Dirk Maxeiner / 05.07.2016 / 10:26 / Foto: Tim Maxeiner / 8 / Seite ausdrucken

Großbritannien senkt Steuern: Dürfen die das?

George Osborne, der britische Schatzkanzler, will den Steuersatz auf Unternehmensgewinne auf 15 Prozent senken. Damit nähern sich die Briten Verhältnissen, die bislang angeblichen „Steueroasen“ vorbehalten waren. Aber es ist durchaus noch Luft nach unten: Irland liegt bei 12,5 Prozent, die Schweiz bei 8,5 Prozent. Den fiskalischen Saftpressen in der EU drohen dadurch künftig Früchte abhanden zu kommen. Schon ist die Rede von einem „aggressiven Steuerdumping“, das die Austrittsverhandlungen der Briten nicht eben erleichtern werde. Ein Sprecher des Bundes-Finanzministeriums verlautbarte prophylaktisch, es müsse auf dem Steuersektor „fair“ zugehen. Aber was heißt fair? Und wer bestimmt, was fair ist?

Zunächst einmal: Ja, das Vorgehen der Briten ist sicherlich der Befürchtung geschuldet, aufgrund des Brexits könnten Unternehmen abwandern.  Und was macht man in einer solchen Situation? Richtig: Man muss mehr bieten, als die Konkurrenz - und das heißt in diesem Fall weniger Steuern. Das ganze nennt sich Marktwirtschaft.  Und der Steuerwettbewerb gehört dazu. Er sorgt dafür, dass sich keine trägen Abzocker-Kartelle bilden können. Schon lange wollte die EU innerhalb ihrer Mitglieder einheitlich (hohe) Unternehmenssteuern festsetzen, allen voran das Hochsteuerland Frankreich, dass aufgrund seiner Reformunfähigkeit wirtschaftlich darnieder liegt.

Und nun zeigen die Briten, dass man auf eine Krise auch anders reagieren kann. Nämlich genau umgekehrt. Brexit hin, Brexit her, man darf dankbar dafür sein, dass hier wieder zwei völlig unterschiedliche wirtschaftliche Konzeptionen sichtbar werden. Mit genügend Abstand betrachtet, ist es übrigens auch ein Wettbewerb der Ideen. Wenn sich die deutschen Briten-Fresser in ihrem Gekränkter-Liebhaber-Furor wieder beruhigt haben, kann es Deutschland eigentlich nur recht sein, dass hier ein anderes großes europäisches Land den Wettbewerbs-Gedanken befördert.

Stattdessen machen deutsche Kommentatoren einen auf Wutbürger 4.0 und regen sich über die „charakterlosen Pyromanen“ unter den Brexit-Befürworten auf. Ach, kriegt euch doch allmählich ein und hört auf zu hyperventilieren. Man soll sich nicht über verschüttete Milch aufregen. Wenn es so furchtbar kommt, wie Ihr behauptet, dann kriegen die Briten ja ihre gerechte Strafe. Und wenn es nicht so schlimm kommt, ist es für uns alle besser. Oder fürchtet Ihr gerade das besonders?

Auch der Abgang der gesamten Führungselite sämtlicher etablierten Parteien in Großbritannien ist doch eigentlich ein Zeichen für eine überaus lebendige Demokratie – was gibt’s denn da zu meckern und nachzutreten? Die britischen Parteien versuchen sich zumindest zu erneuern. Ein bisschen von dieser Stimmung könnte in Deutschland gewiss nicht schaden. Oder sind die Führungsfiguren hierzulande dermassen prickelnd, dass man sich nur über die Briten aufregen kann? Wie heißt es ebenso schön wie banal: Ein jeder kehr vor seiner Tür.

Foto: Tim Maxeiner

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Test 45: 41534

Roland Schmiermund / 05.07.2016

Die Körperschaftssteuer in Deutschland beträgt übrigens auch 15%.

Kowalski / 05.07.2016

Der Kommentar spricht einem aus dem Herzen. Ich glaube an die Briten, die werden das schaffen.

Wolfgang Richter / 05.07.2016

Warum sollen die Briten -gerade nach dem "Brexit". nicht dürfen, was z. B. die Iren schon lange praktizieren, um sich als Konzernstandortanzubieten, oder was in deutschen Landen z. B. das ehemals hoffnungslos verschuldete Städtchen Monheim / NRW praktiziert, wo der Bürgermeister mittels erheblich abgesenkter Gewerbesteuern anderen Kommunen zahlende Unternehmen abgeworben hat. Und er nun mit seiner Stadtkasse so solvent da steht, daß er es sich leisten kann, zum Bau von 2 Moscheen 2 städtische Grundstücke im Werte von ca. 850 000 , - Euronen (den Bürgern eigentlich zustehender steuergeldlicher Wert) an die islamischen Gemeinden zu VERSCHENKEN. Im übrigen täten die EU-Empörten gut daran, mal nach Luxemburg zu schauen, wo dank der von Herrn Juncker zu seiner Zeit als Ministerpräsident eingeführten Steuersparkonstrukte für nach dort siedelnde Briefkastenfirmen noch lange nicht der abgeschlossenen Vergangenheit angehören.

Axel Biermann / 05.07.2016

Steuerdumping innerhalb der EU hat bisher auch niemanden gestört. Es war und ist politisch geduldete Praxis. Irland und die Niederlande praktizieren das schon seit langem und eine der weltgrößten Steueroasen ist das EU-Mitglied Luxemburg, das seit jeher bei der Verschleierung von Vermögensverhältnissen und der Beihilfe zur Steuerhinterziehung eine herausragende Rolle spielt. Bezahlen müssen das hier wie in Großbritannien immer die „kleinen Leute“, deren Sozialleistungen gekürzt und gestrichen und deren Steuerlast erhöht wird (z. B. über höhere Mehrwertsteuern). Nur weiter so, und die EU wird an ihren Widersprüchen zwischen Freihandel und niedrigstmöglichen Unternehmensteuersätzen auf der einen Seite und weiter sinkendem Lebensstandard breiter Bevölkerungsschichten auseinanderbrechen.

Gerhard Sponsel Lemvig / 05.07.2016

Und die Berliner FDP pretscht mit einem Reklametafel-Lieferwagen durch London, auf dem zu lesen ist, das Start-Ups Unternehmen ruhig bleiben sollen und nach Berlin übersiedeln sollen. Ist das nicht herrlich. Die Berliner FDP hat scheinbar noch nicht mitbekommen das jenseits der Berliner Flughafenruine die Welt funktioniert.HilsenGerhard Sponsel

Ralf Arnemann / 05.07.2016

Ja, Großbritannien darf seine Steuern senken. Obwohl es EU-Mitglied ist (und wohl auch bleiben wird).Das zeigt, daß innerhalb der EU viel mehr Vielfalt und Wettbewerb möglich ist, als die EU-Gegner uns weimachen wollen.

JF Lupus / 05.07.2016

Natürlich fürchten die Wutbürger 4.0 nichts mehr, als dass der Breit für beide Seiten mehr positive als negative Auswirkungen hat, und besonders, dass die Briten viel mehr gewinnen als verlieren. Denn das würde eine Welle von Exitbestrebungen anstoßen, so mancher EU-Staat sitzt da schon in den Startlöchern. Und damit wären dann die Eurokraten irgendwann nur noch machtlose Hampelmänner. Allerdings fett entlohnte Hampelmänner, und das macht den Normalbürger wütend.

Weitere anzeigen

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Dirk Maxeiner / 20.04.2025 / 06:00 / 52

Der Sonntagsfahrer: Ostern ohne Eier

„Sie werden zu Ostern genug Eier haben“, schrieb kürzlich das ZDF. Das trifft nicht zu, denn seit mindestens zehn Jahren haben wir eine Eierkrise, die…/ mehr

Dirk Maxeiner / 13.04.2025 / 06:05 / 76

Der Sonntagsfahrer: Bademäntel gegen Wasserwerfer!

In Portugal gab es die Nelken-Revolution, in Frankreich den Gelbwesten-Aufstand, in Hongkong die Regenschirm-Proteste. Und Deutschland ist jetzt reif für die Bademantel-Bewegung. In der zwischenmenschlichen…/ mehr

Dirk Maxeiner / 06.04.2025 / 06:00 / 57

Der Sonntagsfahrer: Sind wir nicht alle Sentinelesen?

Reisen bildet, egal ob mit dem Flugzeug, dem Auto oder dem Gummiboot, weshalb ich Sie heute auf einen kleinen Ausflug durch die Lande mitnehmen will,…/ mehr

Dirk Maxeiner / 30.03.2025 / 06:00 / 55

Der Sonntagsfahrer: Autofahren nur noch im Homeoffice

Der Autofahrer ist Kummer gewöhnt. Die bisher bekannten Koalitionspapiere von CDU/CSU und SPD zeigen: Daran wird sich auch künftig nix ändern. Das nennt man Planungssicherheit! „Wenn man nicht…/ mehr

Dirk Maxeiner / 23.03.2025 / 06:05 / 67

Der Sonntagsfahrer: Berlin braucht wieder eine Luftbrücke

Die West-Verbindung der Bundeshauptstadt ist wegen einer maroden Brücke weitgehend gekappt. Rettung könnte ein Flugtaxi namens "Fieseler Storch" aus dem Museum bringen – und weniger vollverblödetes Spitzenpersonal. Letzte…/ mehr

Dirk Maxeiner / 16.03.2025 / 06:05 / 103

Der Sonntagsfahrer: Die Berliner Krokodil-Armee

Die kommende Regierung strebt nach Höherem und nähert sich historischen Bestleistern an, etwa Big Spendern wie Bokassa, Caligula, Idi Amin, Qin Shi Huang, Shaka Zulu, Stalin oder Turkmenbaschi. Deutschland lernt nur von den Besten!…/ mehr

Dirk Maxeiner / 09.03.2025 / 06:15 / 81

Der Sonntagsfahrer: EU-Kombinat Autoindustrie

Eine Pressemitteilung der EU-Kommission zum "Aktionsplan für Europas Autoindustrie" zeigt, mit welcher Übergriffigkeit und Ignoranz nicht demokratisch legitimierte Größenwahnsinnige das Auto torpedieren und den Menschen in Europa…/ mehr

Dirk Maxeiner / 02.03.2025 / 06:15 / 97

Der Sonntagsfahrer: Orden für unfallfreies Denken

Nur jeder zweite Führerscheinaspirant schafft noch die theoretische Prüfung. Psychologen sehen einen Trend zu "kognitiven Defiziten" und klare Hinweise auf zunehmende Verblödung – nicht nur…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com