Die Vereinigten Staaten von Amerika bekommen heute einen neuen Präsidenten – “sleepy” Joe Biden, der als alter Mann mit Gedächtnisproblemen die höchste Zahl an Stimmen erhielt, die je ein Kandidat bekam. Wer ist dieser Mann? Welche Richtung vertreten er und seine Mitstreiter? Um zu verstehen, warum in Amerika in Intervallen Fanatiker die Oberhand gewinnen, muss man kurz auf die Geschichte des Landes schauen.
Die USA sind ein Land, dessen Kultur zutiefst religiös bestimmt ist, weil die Menschen, die das Land ab dem 17. Jahrhundert besiedelten, angelsächsische, deutsche und niederländische Protestanten waren. Deren religiöse Kultur prägte das Land von 1650 bis 1950 dreihundert Jahre lang zutiefst. In Europa hingegen verlor die Religion bereits seit dem 17. Jahrhundert unter den geistigen Eliten der Aufklärung an Bedeutung, Hugo Grotius sagte, man müsse sich vorstellen, wie die Welt funktioniert “etsi deus non daretur” (als gäbe es keinen Gott), für die französische Aufklärung war Religion das Gegenteil von Freiheit.
Ab dem 19. Jahrhundert setzte in Europa eine breite Säkularisierung ein, Gott, Kirche und Glauben verloren immer weiter an Bedeutung. Doch für die Vereinigten Staaten als protestantische Kolonie war der Glaube konstituierend, und die Säkularisierung setze später ein als in Europa, der Glaube blieb länger für das politische Handeln bestimmend. Dabei handelt es sich um einen strengen Protestantismus, von dem Tocqueville sagte, er habe, anders als in Frankreich, wo Freiheit und Glaube Gegensätze bilden, zu einer Synthese der beiden geführt. Der US-amerikanische Protestant ist strenggläubig und hochmoralisch, aber gleichzeitig dem freiheitlichen American Creed verpfichtet: Freiheit, Eigentum, Rechtsgleichheit, Partizipation, Öffentlichkeit, demokratische Normen und Arbeit, Arbeit, Arbeit.
In der Geschichte der Vereinigten Staaten gab es vier religiöse, protestantische “awakenings” (Erweckungsbewegungen), die wichtige politische Konsequenzen hatten (siehe “Who are we?” von S. Huntington, p. 76f.). Das erste Awakening fand in den 1730er und 1740er Jahren statt und wurde von protestantischen Predigern wie George Whitefield vorangetrieben. Er und seine Glaubensbrüder predigten an der Ostküste und erzeugten eine Bewegung, die den Siedlern zum ersten Mal bewusst machte, dass sie zusammen eine kulturelle Nation bilden. Das erste Awakening bildetet so die Grundlage für die politische Vereinigung der Siedler zu den Vereinigten Staaten unter dem Druck des Kolonialherren im zweiten und letzten Drittel des 18. Jahrhunderts.
Das zweite Awakening von 1820 bis 1830 war eine protestantische Reformbewegung, die von Predigern wie Charles Finney angeführt wurde. Ihre Kernaussagen waren “work and believe” (das klassische ora et labora) und eine Moralisierung der Gesellschaft mit einer Ächtung von Prostitution, Glücksspielen, Tabak- und Alkoholkonsum (grob gesagt, alles was Spaß macht) und der Einführung der religiösen Sonntagsschule. Das wichtigste politische Ergebnis war der Abolitionismus, eine Bewegung zur Abschaffung der unmenschlichen Sklaverei; diese Bewegung hatte auch Schwesterbewegungen im Vereinigten Königreich und Frankreich und führte zur Abschaffung der Sklaverei im Abendland (nicht aber im Morgenland, wo sie sich bis 1920 hielt und noch heute vom Islam religiös legitimiert wird).
Das dritte Awakening war eine religiös-soziale Bewegung, die sich gegen den Monopolkapitalismus, soziale Verwahrlosung und Massenverarmung, Prostitution, Alkoholismus und für das Frauenwahlrecht einsetzte. Sie war wie die beiden ersten Awakenings eine Bewegung der WASPs (white anglo-saxon protestants) und ging von der Überlegenheit der weißen Rasse aus. Das vierte Awakening der 1950er und 1960er Jahre war wie das dritte religiös-sozial ausgerichtet, die Bewegung setzte sich erfolgreich für eine Abschaffung der staatlichen Segregation zwischen den Rassen ein, dann ging aus ihr die Anti-Vietnamkriegsbewegung hervor. Diese Bewegung beeinflusste stark die 1968er Bewegung und brachte in Amerika die New Left hervor. Dies war das letzte religiöse Awakening. Denn auch in den USA setzte eine Säkularisierungsbewegung ein, die aber erst nach dem zweiten Weltkrieg langsam eine Wirkung entfalten konnte; die 200-Jahr-Feier der Gründung der USA 1976 war noch zutiefst religiös geprägt.
Dem vierten Awakening folgte das Fifth Awakening, das nun einem Höhepunkt entgegenzustreben scheint. Ähnlich wie das zweite, dritte und vierte Awakening ist es eine soziale Bewegung, die eine moralische Verbesserung der Gesellschaft zum Ziel hat. Dabei sollen staatliche Institutionen Gleichheit zwischen den Menschen herstellen und erstmals – im Vergleich zu den ersten vier Awakenings – die Umwelt vor der Zerstörung durch den Menschen gerettet werden.
Das fünfte Awakening ist nicht religiös, sondern säkular, doch hat es strukturelle Ähnlichkeiten mit den anderen Awakenings und gewinnt seinen Schwung aus den kulturellen Quellen der säkularen Reste des US-Protestantismus. Es hat folgende Ziele:
- Staatliche Herstellung der materiellen und partizipativen Gleichheit aller Menschen, insbesondere im Interesse der Frauen, nichtweißer Einwanderer und aller Menschen, die sich aufgrund ethnischer Herkunft, Religion oder sexueller Orientierung einer Minderheit zurechnen lassen.
- Korrektur der globalen Erwärmung und Umweltschutz
- Emanzipation der Menschen von ihrem biologischen Dasein (Recht auf Abtreibung, Förderung von Geschlechtsumwandlung, “freie Wahl” des Geschlechts)
- Förderung von Einwanderung und multikultureller Gesellschaft
- Seit neuestem: Offensiver (medizinisch sinnloser) “Gesundheitsschutz” für Menschen am Ende ihres Lebens (COVID-Mode)
Diese Ziele werden mit post-religiösem Pathos und Eifer vorgetragen. Die wichtigsten Vertreter der New Left sind im Wesentlichen säkularisierte Eiferer, die den Glauben an Gott durch den Glauben an den Menschen ersetzt haben. Gott ist nun, wie Husserl sagt, nur noch der “unendlich ferne Mensch”. Dies bedeutet, dass alle Menschen in materieller Hinsicht gleich gemacht werden können und müssen. Macht soll durch den “herrschaftsfeien Diskurs” ersetzt werden. Dies, so sagt man uns, sei zwar weder in der Vergangenheit noch in der Gegenwart geschehen, doch werde es bald kommen, es sei nur eine Frage der richtigen Institutionen, Gesetze und Erziehung. Der bisherige Kommunismus habe es nur nicht richtig gemacht, jetzt wisse man aber endlich, wie es zu tun sein. Die Ziele des Fifth Awakening sollen daher mit den folgenden Maßnahmen durchgesetzt werden:
- Verstärkung des Aktionsradius des Staates auf Kosten bürgerlicher Freiheit mit dem Ziel der Steuerung und Überwachung des gesamten Lebens der Einzelnen durch den Staat
- Public-Private-Partnership (PPP) des Staates mit Großkonzernen der Internet Economy und deren Geschäftspartner (Einzelhandelsoligopolisten wie Walmart oder Amazon, ein Zwitterkonzern aus Old- und Internet-Economy)
- Einschränkung der Meinungsfreiheit zur Unterdrückung liberaler oder konservativer Meinungen, in den 1980er und 1990er Jahren zunächst nur durch Politicial Correctness, seit den 2000er Jahren auch durch offensive Sprachverbote, Cancel Culture und wirtschaftlich-soziale Ächtung, seit den 2010er Jahren durch Sperrung in Social Media.
Die Ziele der New Left sind so unerreichbar wie die Schaffung des Himmelreichs auf Erden durch die Wiedertäufer in Münster. Vielmehr sind sie allesamt sozialkonstruktivistisch, megaloman und undurchführbar. Menschen sind von Natur aus unterschiedlich, darauf beruht der evolutionäre Erfolg unserer Spezies. Der Versuch, alle gleich zu machen, führt zu Gewalt und Gulag und ist mit einer Hochkultur nicht vereinbar. Er wird auch gar nicht ernsthaft unternommen, sondern in allen kollektivistischen Herrschaftsformen ist Gleichheit nur ein Vorwand für die totale Macht der kollektivistischen Oligarchie – wie das ZK der KPdSU oder der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongress der KP in China. Der Mensch kann auch den natürlichen Klimawandel nicht stoppen, wohl kann er aber aufhören, wertvolle Kohlenwasserstoffe sinnlos zu verbrennen. Auch kann der Mensch seine biologischen Grenzen nicht überschreiten oder auf dem Reißbrett eine multikulturelle Gesellschaft entwerfen und dann “umsetzen”.
Mit Joe Biden kommt nun ein Politiker in das Amt des Präsidenten, dessen Positionen als Politiker, bei Abstimmungen oder im Wahlkampf eine hohe Übereinstimmung mit dem Programm des Fifth Awakening aufweisen, wie jedermann durch Lektüre der verlinkten Seite prüfen kann. Biden setzt sich für identity politics ein, das ist ein neosozialistisches Programm zur Erzwingung der Gleichheit aller Menschen. Er ist auch für Migration, Energiewende, Recht auf Abtreibung und harte COVID-Maßnahmen. Nichts davon wird das Leben der Menschen in den USA besser, gerechter, gleicher oder angenehmer machen, sondern die Umsetzung des Programms führt zur Spaltung der Gesellschaft in verschiedene vom Staat privilegierte Minderheitengruppen, zur Vergrößerung der Macht und des Reichtums von Internetkonzernen über das PPP, zum Verlust von Freiheit und Rechtssicherheit und zur Gesinnungsdiktatur. De facto haben die USA schon heute eine “thought police” (Orwell, "1984"), die darüber wacht, dass nur New-Left-Gesinnungsinhalte öffentlich geäußert werden können. In den Sozialen Medien, den Schulen und Universitäten und auch in den klassischen Medien besteht kaum noch Freiheit der Rede. In den Social Media wird die Meinungsfreiheit durch Sperrung und Zensur unterdrückt, an den Schulen und Unis durch Silencing (schlechte Noten für falsche Meinung, disziplinarische Maßnahmen), Überbrüllen und Gewalt, in den klassischen Medien durch cancel culture, Selbstzensur und Ächtung erreicht.
Wir werden sehen, wie sehr Biden und Vizepräsidentin Harris mit ihren Mehrheiten in Kongress und Senat gehen werden, um das Fifth Awakening, das seit Jahrzehnten die US-Politik mitbestimmt, weiterzutreiben und zu beschleunigen. Es ist vollkommen unklar, wie weit die Demokraten diese Agenda mittragen werden – denn diese Partei besteht nicht nur aus linksradikalen Fanatikern wie Nancy Pelosi oder der links-muslimischen Aktivistin Ilhan Omar. Es ist immer noch eine heterogene Volkspartei, die sich auch der ganz normalen schweigenden Mehrheit der hart arbeitenden Leute, die Steuern zahlen und Kinder großziehen, verpflichtet fühlt. Man darf gespannt sein, wie weit sich die Fanatiker durchsetzen und wie der schuftende Joe Sixpack darauf reagieren wird.