Lisa Marie Kaus, Gastautorin / 19.12.2018 / 06:11 / Foto: Pixabay / 65 / Seite ausdrucken

Grün bis die rosa Pflaster ausgehen

Ich bin endgültig in meinem persönlichen Biedermeier angekommen. Die Landtagswahlen und ihre Ergebnisse sorgten nicht mal für ein Achselzucken meinerseits. Weder das Schmierentheater um den CDU-Vorsitz, noch der irrationale Wahnsinn um Diesel und Feinstaub hat auch nur zehn Minuten meiner Aufmerksamkeit in den letzten Wochen erweckt. Da ich große Sympathien für Kants kategorischen Imperativ hege, habe ich mich noch nicht dazu durchringen können, nicht mehr wählen zu gehen, aber die erwarteten Kosten meiner Stimmabgabe (ich verletze mich auf dem Weg zum Wahllokal oder ramme mir den Kuli beim Briefwählen ins Auge) sind wesentlich höher als der erwartete Nutzen. Gleichzeitig scheint es vielen ganz anders zu gehen – vor allem meiner Generation der „Millenials“, der zwischen den 80er bis frühen 00er Jahren Geborenen.

Ich meine es zuerst in einem Interview mit dem Politikwissenschaftler Werner Patzelt vernommen zu haben. Die großen Parteien der Zukunft sind die Grünen und die AfD, da sie im aktuellen Diskurs als Antagonismen fungieren. Ein Zeichen gegen Rechts, für die Umwelt und für ein gutes Gefühl ohne kognitive Dissonanzen – nur ein Kreuz bei Grün entfernt. Ein Zeichen gegen alles, wofür Grün steht – ein Kreuzchen bei der AfD (die Ideologen auf beiden Seiten mal ausgenommen). Ganz vorne grün: meine Generation. Die Bundeszentrale für politische Bildung verweist darauf, dass bei der Bundestagswahl 2017 die Grünen den größten Zuspruch bei der Altersgruppe der 18-24-jährigen verzeichnen konnte. Die AfD wählten die wenigsten in dieser Kohorte. 

Generell: Je jünger der Wähler, desto wahrscheinlicher macht er sein Kreuz bei Grün. Das hat nicht nur mit dem alten Spruch „wer mit 18 kein Kommunist ist, hat kein Herz“ zu tun, sondern auch viel mit Konformismus, dem Wunsch dazuzugehören und der Angst vor dem Alleinsein mit der eigenen Meinung. Die veröffentlichte Meinung ist Grün. Ich frage mich schon lange, wieso Rebellion und Provokation aktuell meist von alten weißen Männern in Tweedjackets und nicht von „jungen Gammlern“ ausgeht. Meine Generation hat nichts erreicht und verfügt dennoch über die Arroganz und den Habitus eines Freiheitskämpfers. Dabei ist die Teilnahme an einem Rave gegen rechts so harmlos wie das Tanzen des Lipsi Schritts. Mit uns wäre die Mauer nie gefallen. 

Alles ist beliebig und bloß nichts mit Mathe!

Nach dem Marsch durch die Institutionen haben die Anhänger der APO die Kinder hervorgebracht, die sie vermeintlich nie haben wollten. Der heutige angepasste Uniabsolvent ist weit entfernt von dem antiautoritären Ideal des Kindes aus der Rappelkiste. Einen allgemeinen Generationenkonflikt gibt es zwischen den heutigen jungen Erwachsenen und ihren Eltern nicht. Mama und Papa sind schon ok. Da herrscht kein Druck zur Selbstständigkeit. Die Kinder der APO kennen keine gesellschaftlichen Normen und Werte mehr, an denen sie sich abarbeiten könnten. Alles ist beliebig. Und in dieser relativistischen Welt suchen sie nach einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Wenn man am Einlass eines Berliner Technoclubs einen Solidaritätszuschlag für die Antifa bezahlt, gehört man dazu. Wählt man Grün, gehört man dazu. Schaut man abends Tatort, gehört man dazu. Aufgehen in der Masse statt Freiheit. Das Motto meiner Generation.

Die Generation der Jahrtausendwende macht sich über Mikroplastik in menschlichen Exkrementen mehr Sorgen als um ihre Rente. Sie beschwert sich über zu viel Stoff im Studium, statt die Produktivitätsentwicklung in aufstrebenden Volkswirtschaften im Auge zu behalten. Sie studieren Orchideenfächer und Kommunikation – bloß nichts mit Mathe – während sich amerikanische Elite-Unis vor asiatischen Bewerbern nicht mehr retten können.

Sie teilen Spiegel-Online Artikel über gerade medial aufgebauschte Pseudo-Probleme auf Facebook, statt sich mit einer Sache intensiv auseinanderzusetzen. Sie sind für hohe Steuern, reich sind immer nur die anderen. Sie sind für die GEZ-Gebühren, gegen den Brexit und Trump und verehren Emmanuel Macron. Und das alles, während ein herablassendes Lächeln ihre Mundwinkel umspielt. In der Mode wird ein Bonbon-Rosa Pinkton seit ein paar Jahren als Millenial Pink bezeichnet – weil er so harmlos ist. Joko, Klaas und Jan Böhmermann sind genau die „Satiriker“, die meine Generation verdient hat. 

Ein Pflaster auf jedes Wehwehchen

Doch dieser ganze Traum in Rosa hält nur solange, wie der Wohlfahrtsstaat – oder die Eltern – noch ein Pflaster auf jedes Wehwehchen kleben können (so drückte es der Ökonom Wilhelm Röpke passend aus). Die bereits existierenden, aber sich noch nicht realisierten Verluste durch Eurorettung und die katastrophalen innenpolitischen Entscheidungen der letzten zehn Jahre könnten in der nächsten Rezession nicht mehr zu übertünchen sein. Es ist überhaupt ein wirtschaftswissenschaftlich nur schwer zu erklärendes Phänomen, dass sich das Karussell mittlerweile schon so lange immer noch dreht.

Ein Element ist sicherlich der Glaube. Der Glaube des Finanzmarktes an Deutschland, der Glaube der Bevölkerung an die Regierenden, der Glaube der Vielen an das Gewaltmonopol des Staates, der Glaube, dass der Staat mit den 54,3 Cent meines eingenommenen Euros, das ich an ihn abführen muss, besser umgehen kann als ich selbst. Die Kinder der Babyboomer glauben besonders stark – in rosa Watte gepackt durch entweder gut situierte Eltern oder durch den Staat, der mit Bafög und anderen Transfers die Post-Adoleszenz unbegrenzt verlängert. 

In den nächsten Jahren werden viele Millenials ihre Eltern im Alter von Armut bedroht sehen. Mehr als die Hälfte des Einkommens an den Staat abzuführen, bei Nullzinsen und steigender Inflation Geld für die Rente beiseite legen, die eigenen Eltern unterstützen und Kinder großziehen – das ist verdammt viel. Da kann man schon mal vom Glauben abfallen. Vor allem, wenn der Staat auf einmal keine Pflaster mehr bereithält, sondern fordert, ohne Gegenleistung. Das Erwachen wird nicht schön. Für niemanden von uns. Denn ich möchte mir nicht ausmalen welchem autoritären antiliberalen Demagogen meine Generation hinterherläuft, wenn er ihr nur ein rosa Pflaster für ihre Wehwehchen verspricht.                                     

Foto: Pixabay

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Martin Schott / 19.12.2018

“Ein Element ist sicherlich der Glaube.” - Es ist auch die unglaubliche Duldsamkeit der Deutschen. Würden Merkel und ihre Entourage in Paris oder Rom regieren, wäre Generalstreik, wäre Volksaufstand vorprogrammiert.

Martin Landvoigt / 19.12.2018

‘... für die Umwelt und für ein gutes Gefühl ohne kognitive Dissonanzen – nur ein Kreuz bei Grün entfernt.’ ...  Wirklich?  Man muss schon gehörig ignorant gegen die massiven Argumente sein, die die Umweltzerstörung durch grüne Politik nicht sehen wollen. Und das passt dann auch nicht zum Selbstbild zum weltoffenen rational denkenden Menschen. Der Artikel ist ansonsten exzellent, denn er bringt die Hoffnungslosigkeit gut auf den Punkt.

Uta Buhr / 19.12.2018

Ein grandioser Artikel, zu dem ich Ihnen, liebe junge Autorin, herzlich gratulieren möchte. Das Erwachen der Schneeflöckchen wird grausam sein, wenn ein rauerer Wind durch die Republik weht und manchen infantilen Blütentraum zunichte macht. Dann helfen auch keine rosaroten Pflästerchen mehr, Da sind Zeitgenossen mit Kriegserfahrungen wesentlich besser gerüstet. Meine Generation ist durch eine harte Schule gegangen, hat nach Kriegsende gehungert und gefroren, aber auch einiges Positives erlebt. Damals, als keiner etwas hatte, haben die Menschen zusammen gehalten und das wenige geteilt, was sie hatten. Und da es noch kein Fernsehen gab, wurde viel gelesen, so dass nur wenige Schüler unter Schreib- oder Leseschwäche litten. Viele Eltern haben seinerzeit leider den Fehler begangen, ihren Nachwuchs vor jeglicher Unbill bewahren zu wollen. Das Mantra “Mein Kind soll es einmal besser haben als ich”, führte dazu, den Nachwuchs maßlos zu verwöhnen und ihm jedes Hindernis aus dem Weg zu räumen. Eine noch schlechtere Vorbereitung auf das wahre Leben ist kaum denkbar. Ob es den Jungen gelingen wird, sich an die neuen Verhältnisse anzupassen, wenn nicht mehr alles so läuft wie gewohnt, wird sich zeigen, Schon die Römer wussten: Tempora mutantur et nos mutamur in illis,

Rudi Knoth / 19.12.2018

Nach diesem Artikel scheint es wohl kaum Physikstudenten zu geben. Denn dieses Fach hat mit Mathe schon was zu tun. Noch ein Wort zu den 68ern. Diese Bezeichnung bezieht sich vor allem auf die damaligen Studenten (Studierende?). Anders als heute hatte aber nur ein kleiner Teil der damals 20-jährigen Abitur und durfte daher studieren.

Thomas Taterka / 19.12.2018

Bereits heute können sie fast keinen freien Schritt mehr machen, ohne an eine dogmatische Grenzmauer zu stoßen, mit empfindlichen Folgen für ihr privates, persönliches Glück. Spätestens 2035 wird der häufigste Satz in diesem Land sein : “Ich kann nichts dafür! ” Alle, die Berge von Schuld auftürmen, werden ihre Mittäterschaft verleugnen. Ich habe großes Mitgefühl mit allen, die jünger sind als ich und das erleiden müssen , was auf sie zukommt,  mit hellem Bewußtsein. Die anderen sollten das bekommen,  was sie verdienen. Den Tapferen kann man gar nicht genug Mut zusprechen! Sie werden ihn brauchen.

jack lopez / 19.12.2018

Sehr schön geschrieben - und beschrieben. Trifft in etwa meine Erfahrung mit dieser Generation…. Nur eine Anmerkung: Das sind nicht die Kinder der APO-Eltern, sondern bereits deren Enkel. Die Kinder der APO-Generation waren in den 70er und 80er Jahren jung. Sie wuchsen genau hinein in die “geistig moralische Wende” Helmut Kohls.  Etwa Mitte der 80er Jahre wurden Bundeswehrparka und Gammeljeans durch Karottenhose und Kaschmirpulli ersetzt.  1988 gab es erstaunte Berichte in den Zeitschriften über die “angepasste Generation der 68er” (=1968 geborenen). Diese aber sind die Eltern der heutigen Millennials - dann wird vielleicht auch manches klarer.

HaJo Wolf / 19.12.2018

“Die Bundeszentrale für politische Bildung verweist darauf, dass bei der Bundestagswahl 2017 die Grünen den größten Zuspruch bei der Altersgruppe der 18-24-jährigen verzeichnen konnte.” Eine Diskussion mit jungen Menschen zwischen 20 und 30 hat mir neulich bestätigt, warum hier vorwiegend grün gewählt wird. Die linksgrünen Thesen werden willig aufgesogen und nickend beklatscht. Die linksgrünen Lügen wie menschgemachte Klimakatastrophe, aussterbende Bienen/Insekten u.ä., Waldsterben und Ozonloch (ach nee, die sind ja schon wieder vorbei) - all das wird weder hinterfragt noch die teils abenteuerlichen teils völlig hirnrissigen grünen Alternativen geprüft. Dieselfahrverbot? Klar! Am besten gleich den Individualverkehr ganz verbieten (aber selbst einen uralten Diesel kutschieren, der schon beim Anlassen mehr Dreck in die Luft pustet als ich mit meinen 6-Zylinder Benziner im ganzen Jahr).. Alternative Energie? Klar, am besten alle Kohle- , Atom- und sonstige Kraftwerke abschalten, nur noch “erneuerbare” Energie zulassen. Prima, noch mehr Vogelschredderanlagen und Solarpanele… Fleisch ist gefährlich? Super, alle werden Veganer, reduzieren wir CO2, was zu vermindertem Pflanzenwachstum führt und schlagen uns mit den Kühen, die eh zuviel Methan furzen, um die spärlichen Grashälmchen. IDiese Generation baut eine Zukunft, in der ich nicht leben möchte, was die Gnade meiner frühen Geburt mutmaßlich verhindert. Ich durfte die imm er schneller Wohlstand bringenden 1960er als Kind erleben, als Jugendliche die tollen 1970er und als junger Erwachsener die immer noch tollen 1980er - ich hatte das Beste - für die nächsten 50 Jahre seid ihr verantwortlich, die ihr linksgrünes Ge+++del wählt.  Eines Tages werdet ihrsagen: “verdammt, die Alten hatten doch recht”. Dumm, dass ihr dann abends schonmal bei Kerzenlicht und ohne Heizung sitzt und beim Halal-Metzger kein Fleisch mehr bekommt, weil ihr nicht beim Freitagsgebet wart und Eure Frauen unverschleiert sind. Gönn ich Euch.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com