Erik Lommatzsch, Gastautor / 04.09.2019 / 12:00 / Foto: Tim Maxeiner / 71 / Seite ausdrucken

Gräfin Dönhoff, fast so schlimm wie abgehängt

„Die Zeit“ zeigt Haltung und bezieht Stellung. Genauer: „Die Zeit“ verweist auf die schon immer gehaltene Stellung. Oder stellt Haltung? Hält Stellung? Verflixter Wörtersee aber auch! Na, zumindest Demokraten haben es verstanden. Und es ist bitter nötig.

Die dummen Dunkeldeutschen, die „Die Zeit“ und andere demokratische Ratgeber zu wenig konsumieren, haben am letzten Sonntag zu erheblichen Teilen falsch gewählt. Zu schaffen macht der Zeitung aber auch eine sich anbahnende mediale Abwendung vom Guten. Sogar die Berichterstattung der ARD (ja, der ARD!) und anderer ist, wie „Die Zeit“ herausgefunden hat, mit dem bevorzugten Ankreuzobjekt besagter Dunkeldeutscher falsch umgegangen.

Klar vor Augen geführt wird dies durch die Analyse der Wahlkampfberichterstattung im Ersten von Matthias Dell. Unter der Überschrift „Schön komfortabel für die AfD“ findet sich auch der bemerkenswert unachtsame Satz „Das öffentlich-rechtliche Fernsehen scheitert dabei, journalistisch angemessen über die AfD zu berichten“. Aber da er glücklicherweise im Zusammenhang steht, läuft man nicht in Gefahr, ihn möglicherweise falsch anzuwenden. Beklagt wird von Dell, dass doch tatsächlich eine Moderatorin gegenüber einem sächsischen CDU-Mann geäußert hat: „Eine stabile Zweierkoalition, eine bürgerliche, wäre ja theoretisch mit der AfD möglich.“ Pfui! In „Bürgertum“ hat die Frau wahrscheinlich immer gefehlt. Noch schlimmer trieb es ein RBB-Moderator. Er gab Andreas Kalbitz (Warum redet überhaupt jemand mit dem?) doch tatsächlich die Möglichkeit, „sich als freundlicher Parlamentarier“ zu „gerieren“. Zumindest erklären kann es „Die Zeit“: Die TV-Kollegen sind „geprägt von einer tiefen Verunsicherung“. Für die Außenstehenden: Das ist fast so schlimm wie abgehängt.

Das ganz große Besteck auf den Tisch 

Worum es sich bei der Partei handelt, haben die ARD-Leute „in sechs Jahren AfD-Auftritten scheinbar nicht verstanden“. Durch die „Lektüre antifaschistischer Infoblätter“ könnte man mangelnden Sachverstand aufholen, so Dell. Nicht einmal eine große, aber noch nicht alte ARD-Talk-Dame konnte am Abend die Ehre des Senders retten. Statt die Bloßstellung von Alexander Gauland, der gerade „fahriges Gebrabbel“ vernehmen ließ, zu genießen, fiel sie der guten Sache in den Rücken, indem sie das Ganze einfach „abwürgte“.

Falls es jemand vergessen hatte, Dell sagt es noch einmal ganz deutlich, was es mit der AfD auf sich hat: Das „Geschäftsmodell“ besteht „wesentlich aus Ausgrenzung, Hass und Hetze“. Auf ganzer Linie versagt hat die ARD, die doch seinerzeit eindeutig mit dem Ziel der „reeducation“ gegründet wurde. Auftrag also! Und wer das nicht verstanden hat: „Faschistische Propaganda sollte für die Zukunft verhindert werden.“ Ja, wenn es nicht einmal mehr die ARD bringt, dann muss „Die Zeit“ eben das ganz große Besteck auf den Tisch legen. 

Mit Erwägungen, dass es sich um begriffstheoretischen Unfug, geistesdürftiges Missverstehen und massive Beleidigungen handeln könnte (sich jetzt noch mit Ereignissen und Zusammenhängen der Zeit zwischen 1933 und 1945 zu beschäftigen, wäre wirklich etwas viel verlangt), kann sich der Kampf gegen „Rechts“ nicht aufhalten.

Die aktuellen Probleme drängen. Aufgeschlüsselt ist alles noch einmal in „Kiyaks Deutschstunde“, welche „Die Zeit“ regelmäßig erteilt. Mit „Der Faschismus hat keinen moderaten Flügel“ ist die aktuelle Lektion überschrieben. Mely Kiyak ist von der GEZ-finananzierten Berichterstattung noch weniger angetan als Herr Dell. „Neonazi“, „Vogelschiss“, „Sehnsucht nach einem starken Führer“, „Normalisierung autoritärer, nationalistischer und menschenfeindlicher Haltungen“… man müsste es noch einmal überprüfen, aber es gibt Grund zur Annahme, dass Frau Kiyak hier so ziemlich gar kein Reizwort vergessen hat.

„Kotzanfälle über das Treppengeländer“

Und alles lassen die öffentlich-rechtlichen Fernsehmenschen durchgehen. Zumindest indirekt. Oder zumindest sehr indirekt. Bei solcher Berichterstattung bekommt Frau Kiyak „Kotzanfälle über das Treppengeländer“. Neue Zeiten und die Notwendigkeit des verstärkten politischen Kampfes führen zu neuen Ausdrucksnotwendigkeiten, selbst bei einer Traditionszeitung wie „Die Zeit“. Oder kann sich jemand vorstellen, dass die Gräfin Dönhoff übers Treppengeländer gekotzt hätte?

Auch anderes ändert sich. War „Die Zeit“ früher ein Presseerzeugnis, welches dem Leser ob der langen Texte fast ausnahmslos Geduld abforderte, werden nun – besonders wichtig wegen des Erziehungsauftrages, dem nicht einmal mehr die ARD gerecht wird – auch dem Nicht-so-Buchstabenaffinen in kindgerechten Videos (mit Trickfilm!) kurze Polit-Häppchen präsentiert. Christian Bangel schimpft dort nicht auf die Fernsehkollegen, sondern mutmaßt, wie weit entfernt die AfD „von der Macht“ sei. Das klingt auch schon ein wenig wie „Machtergreifung“. Wäre der Kampf nicht so wichtig, „Regierung“ hätte es auch getan.

Hoffnung hat Herr Bangel durchaus, immerhin etwa drei Viertel der Menschen in Sachsen und Brandenburg haben vernünftig gewählt. Wenn das nichts ist. Und dann haben auch viele gewählt, um die AfD zu „verhindern“. Dennoch: Wachsam bleiben. Da sich Grüne und CDU in Sachsen nicht gut verstehen und die – voraussichtliche – Koalition (inclusive Rest-SPD) wackelig wird oder vielleicht gar nicht zustande kommt, könnte man AfD-Stimmen „brauchen“. Schleichend könnte sich die AfD der „Macht“ annähern. In Landkreisen und Kommunen arbeiten AfD und CDU mitunter zusammen. Und zwar „schon ganz offen“. Unglaublich.

„Die Zeit“ ist notwendiger denn je. Nicht nur das Fernsehen versagt. Selbst in der West-CDU brechen bereits die Dämme. O-Ton aus dem Kreisverband Osnabrücker Land: „Ob wir jetzt alle ersticken oder die AfD regiert – was macht das noch für einen Unterschied?“ So einfach wollen wir es uns bitte nicht machen. Zurück auf die Barrikade! 

Foto: Tim Maxeiner

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Dr.H.Böttger / 04.09.2019

Eine alte Geschichte zur ZEIT aus Tichys Einblick von heute zitiert: Von seiner Reise durch die morsche DDR 1986 berichtete ZEIT-Chefredakteur Theo Sommer: „Vor allem wirkt das Land bunter, seine Menschen sind fröhlicher geworden.“ Und glaubte wahrzunehmen, dass die DDR-Bürger Erich Honecker „fast so etwas wie stille Verehrung entgegenbringen“. Markant für die arrogante Blindheit dieses Nachfolgers einer “Gartenlaube für den gebildeten Stand”, tatsächlich schon vor über 30 Jahren ein Produkt geistigen Tiefflugs, getrieben von der Absicht, dem gehobenen Leser (Typ Studienrat) eine gewünschte Wohlfühlatmosphere zu verschaffen. In der guten alten Zeit, als die Lufthansa noch ohne Billigkonkurrenz war, konnte man beim Zustieg, zusammen mit Wurstbrötchen auch Berge von   dicken Qualitätsblättern ausfassen. Die Zeit war darunter, blieb aber - entschlummert nach spätestens drei Sätzen - weitestgehend ungelesen zurück. Da die Katzenklos samt Zubehör inzwischen auch an der Spitze der hightec-Anwendungen rangieren, kann man nicht mal mehr eine ZEIT ihrem zuletzt verblieben Zweck als Einlage für die Katzengeschäfte zuführen.

Wolfgang Richter / 04.09.2019

Immerhin hat die FAZ im Gegensatz zu den ÖR die richtige Antwort auf die Wahlergebnisse. Sie zeigt den von der AfD mobilisierten Ex-Wahlverweigerer (infolge seinerzeit nicht vorhandener Alternative) als schmuddeligen und ungepflegten Zausel, der sich angesichts des Wahltages freut. mal wieder vor die Tür zu kommen. Das kann man lustich finden, oder auch als eine Art Rassismus bezeichnen. Wer meint, ca 1/4 der Wahlbürger diffamieren zu können, der hat offenbar Spaß am eigenen wirtschaftlichen Untergang. Die Titanic ist durch Unfähigkeit gegen den eisberg gesemmelt. FAZ-Redakteure und Lustige-Bildchen-Zeichner fahren sinnbildlich gar nicht erst raus, sondern ziehen im Hafen den Stöpsel, um ihren Kahn zu versenken. Mögen sie erfolgreich sein.

Martin Schau / 04.09.2019

Nach einiger Überwindung habe ich diese Hetz-Artikel der ZEIT gelesen. Mely Kiyak hat nichts von ihrer aggressiven Menschenverachtung eingebüßt, seit sie im Mai 2012 in einem Beitrag für die “Berliner Zeitung” und die “Frankfurter Rundschau” Thilo Sarrazin eine “lispelnde, stotternde, zuckende Menschenkarikatur” nannte. Das Messen mit zweierlei Maß und Wiegen mit zweierlei Gewicht geht ungebremst weiter. Erfreulich, dass es dennoch Stimmenzuwächse bei der AfD gibt, was Politik und Presse umso mehr in Rage bringt. Fazit: Das Links-Establishment fährt immer weiter seine Krallen aus und attackiert wie ein Tier, das sein Terrain verteidigt und nicht kampflos weichen will. Pluralismus war vorgestern. In ganz Westeuropa bahnen sich handfeste Konfrontationen an, weil bei Themen wie Weltbevölkerungsentwicklung, Massen-Asyl, Massen-Einbürgerung, EZB-Geldpolitik, Staatsverschuldung, innere Sicherheit etc. völlig konträre Meinungen/Strategien aufeinanderprallen. Ausgang ungewiss.

Andreas Rühl / 04.09.2019

Die Zeit hat die titanik schon lange als führendes satiremagazin abgelöst. Problem ist, dass sie das gar nicht weiß.

Joachim Neander / 04.09.2019

Wie sagte schon Henryk Broder über das “Nazi, Nazi!” Geschrei der Gesicht und Haltung Zeigenden: “Wenn das Nazi ist, dann kann das Dritte Reich gar nicht so schlimm gewesen sein.” Merken die das eigentlich nicht?

Manfred Löffert / 04.09.2019

Habe das ZEIT-Abo schon vor vielen Jahren gekündigt . Was die Themen AfD, Brexit, Trump, EU usw, angeht, beobachte ich bei meiner Heimatzeitung ( Ein Produkt der vrm-Gruppe ) seit etwa 2014 und bis heute eine wirklich immer einseitigere Berichterstattung und Kommentierung zu diesen Themen. Das zeigt sich vom Kommentar des Chefredakteurs über die Seite Kunst und Kultur bis hin in den Lokalteil . Habe das auch in fast 300 Beispielen dokumentiert und in vielen Fällen auch die Redakteure der Beiträge und Kommentare auf die m.E. nicht saubere jounalistische Arbeit hingewiesen. Vielleicht habe ich damit auch ab und an zm Nachdenken angeregt ; geändert hat sich bis heute da aber nichts . Seit einigen Wochen beziehe ich auch dieses Blatt nicht mehr.

Roland Müller / 04.09.2019

Ich denke, das bei der Frau Kiyak und dem Herrn Dell selbst ein erfahrener Psychiater auf verlorenem Posten steht. Was nicht zu retten ist, ist einfach nicht mehr zu retten.

Dirk Jungnickel / 04.09.2019

Gab es bei der ZEIT nicht neben der Gräfin seinerzeit einen gewissen unsäglichen Theo Sommer, der sich bemühte , die West - Leser über die Ost - Nichtleser aufzuklären ? Mit seinem journalistischen Scharfblick durchquerte er Honeckers Reich und stellte vor allem Zufriedenheit fest. Mich wundert’s nicht, wenn sich in dem Blatt mit dem allzu langem Atem entsprechende Nachfolger verdingen.

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