Johannes Eisleben / 24.07.2020 / 06:27 / Foto: Armin Linnarz / 113 / Seite ausdrucken

Gipfel des Schuldenwahns

Der sogenannte “Europäische Rat”, das Gremium der Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsländer, hat diese Woche das EU-Budget für 2021–2027 auf 1.074 Milliarden Euro festgelegt und einen “Aufbaufonds” von 750 Milliarden Euro beschlossen. Eindeutig befindet sich die EU in einem Zustand des Schuldenwahns. Warum?

Budget

Trotz des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU, das vor dem Brexit 15 Prozent zur EU-Wirtschaftsleistung beitrug, liegt das neue Budget ohne UK nun um knapp 12 Prozent höher als das letzte Budget. Rechnet man UK aus dem letzten Budget 2014–2020 raus, liegt die Steigerung des Budgets bei über 30 Prozent. Das ist ungeheuer viel, denn bis zu der Krise, die die Regierungen durch ihre Notstandsverordnungen zur Bekämpfung einer überbewerteten Covid-19-Gefahr selbst auslösten, wollten zahlreiche Staaten das Budget sogar senken, um dem Austritt Großbritanniens Rechnung zu tragen.

Wofür wird das Geld verwendet? Die Mittel sollen zu knapp 70 Prozent etwa je zur Hälfte für die sogenannte “Kohäsion” und für Agrarsubventionen ausgegeben werden. Von diesen Mitteln profitieren während der sieben Jahre des Finanzrahmens vor allem süd- und osteuropäische Nehmerländer, darunter auch Frankreich. Es handelt sich bei den Kohäsionszahlungen im Wesentlichen um Transferleistungen und Subventionen, die wirtschaftlich schwache Regionen stärken und zu einer Konvergenz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit führen sollen.

Dies hat in der Geschichte der EU genauso wenig Erfolg gehabt wie alle anderen chronischen Transferleistungen. Sie führen eher dazu, dass sich eine Nehmermentalität etabliert, wie man es beispielsweise in Süditalien, Griechenland oder der Wallonie beobachten kann. Wirtschaftliche Konvergenz erzeugen sie nicht, das beweisen die massiven Handelsbilanzungleichgewichte zwischen den Ländern mit Export- und denen mit Importüberschüssen in der EU: Obwohl die Nehmerländer seit Jahrzenten Transferleistungen erhalten, importieren sie nach wie vor weitaus mehr, als sie exportieren, und haben oftmals nach wie vor eine geringere Produktivität und höhere Lohnstückkosten als die Geberländer. Aus der Volkswirtschaftslehre ist bekannt, dass Subventionen zu Fehlallokationen von Mitteln führen und die Effizienz der Volkswirtschaft absenken.

Doch sind diese Transferleistungen und die Agrarsubventionen essenziell für den Erhalt der EU – ohne sie könnten die Regierungen Süd- und Osteuropas den Verbleib in der EU ihren Bürgern nicht verkaufen, und deren nationale Parlamente würde den neuen EU-Haushalt ablehnen. Daher spiegelt das nun beschlossene Budget (abgesehen von der massiven Steigerung) wider, was die EU schon lange ist: ein Transferclub, der die Leistungsfähigkeit der Mitgliedsländer schwächt. Die Geberländer sind bisher noch für die Subventionen zu haben, weil dadurch indirekt und auf Kosten ihrer Steuerzahler ihre Exportüberschüsse subventioniert werden. Die daraus resultierenden Gewinne thesaurieren die Eigentümer der Exportunternehmen auf Kosten aller anderen Bürger.

Aufbaufonds

Der sogenannte Aufbaufonds von 750 Milliarden Euro ist eine weitere Ergänzung der Transferunion, die durch das eigenmächtige Handeln der EZB bereits über deren Geldpolitik ein riesenhaftes Ausmaß von mehreren Billionen Euro erreicht hat. Die Mittel sollen zu 390 Milliarden Euro als Transferschenkung und zu 360 Milliarden als bis 2058 (ja, Sie haben richtig gelesen: zweitausendachtundfünfzig) zurückzahlbare “Darlehen” vergeben werden. Hauptnehmer der Mittel sind Italien, Spanien, Polen, Ungarn und weitere ost- und lateineuropäische Nehmerländer, darunter auch Frankreich. De facto sind die Mittel reine Schenkungen, denn dass der Kreditanteil eines Tages zurückgezahlt wird, das glaubt ernsthaft niemand, wenn man sich die Entwicklung der lateineuropäischen Staatsschulden anschaut. Die Bezeichnung als "Darlehen" ist daher reine Propaganda. Anders als die verdeckte Transferunion der EZB sind die 750 Milliarden ein unverblümter Transferfonds, womit in der EU ein sehr gefährlicher Präzedenzfall geschaffen wird. Denn der Fonds soll durch gemeinsame Schuldenaufnahme an den Kapitalmärkten finanziert werden, was bedeutet, dass die noch gute Bonität der Geberländer verwendet werden soll, um erträgliche Konditionen zu erhalten. Die Tilgung der Schulden soll durch neue vergemeinschaftete EU-weite Steuern erfolgen, was einen weiteren Schritt in die Schaffung eines Supranationalstaats mit eigener Steuerhoheit bedeutet.

Selbstverständlich werden die Transferleistungen im Aufbaufonds verpuffen und wie die bisher über die vergangenen EU-Etats und die EZB umverteilten Billionen zu keiner Konvergenz der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in der EU führen. Vielmehr zementieren sie veraltete und der Nachfrage nicht angemessene Strukturen, wie man beispielsweise daran sieht, dass kein europäischer Technologiekonzern die G5-Netzinfrastruktur liefern zu können scheint. Sie führen nur dazu, dass die Nehmerländer weiter abgehängt werden und die Geberländer sich damit (und mit dem schwachen Euro) Exporte mit stagnierender Technologie erkaufen, in ihrer Innovationskraft nachlassen und gegenüber Asien an Wettbewerbsfähigkeit verlieren.

Dass der Nexus von Mittelvergabe und Zwang zur “Rechtsstaatlichkeit” aufgehoben wurde, was Vertreter des EU-Parlaments und Mainstreammedien unisono beklagen, ist angesichts des chronischen staatlichen Rechtsbruchs in der Eurogruppe, des illegitimen Entzugs von nationaler Souveränität und des legitimen Beharrens der osteuropäischen Ländern auf nationalstaatlicher Rechtsstaatlichkeit schwer zu fassen.

Der neue Feudalkapitalismus und die Legitimität der EU

Was wir unter der Führung Macrons und Merkels erleben, ist die Entwicklung eines supranationalen Feudalkapitalismus, der, grob skizziert, wie folgt aussieht: Das globale Eigentum wird auf einen immer kleineren Teil an Menschen konzentriert, die globale Eigentumselite. Großkonzerne erhalten einen immer größeren Anteil an der Wirtschaftsleistung und den vorhandenen Arbeitsplätzen. Der Anteil selbstständiger Berufe und von kleinen und mittleren, eigentümergeführten Unternehmen wird immer weiter reduziert. Die nationale politische Willensbildung und die Rechtsstaatlichkeit werden zurückgedrängt. Die innere Sicherheit wird vernachlässigt oder (wie etwa in den USA durch die Demokraten oder in Berlin durch die sozialistische Landesregierung) offensiv abgebaut. Migration wird forciert, dadurch wird die nationale politische Willensbildung unterminiert. Die Gesetzgebung wird auf transnationale Gebilde mit wenig Legitimität verlagert und dort perfekt auf die Bedürfnisse der globalen Eigentumselite und ihrer Großunternehmen zugeschnitten. 85 Prozent der Bevölkerung wird ökonomisch abgehängt, hat kein nennenswertes Eigentum und die unteren 50 bis 60 Prozent haben nicht mal ein Gehalt, das die Ernährung einer vier- bis fünfköpfigen Kleinfamilie zulässt: Das sind die neuen Heloten des Feudalkapitalismus. Die demokratische Öffentlichkeit wird erstickt, die Medien sind gleichgeschaltet und Kritik am globalen Feudalkapitalismus und seiner absurden Ideologie, die einen Hohn auf die Ideale der Aufklärung darstellt, wird durch Existenzvernichtung massiv geahndet, der Feudalkapitalismus wird als humanistische Errungenschaft gefeiert.

Vor diesem Hintergrund ist die Schuldentransferunion, die nun mit dem Aufbaufonds eine neues Zwischenhoch erreicht – denn es wird noch viel schlimmer kommen – ein willkommenes Mittel zur Absicherung des Zusammenhalts der EU als eines wichtigen Instruments zur Begleitung der Vertiefung des globalen Feudalkapitalismus.

Selbstverständlich erodiert dies die Legitimität der EU dabei weiter. Wie lange wird sie noch halten? So lange, bis es den Menschen in Frankreich und Deutschland, den wesentlichen Treibern des EU-Feudalkapitalismus, derart schlecht geht, dass sie sich Parlamente und Regierungschefs wählen, die dem ein Ende setzen. Man darf gespannt sein, wie lange das noch dauert und wie sich das Establishment dagegen zur Wehr setzen wird. Das Aussetzen der Grundrechte und der Entzug des Schutzes durch den Ordnungsstaat werden ja derzeit schon einmal eingeübt.

Foto: Armin Linnartz CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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Wolfgang Richter / 24.07.2020

@ Karl Dreher- Aktuelle AfDler haben sicher auch heute viel Sinnvolles zur Tagespolitik, insbesondere der EUdSSR, zu verkünden. Sie kommen aber medial nicht mehr vor. Selbst verfassungsrechtlich erreichte Gerichtsentscheide gegen den “Merkelismus” sind nur noch mediale Randnotizen. Dafür wird fleißig medial gehetzt, wegen US-Wahl- und sog. Antirassismuskrampf zuerst einmal gegen Trump, dann gegen den genauso “blöden” Johnson. Wenn bei beiden kein Honig zu saugen ist, muß der Bolsonaro in die Schlagzeilen. Und der nicht anderweitig konsumierende Medienkonsument fällt drauf rein. Zumindest bleibt immer etwas hängen, so z.B. beim Corona-Dauer-Betreuungs-Thema. Wer die Zahlen im Überblick gestern bei Herrn Frank gelesen hat, kann dagegen feststellen, daß selbst unter den jeweils landesrypischen Besonderheiten selbige gar nicht so übel dastehen, wie sie hier medial dargestellt werden. Vom Spitzenreiter bei den statistisch aufbereiteten Todesfällen, “unserem” Nachbarn Belgien, wo der Lockdown rigoroser als sonst praktiziert wurde, medial dagegen kein Wort.

Christian Freund / 24.07.2020

Der Herr Eisleben hämmert uns die banalen Wahrheiten immer so schön emotionslos, kurz und unverblümt ein. Man hört förmlich das Schallen der Ohrfeige an den Wangen der Protagonisten dieser Politik.

Geert Aufderhaydn / 24.07.2020

Der Absatz “Was wir unter Führung Macrons und Merkels erleben . . . ff.” ist hinreichend und (fast) vollständig. Er wird ausgedruckt, vervielfältigt und an die verteilt, die eine gewisse Grundbildung haben, um es zu verstehen. Bringt zwar nichts, ist aber ein schönes Hobby und wird von denen dankbar quittiert, die schon seit längerem mit gewissen Zweifeln leben. Natürlich gilt grundsätzlich weiter: Intelligenz und Vernunft haben nichts, aber auch gar nichts miteinander zu tun. Die, die diese Botschaft nicht aufnehmen wollen, werden nicht das geringste Problem haben, sie zu ignorieren. In einem anderen Punkt, Herr Eisleben, wundere ich mich allerdings über Ihren Zeitplan, in dem Sie es offenbar noch für möglich halten, daß es in ein paar Jahren noch ausreichend biodeutsche Wähler gibt, die dem Treiben der Eurokratie und ihrer Helfer in D und F mit neuen Mehrheiten ein Ende setzen könnten. Exponentielle Entwicklungen, Herr Eisleben, exponentielle Entwicklungen!

G. Schilling / 24.07.2020

Wir hören immer “es wurde gekämpft und hart verhandelt”. Das Geld scheint doch eher nach dem Motto “wer will nochmal, wer hat noch nicht” verteilt zu werden. Spielt ja auch keine Rolle, es ist das Geld der anderen, und keiner der Politschauspieler trägt wirklich Verantwortung.

Thomas Kneiss / 24.07.2020

“Herr Ober! Bringse mal ``n bißchen Geld, ich will zahlen”. Damals ein netter Gag. Aber Sorgen mache ich mir ernsthaft, wie die nächste Krise finanziert werden soll.

Viethen Milan / 24.07.2020

Aehmmm Hr. Kauffmann, gilt Ihre Aussage auch fuer das Kaiserreich und 3. Reich ? Ich glaube, das sehen sogar Historiker differenzierter und der Juedische Zentralrat sowieso . Nachdenkliche Gruesse

Dr. Günter Crecelius / 24.07.2020

Vor ein paar Tagen wurde bei WDR 5 über das Hochwasserproblem in Venedig und über die angeblich im Endstadium befindliche Konstruktion eines Schutzbauwerkes berichtet. Interessant war die kurze Bemerkung, und damit der Bezug zum aktuellen Thema, daß die Finanzierung durch internationale Gelder nun im dritten Anlauf geglückt zu sein scheint, während die Mittel der beiden Vorgängerfinanzierungen, ebenfalls aus internationalen Quellen, auf unerklärliche Weise im italienischen Staatsapparat verschwunden waren und daher jahrzehntelang nichts für den Hochwasserschutz Venedigs getan wurde!

Axel Kracke / 24.07.2020

Ich befürchte, bei diesem Wahn ist der Gipfel noch lange nicht erreicht…

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