Gabor Steingart, Gastautor / 20.12.2016 / 08:55 / 6 / Seite ausdrucken

Glück in Zeiten des Unglücks ist, wenn man zur richtigen Zeit auf dem falschen Weihnachtsmarkt ist

Von Gabor Steingart.

Aus Berlin erreichen uns Bilder großer Düsternis. Ein schwarzer Laster rast in den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche. Zerfetze Stände, zermalmte Menschen, Polizeisirenen, wo eben noch Weihnachtslieder gespielt wurden. 12 Tote sind am Ende dieser Nacht zu beklagen - und 48 Verletzte. „Unsere Ermittler gehen davon aus, dass der LKW vorsätzlich in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz gesteuert wurde“, teilte die Berliner Polizei soeben über Twitter mit. 

Damit reiht sich das Ereignis ein in die weltweite Serie des Unheils. In immer kürzerer Abfolge werden seit längerem schon mit tonloser Stimme die Sprechzettel der Betroffenheit verlesen. Man trauere mit den Angehörigen, man verurteile die Tat, man werde alles tun, um aufzuklären. Die Orte wechseln, die Ratlosigkeit bleibt. 

Die neue Normalität ist keine, an die man sich je wird gewöhnen können. Was sind festlich geschmückte Weihnachtsbäume noch wert, wenn unter den Zweigen nicht Geschenke, sondern Tote liegen? Ab dem wievielten Anschlag beginnt der Krieg? Sind wir noch Zuschauer oder schon Partei? 

An sonnigeren Tagen eint uns das Wissen, dass die Geschichte der Menschheit eine Fortschrittsgeschichte ist. Auch in diesen schicksalhaften Stunden, in denen in Ankara ein Botschafter seinen Schussverletzungen erliegt und in Berlin ein Weihnachtsmarkt angegriffen wird, sind wir zur Zuversicht verdammt. Doch wir erleben hautnah, dass der Weg zum Licht zuweilen durch höhlenartige Katakomben führt. Hier unten singt man keine Kirchenlieder.

Der Anschlag auf den Berliner Weihnachtsmarkt an der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wird so zum Wahrzeichen einer neuen Zivilisationsfinsternis: Im Schatten des alten Wahnsinns wächst der neue. Neben der Turmruine, die vom Bomberkrieg über Berlin erzählt, befindet sich ein LKW, der offenbar kaltblütig in ein Mordinstrument verwandelt wurde. 

Und die Regierung? Kauft Drohnen und neue Kampfflugzeuge, nicht um den Terrorismus, sondern um die eigenen Ohnmachtsgefühle zu bekämpfen. Man will uns beeindrucken, nicht die Täter. Denn die laufen zwischen den Fronten hin und her wie die Eichhörnchen im Stadtpark. Wem der Bau einer Rucksackbombe zu kompliziert ist, setzt sich ins Führerhaus eines Lastwagens. Der Krieg ist disruptiv geworden, die Regierung nicht. 

Die Zündschnur brennt, sie schlängelt sich von Aleppo über Nizza bis zum Berliner Breitscheidplatz – und wir wissen nicht, ob sich eine politische Kraft findet, sie rechtzeitig auszutreten. Wir schaffen es derzeit noch nicht einmal, die Vielzahl der Täter und Motive zu entwirren. Viele haben das Gefühl, Zuschauer der eigenen Biografie zu sein. Glück in Zeiten des Unglücks ist, wenn man zur richtigen Zeit auf dem falschen Weihnachtsmarkt ist. 

Die Kerze der Zuversicht ist gestern Abend nicht erloschen. Aber sie hat zu flackern begonnen.

Zuerst erschienen in Gabor Steingarts Morning-Briefing. Das Handelsblatt Morning Briefing gibts  hier .
 

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Leserpost

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Paul Meister / 20.12.2016

Schön geschrieben doch am Schluss warte ich wie gewohnt auf einen konkreten Lösungsvorschlag. Der Regierung vorwerfen ewas sie falsch macht aber nicht zu wissen, wie man es richtig machen könnte ist ein bisschen zu billig.

G. Moeller / 20.12.2016

Lösung: Grenzen dicht (geht auf jeden Fall), Durchforsten sämtlicher Asyl- und Parallelgesellschaften mit massivem Polizei und ggf. Armeeaufgebot. Durchsetzung (und ggf. Anpassung) der bestehenden Gesetze zu Asyl und Abschiebung. Permanente Kontrolle von Asylbewerbern, kein Einlass für Leute ohne gültigen Pass, Fingerbdrücke und Augenscan (ggf. auch DNA) für alle Flüchtlinge, auch für die, die schon hier sind und ” schon länger hier (in Parallelgesellschaften) leben”. Konsequente Abschiebungen in relevanten Größenordnungen. Kontrolle der Moscheen und der Inhalte der Gebete. Prüfung der Vereinbarkeit von Koran und Grundgesetz durch das Bundesverfassungsgericht. Einfach mal Kante zeigen und sehen was passiert. In Afrika nicht die korrupten Regierungen unterstützen, sondern einfache Leute mit Minikrediten. Diese schützen vor westlicher Konkurrenz bis sie selbst konkurrenzfähig sind. Und endlich wieder offene Diskussion in den Ö. R. Medien in Deutschland. Ach ja, 2017 die richtige Wahl treffen, sonst ist das alles Utopie.

Fanny Brömmer / 20.12.2016

“Damit reiht sich das Ereignis ein in die weltweite Serie des Unheils.” Nennen Sie das Kind doch deutlich beim Namen! Der ANSCHLAG reiht sich ein in die seit Jahrzehnten laufende weltweite Serie islamischen Terrors gegen Nicht - Moslems.

Klaus Metzger / 20.12.2016

13 Tote! Oder zählt der ermordete polnische Fahrer nicht?

Thomas Schlosser / 20.12.2016

Herr Steingart, wenn Sie ernsthaft immer noch nach den Motiven für die Mörder von Berlin, Nizza, Brüssel, Paris, London, Madrid, New York, Washington usw. usw. usw. suchen, dann empfehle ich Ihnen dringend die Lektüre eines Korans. Dort werden Sie fündig, glauben Sie mir….

Marko Werner / 20.12.2016

“Ratlos” ist nur das Establishment und seine politkorrekten Mitläufer,

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