Thilo Schneider / 02.02.2018 / 06:27 / Foto: Bundesarchiv / 57 / Seite ausdrucken

Grand Prix de Prüderie: Das Ende der Boxenluder

Die Formel 1 wird die sogenannten „Grid-Girls“ oder, wie wir alten weißen Männer sie nennen, „Boxenluder“ abschaffen. Offizielle Begründung: „Obwohl die Praxis, 'Grid-Girls' zu beschäftigen, seit Jahrzehnten ein fester Bestandteil der Grands Prix ist, glauben wir, dass diese Sitte nicht mit unseren Markenwerten in Einklang und klar im Widerspruch zu modernen gesellschaftlichen Normen steht".

Um es klar und deutlich zu sagen: Davon geht die Welt nicht unter und ich mag Formel 1 sowieso nicht so gerne, weil ich es grundsätzlich langweilig finde, Autos beim „im-Kreis-um-die-Wette-fahren“ zuzusehen. Ich werde auch trotzdem morgen früh aufstehen und zur Arbeit gehen. Um es auch klar und deutlich zu sagen: Die „modernen gesellschaftlichen Normen“ können mich gepflegt an meinem weißen, faltigen Hintern lecken. Ich glaube, Euch brennt allen der Rennfahrerhelm.

Ja, die Girls hatten nichts weiter zu tun, als herumzustehen, niedlich auszusehen und zu lächeln. Nein, sie wurden dazu nicht gezwungen und sie wurden dafür bezahlt. Ja, das ist sexistisch, chauvinistisch und speziell für die Frauen diskriminierend, deren entsprechende Bewerbung ein Veranstalter lächelnd in der Rundablage hätte verschwinden lassen. Schöne Frauen angucken. Total eklig und irgendwie mindestens 1980.

Gelegentlich, wenn es tatsächlich um etwas ging, habe ich ja doch mal ’reingeschaut. Und es ist vollkommen richtig: Wenn einmal ein Kameraausschnitt auf einen tief ausgeschnittenen Overall zoomte, dann habe ich mir nie überlegt, dass da eine Germanistik- oder Orientalistik-Studierende im zweiten Semester stehen könnte, die tierlieb ist, ihre demenzkranke Mutter pflegt und sich in ihrer Freizeit gegen die Ungerechtigkeit internationaler Konzerne gegenüber afrikanischen Kleinbauern engagiert oder am Sonntag auf die „Demo gegen Rechts“ geht. Ich habe mir gedacht „oh, hübsch“ und dann weiter darauf gewartet, dass der nächste Frontspoiler fliegt, ich unsensible, sexistische Sau. Ich habe mir dabei nicht einmal Gedanken über die CO2-Emissionen oder die Feinstaubbelastung der Boliden gemacht. Ich bin alt, ich kann das zugeben.

Sexobjekt. Ja, stimmt. Für ein paar Sekunden

Formel 1 ist, wie viele Sportarten, eine Show. Es heißt ja nicht umsonst auch „Formel 1 Zirkus“. Und es ist eine Show für Männer, sozusagen eine der letzten Spielwiesen nur für uns, eine Show, bestehend aus Benzin, Autos, Glamour, Sektgespritze (alleine das erinnerte ja jedes Mal an eine Ejakulation) und eben hübschen Frauen. Und mal unter uns Pastorentöchtern: Zeige mir einen einzigen Mann, der keine schönen Frauen ansieht, und ich zeige Dir einen toten Mann. Deswegen waren die Girls da. Als Staffage. Ja, verdammt nochmal, und? Was ist daran schlecht?

„Ja, aber aber, das würdigt sie zu Sexobjekten herab“ – stimmt. Tut es. Für ein paar Sekunden. Wie jede Frau zu einem Sexobjekt herabgewürdigt wird, wenn sie das erste Mal ein Mann anschaut. Das ist schrecklich und das ist simple Biologie. Jeder Mann, es sei denn, er ist blind, hält instinktiv Ausschau nach einer potenziellen Geschlechtspartnerin, ob er das will oder nicht. Das hat er in den Genen. Außer, er ist homosexuell. Dann schaut er eben nach einem potenziellen Geschlechtspartner.

Umgekehrt schaut sich auch jede Frau gerne einen schönen Mann an, da sie einen potenziellen Ernährer für sich und ihren potenziellen Nachwuchs sucht. Da können beide Geschlechter noch so lange verheiratet sein. Ein schöner Mensch ist ein schöner Mensch ist ein schöner Mensch. Auch, wenn sich Schönheitsideale naturgemäß gesellschaftlich wandeln.

„Nichts da“ sagt die engagierte Frauenrechtlerin, die lediglich Haare statt einer Frisur hat. „Es wird nicht geguckt!“, und damit folgt sie unbewusst der Empfehlung heiliger Bücher, dass sich die Frau gefälligst zu verhüllen hat, weil der Mann so ein geiler Bock ist, der sofort über sie herfällt, wenn er nur ein Fitzelchen Haut sieht. Die „Boxenluder“ selbst haben sich jedenfalls nicht beschwert, dass sie angesehen wurden. Ganz im Gegenteil. Das war ihr Job. So, wie es auch der Job von Hostessen auf Messen oder StewardInnen im Flugzeug ist, gut auszusehen. Die verdammte Biologie macht, dass wir uns in Gesellschaft schöner Menschen wohl fühlen.

#Me-leider-not-Uschis

Für mich liegt der eigentliche Chauvinismus darin, dass den Grid-Girls, den Cheerleaderinnen und den Hostessen sowie den sie betrachtenden Herren von den jetzt ach so erleichtert aufatmenden #Me-leider-not-Uschis schlicht abgesprochen wird, tatsächlich mehr als nur „Hingucker“ zu sein. Jede selbstbewusste Frau (und das muss sie sein, sonst macht sie den Job nicht) an der Boxengasse weiß um ihren Wert und jeder sie Betrachtende ebenfalls.

Für uns alte Männer waren das Traumgestalten, die an Traumautos standen, schön anzusehen, aber für Horst aus Remscheid und Uwe aus Hamburg-Harburg unerreichbar. Aber für eine kurze Sekunde im Wohnzimmer. Und gerade dieses Selbst-Bewusst-Sein wird den Grid-Girls von den jetzt eifrig beifallklatschenden „Menschen mit Menstruationshintergrund“ (und ein paar verirrten Typen mit Kappe und Salafistenbart) übelgenommen. Das nennt sich dann wohl „intellektuell-gesellschaftliche Überwindung der Biologie“. Oder, simpler: Prüderie.

Ganz nebenbei – manche dieser „Boxenluder“, die wissen, wie sie sich pflegen und artikulieren müssen, schafften es genau deshalb in die gesellschaftlichen Spitzen – eine sogar bis zur Königin von Schweden –, eine Karriere, die den „MenschInnen mit primären weiblichen Geschlechtsmerkmalen“ und einem Package mit ganz viel „inneren Werten“ verschlossen bleibt. Da reicht es dann maximal doch nur zum Grünen- oder SPD-Parteivorsitz. Da, wo die Haare ruhig fettig sein dürfen, wenn die Haltung stimmt.

Kurz – kurz einen Blick erhaschen

Spiegel-Online hat mich gesperrt. Weil ich eine junge Dame, die den Artikel mit „sehr gut! frauen sind mehr als hübsche dekoration für männer und autos“ (Rechtschreibung original übernommen) nach einem Blick auf ihr Profilbild gefragt habe, wo sie denn ihren eigenen „Mehrwert“ sähe. Und weil ich ihr dann empfohlen habe, zu ihrem Frau-Sein zu stehen und nicht den ersten Eindruck optisch zu versemmeln. Sie sei doch recht hübsch und könne mehr aus sich machen. Außerdem habe ich ihr erklärt, dass das jeder Mann mit Stil selbst auch wisse, aber die Entscheidung, ob er sie anspräche oder nicht, von diesem ersten Eindruck abhinge. Ich war dabei nicht einmal böse oder beleidigend. Also, nicht mehr als sonst…

Das fanden aber SPON oder auch die Antagonistin nun gar nicht witzig und so wurde ich gekickt und der Thread versenkt. Das kann man ja machen, es ändert nur nichts an der Tatsache, dass der erste Eindruck, den wir von einer Person haben, darüber entscheidet, ob wir auch die „inneren Werte“ kennenlernen möchten. Oder, umgekehrt, die Chance erhalten, diese kennenzulernen. Bei den Grid-Girls war das Horst aus Remscheid und Uwe aus Hamburg-Harburg niemals möglich. Aber kurz – kurz durfte er einen Blick erhaschen. In eine Welt, die ihm normalerweise verschlossen ist. Auch mit Backstage-Karten. Schade. Wieder ein kleines Stück Kultur, das auf dem Altar der politischen Korrektheit geopfert wurde.

Wenn es aber stimmt, dass alle Männer Chauvi-Schweine sind und schöne Frauen immer nur als Sexobjekt gesehen werden, dann ist es auch nur folgerichtig, schöne Frauen zu verhüllen oder komplett aus der öffentlichen Gesellschaft zu entfernen. Zum Schutze aller. Macht es gut, Grid-Girls. Ich habe Euch gerne gesehen. Und gemocht. Ihr seid mehr als Deko gewesen. Ihr wart Traumfrauen. Echte Traumfrauen. Die Zeit ging über Euch und mich hinweg. Die Welt gehört den Tussis im Parka, deren weibliche Ausdrucksform sich darauf beschränkt, mir den Mittelfinger zu zeigen. Dafür werde ich diese aber auch nicht besingen und preisen. Die bekommen nur Prosa statt Poesie.

Und macht Euch die blöde Türe künftig gefälligst alleine auf. Ihr habt keine Gentlemen verdient.

Foto: Bundesarchiv CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia

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Dolores Winter / 02.02.2018

Es geht bei dieser Posse nicht nur um die aufreizende Kleidung und die intensive Sinnlichkeit der Mädels, die von Neiderinnen nicht ertragen werden kann. Es gehört zur feministischen Agenda, dass Frauen nur Opfer sein dürfen. Frauen, die Männer verführen und das genießen ist den “Aktivistinnen” zu viel von dieser schrecklichen, ihnen unbekannten Sache namens Lebensrealität.

Judith Hirsch / 02.02.2018

Vielleicht bekommen die Grid-Girls noch eine Chance, wenn sie denn nur bereit wären Kopftuch zu tragen.

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