Gastautor / 28.12.2019 / 14:00 / Foto: Bildarchiv Pieterman / 18 / Seite ausdrucken

Glyphosat: Der Hype mit dem Urinalarm

Von Bill Wirtz.

Wenn Sie noch nie von „Glyphosat-Pinklern" gehört haben, dann erwartet Sie bei einem Blick in die aktuellen Ausgaben französischer Zeitungen eine wilde Lesereise. Seit April 2018 haben 6.000 Landwirte Glyphosat in ihrem Urin „gefunden“, das über dem Grenzwert für Trinkwasser liegt. Dieser ist auf 0,1 Mikrogramm pro Liter festgelegt. „Nur drei Teilnehmer lagen unter diesem Wert", sagte ein 66-jähriger Umweltaktivist der französischen Zeitung Libération. Diese Aktivisten haben die französischen Bauern davon überzeugt, dass durch das Verklagen von Pestizidproduzenten möglicherweise viel Geld zu holen ist. Nichts scheint attraktiver sein, als zu versuchen, Millionen Euro an Schadenersatz zu kassieren, wie es in den Vereinigten Staaten bereits passiert ist.

Über 1.500 Beschwerden über „Glyphosatpisse" wurden wegen „Gefährdung des Lebens anderer", „Täuschung" und „Umweltschäden" eingereicht. Die französische Kampagnengruppe Campagne glyphosate behauptet auf ihrer Website, dass 100 Prozent der Tests positiv ausgefallen seien. Überhaupt kein Risiko, liebe Bauern, unterschreiben Sie einfach hier! Die Kosten für den Test und die Beschwerdeeinreichung belaufen sich auf 135 Euro.

Bei den 100 Prozent müssten eigentlich die Alarmglocken läuten, denn neu ist diese Zahl nicht. Zumindest nicht für Deutsche. Im Juni 2015 ließen die deutschen Grünen 16 Proben von Muttermilch in Deutschland analysieren, mit 100 Prozent positiven Ergebnissen auf Glyphosat. Die Geschichte wurde mithilfe der Medien groß aufgemacht und löste bei stillenden Müttern große Verunsicherung aus. Kurz darauf wurden im Rahmen der Kampagne „Urinale" der Bürgerinitiative Landwende 2.000 Urinproben von deutschen Bürgern analysiert. Diesmal waren 99,6 Prozent der Ergebnisse positiv.

Tests sind schlussendlich Tests, oder?

Im Mai 2016 ließ die Fraktion der Grünen im Europäischen Parlament den Urin von 48 Mitgliedern des Europäischen Parlaments testen, ebenfalls mit 100 Prozent positiven Ergebnissen. Im März 2017 wurden 27 Urinproben von dänischen Müttern und Kindern analysiert, auch hier wieder mit 100 Prozent positiven Ergebnissen.

An den aktuellen Tests ist BioCheck, das 1997 von Monika Krüger mitgegründete Forschungslabor mit Sitz in Deutschland, maßgeblich beteiligt. Frau Krüger selbst ist eine Anti-Pestizid-Aktivistin. Nicht unbedingt eine gute Voraussetzung für solide und objektive Forschungsarbeit. Aber gut, Tests sind schlussendlich Tests, oder? Nicht ganz.

Nehmen wir die 16 Proben von Muttermilch, die zu 100 Prozent kontaminiert waren. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) bestätigte, dass es keinerlei Beweise dafür gibt, dass Glyphosatrückstände in der Muttermilch über den gesetzlichen Grenzwerten liegen. Die beiden vom BfR in Auftrag gegebenen unabhängigen Studien wurden in einem Artikel für das Journal of Agricultural and Food Chemistry zusammengefasst. Sie verwendeten die Flüssigkeitschromatographie in Verbindung mit der Massenspektrometrie (LC-MS/MS) oder die Gaschromatographie in Verbindung mit der Massenspektrometrie (GC-MS/MS) – Verfahren, die nach Angaben des BfR zehnmal vertrauenswürdiger sind als Standardtests zum Nachweis von Pestiziden und 75-mal vertrauenswürdiger als die von BioCheck.

BioCheck hatte einen ELISA-Test eingesetzt, um zu seinen Schlussfolgerungen zu kommen. Dieser enzymgebundene Immunosorbent-Assay ist ein Test, der Antikörper in Ihrem Blut nachweist und misst. Dem Bundesinstitut für Risikobewertung zufolge sei der Nachweis von Glyphosat an sich ein grundlegend kompliziertes Unterfangen und ELISA dafür kein geeigneter Weg sei. Marcel Kuntz, Forschungsdirektor am CNRS (Centre national de la recherche scientifique) in Grenoble, sieht in ELISA ebenso wenig einen genauen Test zum Nachweis von Pestiziden.

Perversion wissenschaftlicher Methoden

Deshalb hat BioCheck wahrscheinlich nur 75 Euro für ihre Urintests berechnet. Man bekommt immer das, wofür man zahlt. Schlagzeilen über gefährliche Milch oder allgemein gefährliches Essen wurden bereits geschrieben und veröffentlicht, ohne Korrektur. Wo liegt dann jetzt noch das Problem? Fakt ist: Wir haben es mit einer gründlichen Perversion wissenschaftlicher Methoden zu tun. Die Tests dienen hier nur zu Propagandazwecken. Was die Aktivisten den Bauern wohl auch verschwiegen haben: Der Grenzwert für Trinkwasser liegt sehr viel niedriger als die Grenzwerte für die unbedenkliche Aufnahme von Pestiziden.

Als in Deutschland versucht wurde, Mütter durch den Nachweis von Glyphosat in Muttermilch in Panik zu versetzen, zeigte sich, dass ein vier Kilogramm schwerer Säugling der am stärksten belasteten deutschen Mutter 2.778 Liter Muttermilch pro Tag trinken müsste, um den Grenzwert zu überschreiten. Hätte man den Grenzwert der Weltgesundheitsorganisation genommen, wären es sogar 9.260 und beim US-Grenzwert 16.200 Liter. In den USA liegt der Grenzwert für Trinkwasser aus diesem Grund 7.000-mal höher als in der EU.

Tatsächlich würde man mit sehr aufwändigen und entsprechend leistungsfähigen Tests tatsächlich Glyphosatspuren im Urin französischer Bauern nachweisen können. Einfach deshalb, weil man mit diesen extrem empfindlichen Methoden überall auf der Welt Glyphosatspuren nachweisen kann. Da wir mit der Nahrung sehr geringe Mengen Glyphosat aufnehmen, scheiden wir es mit dem Urin (glücklicherweise) auch wieder aus. Nur sagt das rein gar nichts über eine Gesundheitsgefährdung aus.

Wir wissen, dass Glyphosat ungefährlich ist: Wenn wir uns die wissenschaftliche Literatur ansehen, stellen wir fest, dass es sich um ein Herbizid handelt, das sicher zu verwenden und für die moderne Landwirtschaft notwendig ist. Horrorgeschichten über „giftige Rückstände" in unserem Körper sollen Angst und Misstrauen hervorrufen, leider mit großem Erfolg. Viele Staaten geben dem Druck nach und haben entsprechende Produkte verboten. Für diese Aktivisten ist es nicht von Interesse, verlässlichere Tests mit Bezug auf gesundheitsrelevante Grenzwerte in Betracht zu ziehen. Ihnen geht es nur darum, Stimmung zu machen, weil sie damit vor Gericht Klagen gewinnen und die Öffentlichkeit für ihre unwissenschaftlichen Ansichten begeistern können. Das ist eine Schande.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

 

Bill Wirtz arbeitet als Policy Analyst für das Consumer Choice Center. Er betreibt einen mehrsprachigen Blog.

Foto: Bildarchiv Pieterman

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Rudhart M. H. / 28.12.2019

Niemand muß Glyphosat verwenden, denn man kann durchaus auch Unkraut mechanisch bekämpfen. Mit der Hacke nämlich! Das ist auch der Grund, warum manche Gewächse Hackfrüchte heißen, weiß bloß keiner mehr. Aber früher war es gang und gäbe , daß ganze Heerscharen von hackenden Hilfskräften mehrmals in der Saison über die Felder zogen und die Hacke schwangen, zwischendurch kann man auch mal mit dem Traktor oder Geräteträger grubbern, aber ansonsten war das bitteschön Handarbeit. Schwere und meist bei allen Wettern auch anstrengende Arbeit , von deren Qualität nicht zuletzt der Ertrag abhing. Vielleicht könnte man den einen oder anderen Ungelernten , oder den einen oder anderen Analphabeten wieder mit einfacher Arbeit in Lohn und Brot bringen ? Und vielleicht ließe sich so ganz nebenbei auch der Naturschutz besser durchsetzen und der Kostenaufwand auch noch reduzieren? Man muß bloß wollen !! Ihr Pappnasen !! Und wenn sich rumspricht , daß man wegen mangelnder Qualifikation auf’s Feld muß , kommt keiner mehr ohne Papiere hier an . Da bin ich mir sehr sicher sogar.

Robert Krüger / 28.12.2019

Ich bin erstaunt über diesen Artikel. Für mich ist eines klar, Glyphosat, Herbizide, Fungizide, Pestizide haben im menschlichen Körper (auch im tierischen…) nichts zu suchen. Des weiteren möchte ich wiedersprechen, denn eine Landwirtschaft ohne Glyphosat oder andere Unkrautvernichtungsmittel ist möglich (ich bin Landwirt).

Andreas Bitz / 28.12.2019

Für Grün-links…: Wer ist der flächen- und mengenmäßig größte Glyphosphatverbraucher? Genau jene Bahn, die nun mit MwSt-Nachlass subventioniert wird.

Wilfried Cremer / 28.12.2019

Das Sich-Weiden an der Panik anderer ist die Ersatzbefriedigung für eine ganz spezielle Sorte sexuell Gestörter, allgemein gesagt ein Output der Idee der sogenannten freien Liebe.

Rudolf Dietze / 28.12.2019

Mit den Unkrautvernichtern ist es nicht so einfach. Unsere LPG experimentierte in den 70er mit amerikanischen Herbiziden. Die Folge waren absolut unkrautfreie Wiesen. Es wuchs gut. Das Heu wurde verfüttert, die Milch??.  Der entstehende Mist wurde zur Düngung ausgebracht und auf den mit diesen Mist gedüngten Flächen wuchs nur noch Gras. Es gab also mehrjährige Langzeitwirkungen. Welches Mittel damals probiert wurde? Vor zwanzig Jahren erhielt ich ein Medikament gegen Herzrythmusstörung . Die Tablette war so groß wie eine Streichholzkuppe. Davon sollte ich die Hälfte nehmen. Diese winzige Menge hatte ein starke Wirkung. Ich musste eine Stunde nach Einahme zur Seite fahren und eine viertelstunde Schlafen. Meine Ärztin gab mir dann etwas anderes. Seitdem habe ich auch Respekt vor kleinsten Mengen chemischer Stoffe. Ich gehe viel mit mir bekanten Gefahrstoffen um. Glyphosat, ich hoffe es ist gut erforscht.

Heinz Gerhard Schäfer / 28.12.2019

Sehr geehrter Herr Wirtz, habe anlässlich Ihres Artikels gerade meinen Urin untersucht! Neben geringen Mengen an Carbonyldiamid fand ich erhebliche Rückstände des Reinigungsmittels Dihydrogenmonoxid (DHMO) gelöst in Wasserstofflauge. Nun bin ich nicht vom Fach und werde diesbezüglich einmal unsere Ärzte und Chemiker in diesem Blog fragen! Ich hoffe, dass meine restliche Lebenserwartung noch für das Jahr 2020 (mit dieser Schadstoffbelastung reicht) und wünsche Achgut und allen Lesern ein frohes und erfolgreiches Neues Jahr!

Bernhard Freiling / 28.12.2019

Ob es hier ausschließlich ums Geschäft geht? 1500 Tests und Beschwerdeeinreichungen = rd. 200.000 € Umsatz.  Sind dem Verein vielleicht auch noch einige Anwälte angeschlossen die völlig selbstlos bereit sind, für vergleichsweise kleines Geld Sammelklagen einzureichen? Tolles Geschäftsmodell. Ob es da schon Kooperationsgespräche mit der DUH gibt? +++ Möglicher Weise sind die Nasen der Bauern durch die ganze Gülleausbringung schon so in Mitleidenschaft gezogen, daß die gar nicht mehr mitbekommen, wenn eine Sache wirklich stinkt.

toni Keller / 28.12.2019

Wir sind mittlerweile soweit dass wir das lebensnotwendige CO2 als “Umweltgift” bezeichnen und alle Welt das auch glaubt! Daher 1. die Dosis macht das Gift, 2. kann man ja bekanntlich auch ertrinken, woran man sieht wie gefährlich das Wasser ist, 3. es würde mich nicht wunderen, wenn demnächst Meldungen auftauchen “giftiges Wasser im Urin gefunden” oder giftiges Mineralwasser (Kohlensäure) muss aus dem Verkehr gezogen werden. Wobei an der Abschaffung des Verkehrs wird ja fleißigst gearbeitet! Ich fürchte das wird ein ganz grausiges 2020! 1. der Strom ist schon teurer geworden 2. der Spritpreis wird auch steigen 3. das Tempolimit wird kommen und dann wird man feststellen, was jeder weiß, dass die Staus nicht von den Rasern kommen, sondern davon, dass wir der dichtsbesiedelte Flächenstaat in Europa sind, der immer dichter besiedelt wird, nach dem Willen unserer Politiker, Medien und Kirchenleute. 4. das ganz schlimme ist, dass die Deutschen jeden Irrsinn bis zum bitteren Ende durchziehen und da helfen auch nicht die vielen, vielen Zuwanderer seit 1945! Im Gegenteil!

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