Von Merkels „Alle reinlassen“ ist bei Dobrindt nun ein „Wir müssen nicht alle reinlassen“ geworden. Nach Gesetzeslage könnten aber alle abgewiesen werden, da sie aus sicheren EU-Nachbarländern einreisen.

Auch wenn einige Medien vom „Sofortigen Asylstopp an allen Grenzen“ schrieben (beispielsweise bild.de) und manch einer sich verwundert die Augen rieb, ob er nicht zufällig in den USA von Trump aufgewacht sei: Die Grenzen für illegale Einwanderer werden nicht geschlossen, sie können nur geschlossen werden.

Merkels mündlicher Auftrag durch ihren Innenminister Thomas de Maiziere vom September 2015, alle Personen, die in Deutschland Asyl beantragen wollen, ungeachtet dessen, ob sie dies bereits in einem anderen Staat getan haben oder über Ausweispapiere verfügen, wird durch den neuen Innenminister Alexander Dobrindt mit seiner Anweisung an die Bundespolizei zwar beendet, allerdings nur halbwegs und halbherzig.

Die deutschen Grenzen werden nun vermehrt kontrolliert (das passierte bereits unter Innenministerin Faeser), aber weiterhin werden Personen ohne gültige Einreiseerlaubnis nicht grundsätzlich abgewiesen. Dobrindts Verordnung spricht nur davon, dass „Schutzsuchende aus einem sicheren Mitgliedstaat die Einreise verweigert werden kann“ (nach dem Gesetz muss sie eigentlich verweigert werden) und dass „erkennbar vulnerable Personen“ (beispielsweise schwangere Frauen, Minderjährige, Alte) an Erstaufnahmeeinrichtungen weitergeleitet werden „unter Wahrung der Fiktion der Nichteinreise.“ Wer zurückgewiesen wird und wer nicht, ist also Ermessenssache der Polizeibeamten vor Ort. Heißt: Die illegale Einwanderung wird nicht gestoppt, wie die Union noch vor der Wahl ankündigte, sondern lediglich verlangsamt. 

Nationaler Notstand?

Nachbarländer wie Polen beschwerten sich naturgemäß über die Grenzkontrollen. Nicht, weil dies polnische Staatsbürger beim kleinen Grenzverkehr behindert oder den Handel einschränkt, sondern weil das zu einem Rückstau von Migranten an der polnischen Grenze führen würde. Diese Personen, die eigentlich gar nicht in Polen sein dürften, wenn die Grenze zu Nicht-EU-Ländern konsequent geschützt würde, (inklusive von Zurückweisungen, die Polen zwar machen will, die die EU-Kommission und vor allem Deutschland aber als unschön ansehen und immer wieder kritisieren), sollen nach Willen der Polen und anderer Nachbarländer so schnell wie möglich nach Deutschland weiterreisen, sprich durchgereicht werden.

Viel wurde auch geschrieben über eine „Nationale Migrations-Notlage“, die Bundeskanzler Friedrich Merz ausgerufen haben soll (welt.de hatte zuerst darüber berichtet), um sich dann, wie nicht unüblich, selbst zu widersprechen. Angeblich brauche man einen nationalen Notstand, um Artikel 72 des Vertrages über die Arbeitsweise der EU zu aktivieren und die Abweisung von Asylsuchenden an der deutschen Grenze, also an einer EU-Binnengrenze, zu rechtfertigen.

Allerdings ist die Rechtslage im Asylrecht (Artikel 16a) deutlich: Wer aus einem Mitgliedsland der EU oder aus einem sicheren Drittstaat einreist, kann sich nicht auf das Recht auf Asyl berufen. So jemandem ist die Einreise zu verweigern (also nicht kann, sondern muss), dafür braucht es keine Notlage und auch keine Abstimmung mit den Nachbarländern (von denen einige bereits nach diesem Prinzip verfahren).

Sebastian Biehl, Jahrgang 1974, arbeitet als Nachrichtenredakteur für die Achse des Guten. Vor Kurzem erschien von ihm „Ein Volk sucht seinen Platz. Die Geschichte von Orania und dem Freiheitsstreben der Afrikaaner.“ Dieses kann hier oder hier bestellt werden.