Britische Betrüger haben mehrere Milliarden Pfund erschlichen und das Geld zum Teil an islamistische Terroristen gespendet. Das berichtet „The Times“ mit Bezug auf eine zweijährige Recherche ihrer Mitarbeiter. Nach Angaben der britischen Tageszeitung hat ein Netzwerk britischer Bürger mit asiatischem Migrationshintergrund über einen Zeitraum von 20 Jahren eine Reihe großangelegter Betrügereien begangen. Dem britischen Staat seien dadurch Steuereinnahmen in Höhe von rund 8 Milliarden britischen Pfund (ca. 9,3 Milliarden Euro) entgangen – eine Summe, die in etwa dem Bruttoinlandsprodukt von Kirgistan, oder dem dreifachen Geheimdienstbudget Großbritanniens, entspricht.
Konkret haben die kriminellen Banden Hypothekenbetrug im großen Maßstab begangen. Eine weitere Masche sei ein sogenannter „Karussell-Betrug“ gewesen, bei dem Unternehmen einander Waren verkaufen und dabei unerlaubt Mehrwertsteuerabgaben vom Staat zurückfordern oder Mehrwertsteuerzahlungen umgehen. Außerdem habe die Gruppe ein Netzwerk von Fabriken aufgebaut, deren Mitarbeiter für Identitätsbetrug, Sozialbetrug, Versicherungsbetrug, Kreditkartenbetrug und den Vertrieb gefälschter Waren missbraucht worden seien. Einige Mitglieder des Netzwerks sollen für staatliche Behörden oder für die Post gearbeitet haben, was das Fälschen von Dokumenten erleichtert habe.
Besonders brisant sind die Verbindungen der Gruppe zu radikalen Dschihadisten. Nach Angaben der „Times“ rekrutierte der fundamentalistische Prediger Abu Hamza al-Masri in den späten 1990er-Jahren junge Muslime für das kriminelle Netzwerk, bevor er zu einem der führenden Propagandisten der Terrorgruppe al-Qaida wurde. Im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet gefundene Laptops hätten zudem gezeigt, dass die britischen Betrüger etwa ein Prozent ihrer Einkünfte (ca. 80 Millionen britische Pfund) an al-Qaida überwiesen. Die Terrorgruppe habe das Geld für radikale Koranschulen und Terror-Trainingslager genutzt. Ein Teil sei auch direkt beim al-Qaida Anführer Osama bin Laden gelandet.
Verbindungen zur Labour-Partei
Laut der „Times“ zeigen Unterlagen der britischen Steuerbehörde HMRC, dass auch Shehzad Tanweer Verbindungen zu dem Betrügernetzwerk hatte. Tanweer gehörte zu den Terroristen, die sich am 7. Juli 2005 im Londoner Nahverkehr in die Luft sprengten. Vielleicht noch seltsamer als die Verbindungen der kriminellen Bande zum radikalen Islam sind jedoch ihre Verbindungen zur Labour-Partei. Nach Angaben der „Times“ spendeten die Kriminellen der sozialdemokratischen Partei, die von 1997 bis 2010 in Großbritannien an der Macht war, tausende Pfund. Ein Mitglied der Gruppe habe gar einen guten Draht zum ehemaligen Premierminister Tony Blair gehabt. Außerdem hätten Mitglieder des Netzwerks Kontakte zu britischen Denkfabriken und Wirtschaftsforen gehabt.
Laut britischen Medienberichten wurden die Behörden bereits Mitte der 1990er-Jahre auf die kriminelle Bande aufmerksam. Gegen einige Personen, darunter Bekannte des späteren Selbstmordattentäters Shehzad Tanweer, wurden Ermittlungsverfahren eingeleitet. In der mittleren Ebene der Organisation gab es einige Verurteilungen. Im Großen und Ganzen konnten die Betrüger jedoch jahrelang nahezu unbehelligt ihren Machenschaften nachgehen.
Nach Angaben der „Times“ flehten Ermittler der Steuerbehörde HMRC ihre Vorgesetzten an, die Kriminellen strafrechtlich zu verfolgen, ihr Anliegen sei jedoch ignoriert worden. Um den gesamten Fall sei ein Schleier der Geheimhaltung gespannt worden. Mitarbeiter der HMRC wurden laut der „Times“ daran gehindert, vertrauliche Steuerunterlagen an den Inlandsgeheimdienst MI5 weiterzuleiten.
Über die Ermittlungen und die Identitäten der bisher verurteilten Täter kann bis heute nicht vollständig berichtet werden, da die britische Staatanwaltschaft eine Beeinflussung zukünftiger Gerichtsverfahren gegen die Anführer des Netzwerks befürchtet, die sich ins Ausland abgesetzt haben. Wie die Tageszeitung „Daily Mail“ berichtet, will die Vorsitzende des parlamentarischen Rechnungsprüfungsausschusses Meg Hillier nun mittels einer parlamentarischen Untersuchung Licht ins Dunkel bringen und dazu auch den Nationalen Sicherheitsberater Mark Sedwill befragen.