Gastautor / 16.04.2009 / 18:36 / / Seite ausdrucken

Gil Yaron: Vorspiel im Sinai

Die Bilder, die aus dem Sinai kommen, erinnern eher an einen Kriegsschauplatz als an ein Feriengebiet. Kampfhubschrauber suchen im Tiefflug den Wüstenboden nach Terroristen ab, schwer bewaffnete Elitesoldaten liefern sich Schusswechsel mit Islamisten. Doch es ist etwas Eigenartiges am öffentlichen Einsatz Kairos gegen die Hisbollah. Dass die pro-iranische Miliz die Hamas finanziert, ausbildet und rüstet ist seit Jahren bekannt, genau so wie der Umstand, dass ihre Agenten bisher fast ungehindert im Sinai operierten. Bisher hat Kairo dies zumindest geduldet. Laut eigenen Angaben haben die Ägypter die Zelle bereits im November entdeckt und teilweise verhaftet, warum also erst ein halbes Jahr später darüber berichten?

        Ägyptens Präsident Hosni Mubarak kämpft derzeit an zwei Fronten. Die Muslimbrüder im Inland werden zunehmend stärker, sein Regime unbeliebter. Die „neutrale“ Rolle, die Mubarak im Januar während Israels Krieg gegen die Hamas in Gaza spielte, macht ihn unbeliebt. Seine Entscheidung, die Grenzübergänge nach Gaza nicht zu öffnen, lässt ihn als israelischen Kollaborateur erscheinen. Insgeheim kann Mubarak sich keinen Erfolg der Islamisten wünschen, ist die Hamas doch ein wichtiger Bündnispartner der Muslimbrüder.

        Zum anderen ist Mubarak die Speerspitze der pragmatischen, pro-westlichen Regime im Nahen Osten. Ihr Kampf gegen einen zunehmend überheblichen Iran wird immer schwieriger, die offene Feindseligkeit zwischen beiden Lagern entbehrt bereits jeder diplomatischen Verhüllung. Sollte Kairo tatsächlich wie angekündigt Anklage gegen Nasrallah erheben, käme dies einer offenen Kriegserklärung gleich. Die polarisierten Massen sähen dies als Angriff eines amerikanischen und israelischen Lakaien gegen den beliebtesten Widerstandskämpfer und Politiker im arabischen Raum.

        Mitten in diese schwierige Lage platzt die Ankündigung der USA, Gespräche mit Teheran führen zu wollen. Dies schwächt Mubaraks anti-iranische Position. Wenn selbst Washington mit Teheran verhandelt, Politiker in London mit der Hisbollah sprechen, wenn der Westen bei den Mullahs zu Kreuze kriecht, wie können sich dann arabische Herrscher gegen ein islamisches Regime stellen?, fragt man im Nahen Osten.

        Der neue Propagandakrieg Ägyptens gegen Hisbollah ist ein Signal an die eigene Opposition und an Teheran, dass es trotz der Schwäche des Westens rote Linien gibt, die die Islamisten nicht überschreiten sollten. Falls sie ignoriert werden, könnte der Kriegszustand im Sinai nur das Vorspiel eines richtigen Krieg sein.

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