Vera Lengsfeld / 17.05.2023 / 15:00 / 31 / Seite ausdrucken

Graichen weg – Wann folgt Habeck?

Es gibt sie noch, die guten Nachrichten. Wirtschaftsminister Habeck musste seinen Staatssekretär aufgeben. Das ist zweifellos ein Erfolg, den die freien Medien erzielt haben. 

Es hat Monate gedauert, bis die meinungsmachende Presse, die einen „Schutzwall“ um die Grünen gebildet hat, gezwungen war, sich mit dem grünen Filz im Wirtschaftsministerium zu befassen.

Auf der heutigen Pressekonferenz zum Fall Graichen hat Habeck ausgeführt, dass er sich gezwungen gesehen hat, im Filz seines Ministeriums tiefer zu graben, wegen der berechtigten Befürchtung, dass es noch Unregelmäßigkeiten gäbe, die aufgedeckt werden könnten. So war es auch. 

Er nannte zwei Vorgänge, die in der ersten Durchsicht, als „entlastend“ eingestuft worden waren, die sich aber beim genaueren Hinsehen als gravierende Verstöße gegen die Compliance-Regeln herausgestellten. Im ersten Fall geht es um Zuwendungen für den BUND-Landesverband Berlin, dem die Schwester von Graichen, Verena, bis Mai 2022 vorsaß und in dem sie immer noch Mitglied im Vorstand ist. 

Graichen segnete als Zuständiger diese Zuwendung von 600.000 Euro ab. Es sei noch kein Geld geflossen, beeilte sich Habeck zu versichern, fügte aber nicht hinzu, dass dies auch künftig nicht geschehen werde. Im zweiten Fall blieb der Minister im Vagen. Es geht um die Expertenkommission für das Monitorrng der Energiewende, deren Besetzung die Überparteilichkeit vermissen lässt. Es sieht so aus, als sollte der Clan, der die „Energiewende“ konzipiert hat und exekutiert, von anderen Clanmitgliedern bestätigt bekommen, dass alles im grünen Bereich sei. Es lohnt sich sicherlich, da noch genauer hinzuschauen. 

Habeck war der Meinung, dass, hätte es nur einen Vorgang gegeben, keine Konsequenzen nötig gewesen wären, Aber zwei – das war einer zu viel. Dann lobte Habeck die Verdienste des Geschassten noch über den grünen Klee: Graichen hätte die Energiewende „wieder flott gemacht“ und eine „Wirtschaftskrise abgewendet“. Das war unfreiwillig komisch, denn Graichen hatte in einem Interview freimütig bekannt, dass ihm die Abwanderung der energieintensiven Industrie aus Deutschland am Allerwertesten vorbeigeht. Die ginge eben dorthin, wo der Strom ein bis zwei zwei Cent koste.

Dann verlor der Minister die Contenance. Bei aller berechtigten Kritik sei es unerträglich, wie Graichen und seine Familie von „rechtsextremen Accounts“ angefeindet würden, deren Lügen von „prorussischen Accounts“ gepuscht werden. Nachdem er diese denunziatorische Verbalkeule geschwungen hat, setzte er hinzu, dass so politische Debatten nicht stattfinden dürften. 

Natürlich meint er damit nicht seine eigene verbale Entgleisung und Kriminalisierung seiner Kritiker. Es handelte sich bei dieser Einlassung um den Versuch, weitere Recherchen und Kritik zu verhindern. Das wird nicht gelingen, denn die als „rechts“ abgestempelten Regierungskritiker lassen sich längst nicht mehr von solch einer Denunziation abschrecken.

 

Vera Lengsfeld, ist Politikerin und Publizistin. Sie war Bürgerrechtlerin und Mitglied der ersten frei gewählten Volkskammer der DDR. Von 1990 bis 2005 war sie Mitglied des Deutschen Bundestages zunächst bis 1996 für Bündnis 90/Die Grünen, ab 1996 für die CDU. Seitdem betätigt sie sich als freischaffende Autorin. 2008 wurde sie mit dem Bundesverdienstkreuz am Bande geehrt.

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Leserpost

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Gus Schiller / 17.05.2023

Früher, ja früher, da haben die Medien ihren Auftrag als 4. Gewalt noch ernst genommen und solche Figuren und Zustände zu recht angeprangert. Sie sind wie Schweißhunde den Staatsganoven auf den Fersen geblieben bis zu deren Strutz. Sollten diese Zeiten etwa wiederkommen? — Was macht eigentlich der Doppel-Schulz-Super-Führungs-Wumms Kanzler zur Zeit beruflich?? Sabbatjahr oder was??

Horst Jungsbluth / 17.05.2023

@Dr. Joachim Lukas: Ja natürlich, so ist es!  Die Totengräber unseres einst einigermaßen funktionierenden Staats haben Hochkonjunktur und sie nutzen das schamlos aus, weil sie wie übrigens auch NSDAP und die SED sowohl die Justiz und die Medien stramm auf ihrer Seite haben. Für mich,  als von schweren Verbrechen des Berliner Mompers-Senats Betroffener ist das allerdings nur eine Fortsetzung dessen, was sich nach dem “Mauerfall zur falschen Seite” damals nicht zu Ende bringen liess.  Unser Staat ist in den Hönden von Kriminellen, die ihnen sitzen eben in gutdotierten Positionen in staatlichen Apparaten und die anderen in Cafes und Sushi-Bars.

Karsten Dörre / 17.05.2023

Habeck sah bei der Verkündung in der Pressekonferenz sehr angeschossen aus. Eine/n zweite/n Graichen wird er nicht finden bzw. erneut aus der Agora Energiewende Denkfabrik auswählen, politischer Selbstmord.

Stephan Bender / 17.05.2023

“Menschen machen Fehler, jeder und jede von uns!” sprach Robert Habeck in seiner Entschuldigungsrede. Aber gilt das auch für Grüne?

Paul Ehrlich / 17.05.2023

Die Spitze des Eisbergs ist jetzt abgebrochen, aber was sich unter der Wasserlinie befindet, sieht man nicht.

Paul Ehrlich / 17.05.2023

Wer hat eigentlich gewagt, den Herrn Graichen zu kritisieren? Ist das nicht neuerdings per Gesetz verboten? Verächtlichmachen von Regierungsmitgliedern und so? Fragen über Fragen.

Wilfried Cremer / 17.05.2023

Liebe Frau Lengsfeld, die Grünen haben sich verzockt. Von nun an geht’s bergab. Der schmierige Herr Habeck ist die Marke für den Wendepunkt. Das gänsekackegrüne Witzfigurenkabinett im Zwangsfunksumpf und seine Kolonie in Brüssel spüren, dass der Boden unter ihren Füßen nachgibt und die Luft zu flimmern anfängt. Deshalb fühlen sie sich schon von Zwergen wie der Oma mit der Tüte und dem Opa mit der Adelsnase angepisst. Jetzt muss man nur noch ab und zu ein wenig sticheln, dann zerreißen sie sich gegenseitig oder selbst wie Rumpelstilzchen.

Ludwig Luhmann / 17.05.2023

“(....) Auf der heutigen Pressekonferenz zum Fall Graichen hat Habeck ausgeführt, dass er sich gezwungen gesehen hat, im Filz seines Ministeriums tiefer zu graben, wegen der berechtigten Befürchtung, dass es noch Unregelmäßigkeiten gäbe, die aufgedeckt werden könnten.(...)”—- Schwabs Unterfilzer Habeck soll den bewusst sorgfältig kreierten, jahrzehntealten, vielfach doppelbödigen Filz entfilzen? - Patrick Graichen ist übrigens auch ein Mitglied des WEF. Wer derartige Personenverschiebungen als Erfolge betrachtet, der wird noch viele Enttäuschungen und Überraschungen erleben ...

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