Alexander Mayer, Gastautor / 23.05.2017 / 15:06 / Foto: EveryPicture / 5 / Seite ausdrucken

Gregor Gysi beschwört Genossen Jesus

Von Alexander Mayer.

Martin Luther, dem wir die Erkenntnis verdanken, einem verzagten Arsch entfahre nun mal kein fröhlicher Furz, jener Luther also, er wäre heute wahrscheinlich kein Mitglied irgendeiner Partei, auch nicht der Linken, obwohl er ja ein Ossi war. So oder so ähnlich Gregor Gysi, Säulenheiliger der Linkspartei, heute in einem Interview mit der Berliner Zeitung - geführt kurz vor dem  Evangelischen Kirchentag und mitten im Reformationsjubiläum. Aber Jesus, so entfährt es dem Kirchentagsmitwirkenden Gysi auch noch, Jesus wäre heute „Mitglied unserer Partei“, also jener Partei, die sich vor gar nicht so furchtbar langer Zeit noch SED nannte.

Das muss man sich mal vorstellen: Der Hippie von Nazareth Seit an Seit mit der Kommunistenspießerin Sarah Wagenknecht, dem Stasi-Spitzel Dieter Dehm und der Zonengaby Petra Pau, da fällste doch vom Glauben ab! Und sei’s als strenggläubiger Atheist. Fragt sich bloß, woher Gregor Gysi eigentlich seine profunde theologische Expertise hat. Hat er die am Ende von seinem Vater Klaus Gysi geerbt, der in der DDR-Regierung „Staatssekretär für Kirchenfragen“ gewesen ist? Also, genaugenommen war er Staatssekretär gegen kirchliche Interessen und insofern persönlich mitverantwortlich für die erfolgreiche „Entkirchlichung“ in der Ostzone, die Gysi junior in diesem Zeitungsinterview scheinheilig und schamlos beklagt. Ohne freilich in dem Zusammenhang Väterchen Staatssekretär für Kirchenfragen zu erwähnen. 

Ach Gott, Gysi:  Manchmal hat das Wort Familienbande einen Beigeschmack von Wahrheit. Aber wir wollen nicht verzagen. Obwohl wir’s persönlich erlebt haben, wie man schon als 14-jähriger in der Ost-Provinz von stalinistischen Parteisekretären durchs Abitur gemobbt wurde, weil man Mitglied einer evangelischen „Jungen Gemeinde“ war. Da hätte man sich leise in den Schlaf gelacht bei der Vorstellung, Jesus wäre Mitglied der Partei, die sich irgendwann einmal Die Linke nennen würde. Aber wahrscheinlich beruht das alles mal wieder bloß auf einer Verwechslung: Linken-Mitglied Jesus Christus heißt in Wirklichkeit Brian, wird von Judas Gysi wegen parteischädigendem Verhalten beim Parteivorstand angeschwärzt und pfeift sich darauf eins: Always Look on the Bright Side of Life!

Alexander Mayer, Jahrgang 1962, ist Literaturwissenschaftler, Moderator und Autor im Hörfunk bei MDR KULTUR und MDR AKTUELL.

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Leserpost

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Helmut Driesel / 24.05.2017

Ich tippe mal darauf, das Wahlprogramm der Linkspartei fängt in jedem Absatz an mit: “Du sollst nicht…” Und vom historischen Jesus Christus ist ja auch weniges sicher überliefert, beispielsweise, dass er sich zum Neuen Testament leider nicht mehr äußern konnte. Deshalb kann man ihm letztlich alles unterstellen, auch die Mitgliedschaft in der letzten pazifistischen Partei im Bundestag.

Wilfried Cremer / 24.05.2017

Herr Gysi steht kurz vor seiner Bekehrung. Die einzige Fessel, die er noch abstreifen muss, ist seine Partei.

Karla Kuhn / 24.05.2017

” Jesus wäre heute „Mitglied unserer Partei“, ...” Ist das nicht ein herrlicher Witz ? Gysi nimmt sich wohl selbst auf den Arm?  Jesus würde seine Schlappen festbinden und vor dieser (nicht nur vor dieser !!) Partei reißaus nehmen. Für was der arme Mann alles herhalten muß. Köstlich.

Konstanze Barichs / 23.05.2017

Ich habe herzhaft gelacht, danke dafür in dieser irr-sinniger Zeit.

Hjalmar Kreutzer / 23.05.2017

Die Vereinnahmung des Glaubens durch den Staat und Anbiederung der Kirche an diesen sind ja in Deutschland nichts Neues: Der Gendarm in “Die Heiden von Kummerow”: “Sie wollen den Pastor anzeigen? - Der Pastor ist ‘ne Amtsperson!” Erich Kästner, ein Zitat aus Großer Zeit: “Ein Pastor, der in der Heimat klebte, erzählte seinerzeit ungefähr: Wenn unser Herr Jesus heute lebte, bediente er ein Maschinengewehr!” Heutzutage ist angeblich die AfD für wahre Christen nicht wählbar und “unser Herr Jesus” wäre Mitglied ausgerechnet der SED. In der Familie Gysi dürfte das Wort Chuzpe nicht unbekannt sein. Schon Tucholsky schrieb vor Jahrzehnten, für die Kirche wären er und seinesgleichen “zu fromm”. Recht hatte er.

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