Bei den Grünen im Saarland knirscht es gewaltig im sexuellen Gebälk. Gemäß Satzung muss bei den Grünen nämlich stets eine Frau auf Platz 1 und auf den nachfolgenden Listenplätzen ebenfalls stets eine Frau auf den ungeraden Plätzen stehen. Eine kleine Ausnahme gibt es allerdings: wenn die Womanforce Number One beim Abstimmen durchfällt. Dann darf Platz 1 auch für eine Frau mit Penis – vulgo „Mann“ – freigegeben werden. Genau das ist beim Grünen-Landesparteitag passiert: Die satzungsgemäß vorgesehene Landesvorsitzende Tina Schöpfer ist gleich dreimal durchgefallen, sodass der nicht unbedingt sehr geliebte Hubert Ulrich sich überraschend Platz 1 der Landesliste sichern konnte und damit ziemlich sicher auch ab September in den Genuss von Bundestagsabgeordnetenpensionen und Dienstwagen kommen wird.
Hubert Ulrich ist bei den Grünen kein Unbekannter. Sein Ortsverband Saarlouis umfasst knapp 700 Mitglieder, wodurch er knapp ein Drittel aller Delegierten beim Landesparteitag stellen konnte. Ulrich schmiedete 2009 die erste Jamaika-Koalition, wobei die Spende der Firma eines FDP-Abgeordneten von, laut neuesten Angaben, 47.500 Euro an die Grünen definitiv nicht hinderlich war. Jetzt hat es also Tina Schöpfer erwischt. Und zwar derart erwischt, dass auf Listenplatz 2 Irina Gaydukova kandidiert, von der später noch die Rede sein wird.
Bei den Bundesgrünen sorgt das prompt für Ärger, zumal sich Ulrich bisher nicht als Transfluider outen wollte, der sich im Moment der Wahl für sein weibliches Geschlecht entschieden hatte und für eine Stunde Hubertine oder Huberta war. „Wir haben uns das anders gewünscht“, kommentiert die in politischen und sachlichen Fragen auf Wunschdenken spezialisierte Völkerlinkslerin und Kanzlerinnenkandidatinin Annalena Baerbock. Und will sich „im intensiven Austausch mit dem Landesverband“ die Frau mit Penis sozusagen noch einmal zur Brust nehmen.
Neuer Frauenstern am grünen Firmament
Besonders ärgerlich: Nach dem Durchrutschen von Tina Schöpfer hätte eigentlich eine andere Frau ohne männliche Konkurrenz auf Platz 1 kandidieren müssen – aber eine clevere Versammlungsleitung hat dies wohl „vergessen“. Und so gewann Hubert(a) Ullrich (oder, für 60 Minuten: „Ulrike“) gegen die aus Verlegenheit im entscheidenden Wahlgang spontan antretende Vorsitzende der Grünen Jugend, Jeanne Dillschneider:In, die mit Jahrgang 1995 auch schon auf die dreißig zugeht. Jetzt ist er nun einmal da und es fehlt die entscheidende Hand einer Kanzlerin oder -Kandidatin, die „die Wahl rückgängig macht“. Selbst die Mahnungen des als Beobachter:In der Bundespartei anwesenden Michael Kellner:In wurden nonchalant von der Versammlungsleitung (kein „:In“) ignoriert. In der Konsequenz kann dies bedeuten, dass die komplette Listenaufstellung schlicht ungültig, da nicht satzungsgemäß durchgeführt ist. Für die Vertrauensleute, die eine ordnungsgemäße Aufstellung „an Eides statt“ gegenüber dem Landeswahlleiter versichern müssen, könnte dies noch recht… „interessant“ werden…
Aber es gibt im Schlechten auch Gutes: Durch das nassforsche und feuchtfröhliche Hinwegsetzen über Parteistatuten gibt es einen neuen Frauenstern am grünen Firmament. Iryna Gaydukova ist auf Platz 2 der Landesliste gerutscht. Gemäß der inoffiziellen grünen Satzung, nach der auf jeden cleveren Mann ein Mensch mit Menstruationsabgrund, völlig unabhängig von seiner Qualifikation und seinem Intelligenzquotienten, folgen muss, hat sich hier ein neuer Typ Grünenpolitikerin etabliert, gegen den sich Annalena Baerbock wie eine waschechte Akademikerin mit richtigem Masterinnenabschluss ausnimmt.
Erst 2018 den Grünen beigetreten, will sich die künftige Bundestagsabgeordnete deswegen engagieren, weil sie sich durch „den erstaunlichen und anhaltenden Erfolg von Extremisten erschreckt“ hat. Gemäß dem Motto „If you can´t beat them, join them“ hat sich die sympathische Ex-Ukrainerin daher ausgerechnet die Grünen als nicht allzu hohes Sprungbrett zu Diäten und Dienstwagen ausgesucht. In der mutmaßlich nicht unberechtigten Hoffnung, dass alleine das „Gay“ im Nachnamen für eine Spitzenpositionierung bei den Unbedarfteren unter den Regenbogenreiter:Innen genügen dürfte.
„Ich stehe positiv“
Frau Gaydukova weiß natürlich, laut Eigentext auf ihrer Kandidat-Innenseite, „dass man nur Entscheidungen treffen kann, wenn man zuvor die Sachlage genau analysiert hat“. Wie diese „genaue Analyse“ aussieht, zeigt die spitze Kandidatin dann in ihrer Befragung und legt quasi im Vorbeireden eine neue Messlatte im reichhaltigen politischen Diskurs. Auf die Frage: „Wie stehst Du zur Fahrradpolitik? Fahrrad!“ antwortet sie glashart und ehrlich: „Ja, ich stehe positiv. Sehr positiv. Ich mein: Was erwartet man von mir zu diese Frage? Ja klar, klar! Kann man von eine Grüne erwarten eine andere Antwort?“ Nein, kann man nicht. Vor diesem Ausbruch an brillanter Schlagfertigkeit und sprühendem Intellekt verneige wenigstens ich mich. Wenn´s schon kein anderer tut.
Wie Iryna Gaydukova „soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz sinnvoll verbinden“ will, hat sie auch gesagt: „Hab ich Zeit zum Überlegen?“ Nein. Hat sie nicht. Sie scheint dann entweder auf den Publikumsjoker zu warten, obwohl sie einen Zettel lesen könnte, oder sie ist noch mit Analysieren beschäftigt, als sie die nächste Frage wie ein Blitz aus erheiterndem Himmel trifft: „Was halten SIE von dem CO2-Zertifikatshandel? Zertifikatehandel!“ Ihre Antwort kommt wie aus der Pistole mit Ladehemmung geschossen: „………………“ Das denke ich allerdings auch!
Nein, ich habe mir das nicht ausgedacht. Grünenbundespolitiker:Innen, zieht euch warm an – ein neues Talent ist euch auf den Achillesfersen! Wenn und sofern es der Kanzlerkandidatin der Herzen nicht gelingt, „die Rahl wückrängig zu machen“!
(Weitere knallharte Fragen des Autors unter www.politticker.de)
Postscriptum: Annalena Baerbock muss doch nicht tätig werden: Nach Informationen des Saarländischen Rundfunks ist Iryna Gaydukova aus der Partei ausgetreten. Sic transit gloria mundi...
Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.