Rechtzeitig zum Papstbesuch ist aus eingeweihten Kreisen zu erfahren, dass der Bundespräsident ursprünglich noch höhere Besuchsambitionen gehabt haben soll. Er habe den lieben Gott selbst zu einer Rede im Bundestag eingeladen. Zu seiner, des Bundespräsidenten, Überraschung sollen auf diese Einladung jedoch mehrere Bundestagsabgeordnete mit Empörung reagiert haben. Es sei unmöglich einem alten Mann mit Bart, der sich sonst nie sehen lasse, wenn er gebraucht wird, eine solche Plattform zu bieten. So soll es damals geheißen haben.
Kritisiert wurde auch, dass der liebe Gott Ansichten vertrete, die in der modernen Welt nichts mehr zu suchen hätten. Allein die Tatsache, dass er die erste Frau aus der Rippe des ersten Mannes geformt haben soll, sei ein Schlag ins Gesicht des heutigen Feminismus. Auch sei es unerträglich, dass er seinerzeit auf der Arche nur heterosexuelle Paare, sowohl bei Mensch als auch bei Tier, zugelassen habe. Es grenze an ein Wunder, dass trotz dieser Diskriminierung während der Sintflut sexuelle Alternativen überlebt haben und sich schließlich in gebührender Form entfalten konnten. Dass er seinen Sohn und nicht seine Tochter als Erlöser auf die Erde geschickt hat und ihn obendrein der inzwischen weithin geächteten Todesstrafe ausgesetzt hat, soll unisono von „Emma“-Redakteurinnen und Amnesty International beanstandet worden sein. Bedenklich sei auch, dass man Gott mitten in einer Zeit weltweiter Finanzkrisen erwarte. Dies könne von den Märkten als ein böses Omen wahrgenommen werden und zu unvorhersehbaren Turbulenzen führen. Zwar sei es übertrieben, gleich von einem bevorstehenden Weltuntergang zu sprechen. Es sei aber zu befürchten, dass die Rating Agentur Standard and Poor’s die ganze Welt wegen dieses alarmierenden Besuchs um mindestens einen Punkt downgraden werde.
Trotz solcher Kritik aus mehreren Parteien und Nichtregierungsorganisationen sollen Bundespräsident und Bundeskanzlerin zunächst auf ihrer Einladung beharrt haben. Man müsse ja nicht mit allen Worten und Taten Gottes einverstanden sein. Es sei aber ein Gebot der Höflichkeit, einen so hohen Gast dort sprechen zu lassen, wo das politische Herz des Landes schlägt. Schließlich handle es sich beim lieben Gott nicht um ein bloßes Kirchenoberhaupt sondern um den Herrscher eines Reiches, auch wenn es nicht von dieser Welt sei.
Nun, diese Aufregung hat sich inzwischen gelegt. Der Herr, so heißt es in diplomatischen Kreisen, hat seine geplante Reise nach Berlin wegen dringender anderer Geschäfte abgesagt und an seiner Stelle den Papst geschickt. Dessen Bundestagsansprache als Stellvertreter Gottes auf Erden hat die Kritiker allerdings zu noch schärferen Attacken angeregt. Die offen geäußerten Argumente gegen den Papstbesuch im Bundestag sind weitgehend deckungsgleich mit denen, die gegen den Besuch Gottes angeführt wurden.
Unter der Hand ist allerdings zu erfahren, dass die Kritiker noch ganz andere, tiefere Sorgen plagen. Wie man hört, befürchten man vor allem, dass der Auftritt des Papstes im Bundestag den Stil und das Niveau des Hauses auf eine irreparable Weise anheben könne. Ein Abgeordneter, der nicht genannt werden will: „Nach dem Papstbesuch wird es fürs erste nicht mehr möglich sein, dass wir uns im Plenum wie die Kesselflicker streiten. Der Bundestag wird auf lange Zeit nicht mehr zu seinem alten Formtief zurückfinden können.“