gebunden sind. Wie sie das umsetzen, ist ihre Sache. Das kann man dann im Einzelnen durchaus kritisieren. Aber ja, insofern den Einzelfall jetzt der Achse des Guten, das kann man so oder so bewerten. Die Pressefreiheit sehen wir an dieser Stelle nicht in Gefahr.

                                              +++

Nicht schlecht, oder? So redet ein Apparatschik, der es zum stellvertretenden Vorsitzenden eines Verbandes gebracht hat, dessen 30.000 Mitglieder und Mitgliederinnen dem guten, kritischen, seriösen und wahrhaftigen Journalismus Treue geschworen haben. Schöner hätte es auch Winston Smith vom Ministerium für Wahrheit nicht sagen können. 

Was lehrt uns das? Es gibt keine staatliche Zensur in der Bundesrepublik, keine Reichspressekammer, keine Reichspresseschule und kein „Rotes Kloster" wie in der DDR, in dem angehenden Journalisten beigebracht wurde, wie sie die staatlich verordnete Wahrheit dem Volk vermitteln sollen. Was es dagegen gibt, das sind private Organisationen, Vereine, NGOs und Stiftungen, die an die Stelle staatlicher Zensurinstanzen getreten sind. So ist – neben Influencern, Eventmanagern und Freizeitpädagogen – ein neuer Berufszweig entstanden, die Faktenchecker. Sie führen Aufträge aus, die ihnen niemand erteilt hat. Und der Tropf, an dem sie alle hängen, heißt „Demokratie leben!", ein millionenschweres Programm der Bundesregierung zur Förderung demokratischen Bewusstseins in der Bevölkerung, die von „Querdenkern" und anderen negativen Elementen in die Irre geführt wird.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Charles Brûler / 03.01.2022

Da kann man nur sagen: Im Gleichschritt MARSCH !

Jo Walter / 03.01.2022

Es gab doch auch den DJV-Funktionär, der auf einer Corona-Demo einem Teilnehmer das Bein stellte, sozusagen polizeilich agierte und dann fadenscheinige Ausreden hatte. Der Funktionär ist Geschäftsführer des DJV Thüringen. Mit seinem Namen findet man die entsprechenden Videos. Das war so ungeheuerlich, dass ich dem DJV eine Mail schreiben musste, diesem gewerksschaftartigen Verband, der auch meinen Bruder schändlich im Stich gelassen hatte, als seine Redaktion/Verlag quasi zwangsweise, den Mitarbeitern sittenwidrige Arbeitsverträge aufzwingen wollte.

Helmut Rott / 03.01.2022

B. Kasimir / 03.01.2022 Lieber Herr Broder Ich bin treuer Leser der Achse, sie trägt wesentlich dazu bei, sich in dieser immer verrückteren Welt zu orientieren. Bitte weiter so! Kritisch möchte ich anmerken, dass sich scheinbar Neusprech trotz aller Bemühungen einschleicht. Die “Mitgliederinnen” des DJV sind für mich doch etwas gewöhnungsbedürftig… SCHADE,dass manche Menschen IRONIE UND SARKASMUS nicht erkennen, selbst wenn es sich vor ihren Augen entfaltet…

Martin Müller / 03.01.2022

Zensur hat viele Namen, hinter die man sie versteckt. “Demokratie leben” ist sicher einer davon. Man hat dazugelernt, wie man Gesinnungsdemokratie als Demokratie verkaufen kann, wie man Meinungsfreiheit auf politisch korrekte Linie bringt. Man braucht keine Diktatur, es reicht die Halbdemokratie, um den Schein zu wahren. Youtube und Konsorten sind dabei nützliche Helfershelfer.. Schließlich gilt es die letzte Bastion der Meinugsfreiheit unter Kontrolle zu bekommen. Der Staat als Finanziers der selbsternannten Wahrheitsmacher und Demokratiewächter kann dabei seine Hände in Unschuld waschen.

Stanley Milgram / 03.01.2022

Neben Herrn Reitschuster ist Herr Broder unser letzter Fels in der Brandung. Seien wir doch auch mal Felsen!

Eva Mieslinger / 03.01.2022

Der geilste Satz aus dem Interview: “Aber wenn wir über Journalismus in Deutschland reden und wenn man jetzt hier zum Beispiel das Wort der Zensur auch hört, dann stimmt das natürlich nicht. Zensur ist staatlich und nicht von anderer Stelle.” Klare Sache. Zensur ist staatlich und nicht von anderer Stelle. Oder haben wir es hier etwa mit einem klassischen Zirkelschluss zu tun? Ein Zirkelschluss ist ein Beweisfehler, bei dem die Voraussetzungen das zu Beweisende schon enthalten. Oder anders gesagt von Molière: Warum ist das Mädchen stumm? – Das Mädchen ist stumm, weil es sein Sprachvermögen verloren hat! – Warum hat es sein Sprachvermögen verloren? – Auf Grund des Unvermögens, die Sprache zu beherrschen!

Manuela Pietsch / 03.01.2022

“Journalismus oder was guter Journalismus ist, das ist im Pressekodex festgehalten, kann jeder nachlesen.” *würg* Dieser merkwürdige Kodex ist doch schon Teil des Problems! Hat man je davon gehört, dass es in einem freien Land Restriktionen für die Presse gibt? Wobei es egal ist, ob diese von oben verordnet oder durch vorauseilenden Gehorsam stattfinden. Wenn die Presse sich das freiwillig auferlegt, um so schlimmer! Dann hat die Presse nicht verstanden, was ihre Aufgabe ist: Sie soll als 4. Gewalt die anderen drei kontrollieren, kritisieren, Missstände aufdecken.

George van Diemen / 03.01.2022

In der Industrie gibt es seit vielen Jahren Standards zur Qualitätssicherung. Stichwort seit über Jahrzehnten ist “ISO 9000”. Was bedeutet das? Ein Hersteller verkauft ein Produkt mit zugesicherten Eigenschaften die er in Entwicklung und bei der Herstellung detailiert testet und dokumentiert. Ist der Käufer unzufrieden, so kann er die Mängel beim Unternehmen melden und den Mangel an Hand der nachprüfbaren(!) und vollständig vorhandenen(!) Aufzeichnungen des Unternehmens verifizieren. Ein positiver Lernprozess für beide Seiten. Hat der Betrieb falsch gefertigt/geliefert oder hat der Kunde falsch bestellt? Bei den meisten Firmen werden die Verfahren sehr ernst genommen weil der Nutzen für Hersteller und Kunden bares Geld wert ist. In Politik und Verwaltung sind solche Mechanismen unbekannt und auch nicht gewollt. Die rotzen ideologisch raus was gerade woke anfällt (man verzeihe mir die prollige Wortwahl) und dann kann man ja als Privatperson oder Firma den Laden verklagen. Wobei es hilfreich ist, dass die Juristerei politisch auf Parteilinie fährt und Juristen alles tun, um aus ihren feuchten Kellerwohnungen in die Homeoffices auf den Bahmas umziehen zu können…. Und besonders fällt der Mangel an Qualitätsbewußtsein und aktiver Fehlerkultur bein der schreibenden Brigade auf. Die ideologischen Vorgaben des Plattform bestimmen über die Einstellung des devoten Schreiberlings. Sein Parteiausweis und Wille zur Rettung von Walen, Klima und Klimahüpfern seine Tagesleistung. Was er absondert ist frei von Feedback und wird von den linientreuen Schranzen in Politik und anderen Redaktionen gerne aufgegriffen. Wir erleben seit geraumer Zeit, wie die ungebremste Spirale aus Dummheit, unregulierter Einfalt und persönlichen Eitelkeiten ein ganzes Land in den Ruin schwurbelt….

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