Roger Letsch / 19.01.2022 / 12:00 / Foto: Opsylac / 61 / Seite ausdrucken

Großbritannien schafft GEZ ab

Ab 2027 ist endgültig Schluss mit der Gebührenfinanzierung der BBC. Bei ARD und ZDF kommt jedoch keine Unruhe auf. Schließlich gilt die BBC als viel zu regierungskritisch, was unseren Öffis nicht passieren könnte.

Ein seltsames Völkchen sind diese Briten! Besonders, wenn man sie aus deutscher Perspektive betrachtet. Nichts können sie auf die richtige, also die deutsche Art machen! Sie fahren einfach immer auf der falschen Seite! Wo Deutschland gar nicht tief genug im Uhrwerk Brüssel stecken kann, brauchen die Briten mehr als nur einen Ärmelkanal Abstand, und während wir es eilig haben, aus der Atomkraft auszusteigen, setzt Albion auf die teewasserwärmende Kraft des Atoms. Bei der typisch deutschen Sportart, alles besser zu wissen, scheint es nichts zu geben, was deutsche Überheblichkeit gegenüber diesen starrsinnigen Nordseeinsulanern bremsen könnte. Nur eines verband gewisse deutsche Kreise bolzenfest mit ihrem angelsächsischen Vorbild, einem prototypischen Ideal, aus dessen bloßer Existenz man gern die Berechtigung der eigenen ableitete: die gute, alte und gebührenfinanzierte Tante BBC. Ja, die ist klasse! Bis Boris Johnson und die Dschungel-Lady kamen.

Käfer essen und Kröten schlucken

Im Gegensatz zum deutschen öffentlich-rechtlichen Rundfunk, der seine Gebührenerhöhung auf nun stolze 220,32 Euro pro Jahr und Haushalt am Ende doch durchboxen konnte, biss die BBC mit ihren Nachschlagforderungen final auf Granit. Oder vielleicht auch auf Chitin, denn es war die neu ernannte und im Dschungel-Camp an Käfern und Spinnenbeinen erprobte Kulturministerin Nadine Dorries, mit der man es bei den Verhandlungen zu tun bekam. Schon deren Ernennung im September 2021 durch Boris Johnson brachte die sogenannte kreative Elite Großbritanniens auf die Palme, denn als große Freundin der BBC war die Ministerin nicht gerade bekannt.

Johnsons Idee zum Umbau der BBC sind schon etwas älter. Die Sunday Times berichtete schon 2020 von seinen Plänen, die Rundfunkgebühr abzuschaffen und durch ein – freilich freiwilliges – Abomodell zu ersetzen. Nicht nur den Tagesspiegel reizte dies damals reflexhaft zur ultimativen Injurie: dem Trump-Vergleich! Doch alles Lamentieren half nichts, das Beil hing in der Luft, und sobald man im „Number 10“ dank Omikron mal wieder eine Hand frei hatte, würde man es schwingen.

Bis 2024, so Nadine Dorries, friere man den BBC-Beitrag bei 159 Pfund pro Jahr ein, dann gibt es drei Jahre noch einen kleinen Nachschlag und 2027 ist endgültig Schluss mit der Gebührenfinanzierung. „BBC licence fee to be abolished in 2027 and funding frozen” dröhnt „The Guardian”, und auch die „Welt” meldet Vollzug. Es sieht allerdings gar nicht so übel aus für die BBC, die dank recht umfangreicher digitaler Angebote durchaus das Potenzial hat, neben Amazon und Netflix mit einem Abomodell zu bestehen; und wenn das Nachrichtenangebot so gut ist wie die Eigenwahrnehmung der BBC, dann kann da doch überhaupt nichts anbrennen, oder?

Aufatmen bei ARD und ZDF

Die gute alte BBC macht also notgedrungen „rüber“ in die Marktwirtschaft, und jeder freundliche Brite wird ihr wohl für diesen Weg alles Gute wünschen. Doch was machen nun ARD und ZDF ohne ihr großes Vorbild? Ohne den „Beweis“, dass durch Zwangsgebühren finanziertes Fernsehen prinzipiell nützlich, ja sogar notwendig sei? Und vor allem ohne den Beweis, dass man gute Programme nicht ohne Zwang, Geldverschwendung, doppelt und dreifach vorhandene Strukturen, aufgeblähte Verwaltungen, regelmäßige Gebührenerhöhungen und üppige Pensionen anbieten kann? 

Doch ein Aufatmen läuft wie eine sanfte Welle durch die Funkhäuser in München, Mainz, Köln, Bremen, Hamburg oder Berlin. Die BBC, so geht die Kunde, sei einfach viel zu regierungskritisch gewesen und ihre Zerschlagung nur die Rache eines bösen konservativen Rüpels ohne Frisur für seine durchlittenen Kränkungen. ARD und ZDF sind also gerettet! Ungeheuerlichkeiten wie Regierungskritik sind von dort zum Glück nicht zu erwarten! 

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Leserpost

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Andreas Huber / 19.01.2022

Nein. Entweder man schafft Rundfunkbeiträge ab, oder man spricht darüber. Wenn man darüber spricht, heisst das (zumindest in der Politik) verlässlich, dass man den Rundfunkbeitrag eben NICHT abschaffen wird. Habt ihr denn so gar nichts von Merkel gelernt?

U. Unger / 19.01.2022

Wo wollt Ihr von der Achse eigentlich demnächst das fällige Sendezentrum hinsetzen? Wär England nichts? broder bohnhorst centrum (bbc), allerdings gibt es bessere Standorte als London, z.B. bei Sellafield gesicherte Stromversorgung plus intakte Natur (Strände und Berge). Lovely, really. Sie merken es Herr Letsch, die frohe Kunde wirkt auf mich wie eine Droge! Vernunft kann so dröhnen.

Dr. Joachim Lucas / 19.01.2022

Dieser Regierung sitzt als Spinne wie in einen Spinnennetz und an jedem Faden klebt irgendeine NGO, die Jubelpresse, GEZ-TV und sonstige regierungsabhängige Eirichtungen, Stuhlkreise und Kommissionen, die nichts anderes machen als Kohle absaugen, zu dieser Regierung zu klatschen und zu jubeln. Dafür werden diese parasitären Organisationen bezahlt oder versorgt. All das ist inzwischen ein konstitutives Element dieses nach 80 Jahren verrotteten Systems. Diese GEZ-Parasiten würden sich wundern, wenn ein Abo-System käme (zahlen nur für Leistung, ein Fremdwort für die). Deswegen haben sie davor Angst. Ein Großteil der Leute würde für diesen (Propaganda-)Schrott mit Sicherheit nicht mehr bezahlen. Und das wissen die.

Dirk Jäckel / 19.01.2022

Ich wiederhole mich: Es wäre schon viel gewonnen, wenn alle, welchen das real existierende Öffi genauso verachten wie ich (bzw. alle unter 70, was in etwa auf dasselbe herauskommt), ihre Einzugsermächtigung stornieren. Und dann auf den letzten Drücker zahlen. Frühestens. Ziel muss nicht Auflösung sein, aber Halbierung der Kosten unter Abschaffung allen möglichen Unflats (zwangsfinanzierte miese Shows, Telenovelas für Senioren mit zu viel Zeit [denen ist Werbung zuzumuten, wenn Private den Kram machen] , primitives Agitprop, etwa in Pseudo-Talk-Shows mit ebenso überbezahlten wie kompetenzarmen Chefs). Mithin: echtes Öffentlich-Rechtliches statt kläglicher Regierungsfunk.

Jürgen Fischer / 19.01.2022

In 5 Jahren erst? Wartet’s ab, in der Zeit kann noch viel passieren. Vielleicht fragen die BBC’ler bei Frau Merkel in ihrem schnieken Büro an, wie das geht mit dem „rückgängig machen“.

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