Wolf Biermann
Gratulation zur 500. Maxeiner & Miersch WELT-Kolumne
Wenn ich beim Frühstück meine “Welt” lese, suche ich nicht wie ein blindes Huhn nach Zufallsfunden. Ich registriere mit geübtem Blick die Artikelüberschriften und erkenne stur voreingenommen die vertrauten Namen der Autoren. So weiß ich sofort, wen ich lese, wen ich überfliege und wen ich, wie die Berliner flapsen: “Nich ma ignjorieren” tu.
Diese Woche stünde der 500. Beitrag der wöchentlichen Kolumne “Maxeiner & Miersch” an. Ein Anlass für mich, an dieser Stelle zu bekennen: Oft reiße ich mir jede Woche das neueste Kunststückchen der beiden Autoren aus. Dann kopiere ich das Blatt und schicke es weiter an Freunde oder ausgesuchte Feinde, die ich damit erfreuen oder foppen oder ärgern will.
Manche Texte bewahre ich auf, in meiner M&M-Mappe, damit sie mir nicht zu schnell aus dem Sinn kommen, sobald die ganze Zeitung da gelandet ist, wo eine Zeitung von gestern eben hingehört.
Nicht immer, aber meistens denke ich bei solch einer scharfzüngigen Glosse: Das ist ein Puzzle-Element für ein scharfsinniges Sittenbild unserer Gesellschaft, wie ich es gern in einem Buch gebündelt sähe und bequem in Reichweite hätte. Aber dieses Spötter-Zwillingspaar hat keine Ahnung, was mich eigentlich so entzückt an der vertrauten Kolumne: Sie ermutigen mich Rebellen auf meinem eigenen steinigen Weg als treuer kommunistischer Renegat.
Ja, das will ich heute den beiden getrost verraten: Ich halte sie für Verbündete. Maxeiner und Miersch sind zwei Verräter, genauer: treu-tapfere Öko-Renegaten. Sie sind als hochkarätige Ökologen mit allen linken Wassern politisch und naturwissenschaftlich gewaschen.
Energieerhaltungssatz in der Thermodynamik, brownsche Molekularbewegung, Atomkraft, Gentechnik, Klimakatastrophe, Nachhaltigkeit, Biokost, Tierhaltung, Energiewende, Dritte-Welt-Romantik. Und sind Journalisten, die dennoch so Deutsch können, dass es für mich ein Vergnügen ist!
Und das Wichtigste: Diese beiden haben offensichtlich durchschaut, dass die Menschheit ihre komplexen Probleme schon mal gar nicht lösen kann, wenn wir mit ideologischen Scheuklappen alles Ach und Weh unserer Welt nur aus dem einen modisch-apokalyptischen Öko-Punkte kurieren wollen.
So kritische Witzbolde wie M&M wissen offenbar, was der lebenskluge Goethe meinte, als er seiner Theaterfigur Mephisto, in Bezug auf das Spiel der Geschlechter, diese stockdumme Lebensweisheit formulieren ließ:
“Besonders lernt die Weiber führen
Es ist ihr ewig Weh und Ach
So tausendfach
Aus einem Punkte zu kurieren.” – Tja, denkste!
Erschienen am 12.04.2013 in der WELT
Kleine Auswahl aus 10 Jahren Maxeiner & Miersch Kolumnen in der WELT:
“Selbstversuch mit Bier”, 25.02.2004
http://www.welt.de/print-welt/article295853/Selbstversuch-mit-Bier.html
“Unheimliche Bedrohung durch umfallende Reissäcke”, 10.03.2007
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/umfallende_reissaecke_die_unheimliche_bedrohung/
“Deutsche Feindesliebe hat eine gewisse Tradition”, 05.05.2011
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/edle_seelen_in_landsberg/
“Tierbetreuung in Deutschland klappt auch ohne Kita”, 24.01.2013
http://www.achgut.com/dadgdx/index.php/dadgd/article/was_machen_kinder_falsch_dass_hunde_beliebter_sind/