Thomas Maul, Gastautor / 28.06.2019 / 06:25 / Foto: Jody Lee Smith / 47 / Seite ausdrucken

Grünifizierte Gesellschaft (1): Opferbereit in die Hölle

Von Thomas Maul.

„Ein Kind ist das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann. Jedes nicht in die Welt gesetzte Kind bedeutet eine CO2-Einsparung von rund 50 Tonnen im Jahr,“ sagt Verena Brunschweiger, Autorin, Feministin und SPD-Mitglied.

Bereits zu Beginn der 1980er Jahre charakterisierte Wolfgang Pohrt die Grünen als „einzige politische Kraft in der Bundesrepublik […], der es fortan gelingen wird, Massen zu mobilisieren und von den Einzelnen erfolgreich Opfer und die Inkaufnahme beträchtlicher Risiken zu verlangen.“

Damals wiesen Kritiker nicht nur auf die offenkundigen Ähnlichkeiten in den Argumentationen grüner und brauner Natur- oder Friedensfreunde hin. Sie registrierten an den alternativen Rändern der Gesellschaft das Heraufziehen einer autoritären Ökobewegung, der es nicht um die menschenfreundliche Gestaltung der Umwelt, sondern um den Schutz der fetischisierten Natur vor dem Menschen geht.

Wie kein anderer hob Pohrt auf das regressive Potenzial in den ideologischen und politischen Vorstößen einer noch vergleichsweise kleinen Gruppe von Aktivisten ab:

Zwar sind die Grünen und die Friedensbewegten in der Bundesrepublik prozentual eine Minderheit, die großen Parteien, die Kirchen, die Gewerkschaften und die Krankenkassen bieten weit mehr eingeschriebene Mitglieder auf. Doch keine der etablierten Institutionen darf bei ihren Anhängern auf jene Begeisterungsfähigkeit, auf jene Opfer-, Einsatz-, Verzicht- und Risikobereitschaft rechnen, die beispielsweise 50.000 auf eigene Kosten angereiste AKW-Gegner in Brokdorf bei eisigem Nordost einer gefährlichen Konfrontation mit der Polizei gefasst ins Auge schauen ließ. Und keine etablierte Institution hat es in den letzten Jahren vermocht, die Sorgen und Ängste, die Hoffnungen und Wünsche, selbst die Lebensumstände der ganzen Bevölkerung bis hin zu den täglichen Essgewohnheiten so entscheidend zu prägen, wie dies den Grünen und den Friedensbewegten gelungen ist. Keine andere Gruppierung schließlich hat in den letzten Jahren ein Echo in den Medien gefunden, welches dem der Grünen und Friedensbewegten auch nur vergleichbar wäre. Das heißt nichts anderes, als dass die Grünen tatsächlich, wie sie von sich behaupten, eine Bewegung sind, also eine politische Kraft, deren wahre Bedeutung in einer schwer berechenbaren Dynamik steckt, und deren Größe durch die üblichen Indikatoren – Mitgliederzahl, Macht- und Einflusspositionen in Wirtschaft, Verwaltung, Medien – nur höchst unzureichend umschrieben ist.

Neogrüner Machbarkeitsfetischismus

Rund 40 Jahre später wäre es offensichtlich überholt, von einem „Echo“ der Grünen in den etablierten Medien, in Massenbewusstsein und Politik zu sprechen. Längst sind sämtliche Lebensbereiche nahezu vollständig grünifiziert. So wird etwa die primär klimapolitisch begründete „Energiewende“ in einem gesamtgesellschaftlichen „Kraftakt“ vorangetrieben, den die Bevölkerung laut aktueller Umfrage mit absoluter Mehrheit schichtenübergreifend begrüßt; der Ausstieg aus Kernkraft und Kohleenergie ist ausgemachte Sache – völlig unabhängig davon, ob die Partei der Grünen an der Regierung beteiligt ist oder wieviel Prozent der Wählerstimmen das jeweils aktuelle politische Klima für sie abwirft.

Heute glauben eben sehr viele Menschen, darunter gerade auch solche, die nicht die Grünen wählen, dass es nicht nur einen menschengemachten Klimawandel, den man aufhalten müsse, um eine drohende Apokalypse abzuwenden, und so etwas wie zum Beispiel „ökologischen Strom“ tatsächlich gibt oder überhaupt nur geben könnte, sondern auch, dass Leute, die dies nicht glauben, allein deshalb schon bestenfalls sonderbar, schlimmstenfalls Reichsbürger, AfDler oder Nazis seien.

Vor gar nicht langer Zeit sorgten elektrische Geräte und deren krebserregender „Elektro-Smog“ noch für quälende Nervosität unter den besonders schreckhaften Gesundheitsbewussten. Dieselben Leute erblicken heute in der ausgreifenden Elektrifizierung samt Akkus (früher Sondermüll) und dem dazu erforderlichen exorbitanten Lithium-Raubbau für künftige Energiewirtschaft und Elektroautos das Heil schlechthin, das Deutschland und seine Hilfsvölker in die Welt zu tragen gedenken.

Man merkt: Die Grünen und ihre Anhänger haben sich während der Machtergreifung des öffentlichen Raumes in einem Sinne radikal verändert, der den Erfolg der Bewegung außerordentlich begünstigt. Waren die alten Naturfreunde eher fortschritts- und technikfeindlich eingestellt, in dieser Hinsicht Opponenten des Zeitgeistes, des Kapitals, so sind sie heute – zumindest was „die Erneuerbaren“ betrifft – auf eine Weise fortschrittsoptimistisch und damit lobby- bzw. kapitalkompatibel, die als vorauseilende Überanpassung auftritt und darin zugleich jeden Realitätsbezug verloren hat. So scheint es für die Fans alternativer Energien überhaupt keine Grenzen des Machbaren mehr zu geben.

Opferbereitschaft und Weltenrettung

Sofern Wille und Geld ausreichend vorhanden sind, soll technologisch schlichtweg alles möglich sein. Und sollte das Machbare mit den frommen Wünschen einmal doch nicht Schritt halten können, die angemaßte Hybris mit der Realität kollidieren, kommt die ja keineswegs verabschiedete Ideologie von Opferbereitschaft und Verzicht im Dienste des Höheren – gerne der Weltenrettung – nur umso unerbittlicher zum Einsatz.

Das heißt zum Beispiel ganz konkret: Entweder gelingt in naher Zukunft, was in den letzten vierzig Jahren nicht gelungen ist, nämlich (analog der Entwicklung in der Aufbewahrung elektronischer Daten und Dateien) immer größere Mengen an Strom in immer kleineren und leichteren Medien effizient zu speichern, was nötig wäre, um angesichts schwankender Sonnen- und Windverhältnisse eine konstante Stromversorgung von nicht grundlastfähiger Fotovoltaik und Windkraft abhängig zu machen. Oder es wird nur noch zu verkonsumieren sein, was im jeweiligen Moment an Strom vorhanden ist, also in Abhängigkeit vom Wetter erzeugt werden kann, während man für unverzichtbar verlässliche Wärmeenergie und zwecks Stahlverarbeitung statt – wie bisher – „heimische“ Kohle künftig importiertes Erdgas zu verbrennen plant, was freilich weder „sauberer“ noch „preiswerter“ ist − von den Umbaukosten ganz zu  schweigen.

Mit Anton, dem Kettenhund, in die Gesellschaftshölle

Personell sind die Grünen für ihr widersinniges und grundgut menschenfeindliches Projekt schon mal bestens aufgestellt: Infantiles Wünschen, rosa Luftschlösser und die großen Emotionen besorgen schräg-durchgeknallte und auf niedlich-naiv machende Berufsjugendliche wie „Jan, Ska und Terry“, Katharina Schulze und Annalena Baerbock, in die von grüner Politik heraufbeschworenen Krisen und sozialen Verwerfungen wird Robert Habeck die Menschen mit besonnen-unaufgeregter Pseudointellektualität mitnehmen, und auf Zweifler beziehungsweise Kritiker der anvisierten Gesellschaftshölle lassen sie den Kettenhund Anton Hofreiter los, dessen Empörung darstellende Selbstinszenierungen zuweilen an Roland Freisler erinnern.

Geändert hat sich im Verlauf der skizzierten Entwicklung selbstverständlich auch, dass der heutige Naturfreund nicht mehr die „gefährliche Konfrontation mit der Polizei“ sucht. Im Gegenteil: Während Schüler sich von Lehrern, Eltern und der Kanzlerin zum Schule schwänzenden Demonstrieren für das Klima ermutigen lassen, möchte der zeitgenössische Ökofanatiker höheren Semesters Justiz und Polizei am liebsten auf alle hetzen, die sich gegenüber der Mehrheitsmeinung renitent zeigen, weil ihnen ein einigermaßen gutes und komfortables Leben wichtiger ist als permanente Opferbereitschaft im Zeichen des schlechten Weltgewissens – erst recht, wenn die geforderten Verzichtsleistungen in keinem vertretbaren Verhältnis zu dem stehen, was mit ihnen vorgeblich oder tatsächlich erreicht werden soll.

Im zweiten Teil lesen Sie morgen: Grenz(wert)debile Isolations- und Diffamierungsversuche.

Dieser Text erschien zuerst in  BAHAMAS Nr. 81. Auf Achgut.com wird er als Serie in vier Teilen veröffentlicht. 

Thomas Maul ist Autor mehrerer Bücher, unter Anderem zum Islam und zu Kritischer Theorie, und publiziert regelmäßig in der Zeitschrift BAHAMAS, zuletzt zu „Metoo“. Einen Überblick über seine Publikationen verschafft seine Website, auf der weitere Texte abrufbar sind: www.thomasmaul.de.

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Th. Radl / 28.06.2019

„Ein Kind ist das Schlimmste, was man der Umwelt antun kann. Jedes nicht in die Welt gesetzte Kind bedeutet eine CO2-Einsparung von rund 50 Tonnen im Jahr“ Da kann man doch nur feststellen, dass die Eltern von Frau Brunschweiger richtige Umweltferkel sind! Das sind 1.950 Tonnen CO2 (!!!), mit denen dieses nutzlose und umweltversauende Kind bis jetzt die Welt verseucht hat! Und sie hat garantiert noch nicht einmal darüber nachgedacht, dieser Sauerei ein Ende zu setzen! Das wiederum fordert sie, in üblicher Gutmenschenmanier nur von anderen! Und dabei ist ja noch nicht einmal darüber nachgedacht, inwieweit diese Umweltsau über dem Durchschnitt liegt, da sie, weil achsowichtig, natürlich viel mehr reisen muss als der Durchschnittsdeutsche und damit einen ökologischen Fußabdruck hinterlässt, in dem andere Fußball spielen können. In dieser Beziehung wird sie den Grünen Kerosin-Katha oder dem Möhrchenzertramler-Versteher aus Berlin sicher in nichts nachstehen… Und um das klarzustellen: Umweltsau ist nicht etwa eine von mir gewählte Beschimpfung, sondern bezieht sich auf das Zitat von der bezeichneten Person, die sich zwar sicher NICHT selbst gemeint hat, aber nun mal genau selber in die von ihr selbst geschaffene Kategorie fällt! 50 Tonnen Co2 sind nun mal eine Hausnummer!

P.Gross / 28.06.2019

Viele grün-skurrile Ausblühungen, grün-rigorose Restriktionen und grün-gemeingefährliche Verbal- und nicht nur Verbalattacken gegenüber besonneneren und hinterfragenden Menschen, all die um sich greifenden, widerlichen Denunziationen - vom Vorsitzenden des mickrigen Fussballvereins bis zum grosskopferten Politiker…Dazu das völlig verblödete claquiren und hetzen vieler Kirchen"fürsten” und kleinen Pfaffen. Die hässliche Blockwartmentalität…All das und einiges mehr, lässt mich in der Tat an den völlig gemeingefährlich vernebelten Trancezustand des Deutschen Menschen während des Nationalsozialismus denken. Da sehe ich bald keinen Unterschied mehr zur aktuellen Situation in diesem Land. Analoge Sogeffekte: das mitreissende Aufgehen in der Masse, das Gefühl des Überlegen seins und Ideologien die sich, auf den zweiten Blick, erschreckend ähneln: ohne Lebensraum im Osten kann sich das deutsche Herren-Volk nicht weiter entwickeln seinerzeit, und ohne massive de-Industrialisierung und Morgenthau ähnliche Zukunftspläne ante portas hier und heute, wird der deutsche Mensch morgen ausgelöscht, verglüht mitsamt dem unbedarften, unwilligen Rest der Menschheit. Vorstellungen, seinerzeit und aktuell jubelnd aufgenommen und brachial forciert. Potenzierte deutsche Hybris gestern und heute. Ein Volk mal wieder, Verzeihung, en marche. In ´s nächste Chaos, wohin sonst. Abschliessend noch was zu Herrn Hofreiter, dem Mensch mit der blauroten Gesichtsfarbe speziell im Zustand höchster, unkontrollierter Erregung: peinlich und hochaggressiv! Aber, perfekt inszeniert. Dem ist Einiges zuzutrauen.

Anders Dairie / 28.06.2019

Das in Monatsmitte auf n-tv gezeigte Filmchen,  wie Schlittenhunde durch angeblich geschmolzenes Eis am Nordpol bei THULE wetzten,  ist gefakt.  Der Fotograf OLSEN, ein Mitarbeiter des Meterologischen Dienstes, hat jetzt zugegeben, die Bilder seien “...mehr von symbolische statt wissenschaftlichen Wert !”  Richtig ist,  dass es sich um Schmelzwasser aus Schnee über dem Eis handelt,  dass durch fehlende Öffnungen im darunter liegenden, 1,2 m dicken Eis nicht ablaufen kann.  “Das passiere öfter in dieser Jahreszeit “,  so ein einheimischer Jäger namens Mathiasson.  Das Eis sei dicker als im Vorjahr.  Abschließend die Frage, welche Erinnerung lösen solche Bilder bei den Zuschauern aus ? Muss sich GRÜN im Bundestag von Fehlern distanzieren ?

M. Haumann / 28.06.2019

Das ist doch 1:1 Scientology in ganz gross. Die waschen den Leuten so effektiv die Hirne, bis sie keinen freien Gedanken mehr wagen,  freudig ihre ganze Kohle abgeben und sich gebauchpinselt fühlen, für die Organisation umsonst arbeiten zu dürfen. Im zweiten Teil geht es dann vermutlich um die “unterdrückerischen Personen”, mit denen wegen ihrer zersetzenden Verstandestätigkeit kein Kontakt mehr gestattet ist?

Klaus Demota / 28.06.2019

Anzumerken ist noch, dass diese Partei die erste ohne alliierte Aufsicht gegründete ist - rein deutsch, sozusagen.  Und, dass alle angedachten Verbotsorgien ein vollkommen abgeschottetes Land voraussetzen, wenigstens einseitig geschlossene Grenzen also.

Matthias Braun / 28.06.2019

” Wenn nur die Lüge uns retten kann, so ist es aus, so sind wir verloren.” ( Jean-Jacques Rousseau )

Sebastian Weyrauch / 28.06.2019

Sehr schön analysiert und die treffende Charakterisierung von Antonia Hofreiter hat mich zum schmunzeln gebracht, auch wenn sie sicherlich nicht sonderlich politisch korrekt ist. Wenn es nur nicht so deprimierend wäre in einem Land leben zu müssen, in denen die größte Bevölkerungsgruppe von weltfremden, den allgemeinen Niedergang befördernden Volldeppen gestellt wird, die bei jedem noch so absurden Plan frenetisch “Jaaaa!!!” brüllen. Woran erinnert mich letzteres nur…

Chris Groll / 28.06.2019

@Marc Stark, stimme Ihrem Kommentar voll zu

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