Peter Heller, Gastautor / 13.05.2017 / 06:10 / Foto: Endan / 0 / Seite ausdrucken

Gewusst wie: Ein Ratgeber für Verhinderungswähler

Die einen wählen aus echter Überzeugung. Andere machen ihr Kreuz bei den Kandidaten, die ihnen als Personen sympathisch sind und vertrauenswürdig erscheinen. Manche wiederum entscheiden sich nach reiflicher Überlegung nur zähneknirschend für das aus ihrer Sicht kleinste Übel. Wem das Angebot der etablierten Parteien insgesamt nicht zusagt, vermag dies durch Wahlabstinenz, durch eine ungültige oder eine Proteststimme zu verdeutlichen.

Und dann gibt es noch diejenigen, deren primäre, häufig einzige Motivation darin besteht, eine aus ihrer Sicht unerwünschte Regierungskonstellation zu vereiteln. Eine noch kleine Wählergruppe, deren Bedeutung aufgrund der Diversifizierung des deutschen Parteiensystems aber zunimmt. 

Diese Verhinderungswähler wollen nicht einer bestimmten Richtung zur Regierungsverantwortung verhelfen, sondern die Oppositionsrolle von ihnen abgelehnter Parteien sicherstellen. Gegenwärtig induzieren vor allem die Grünen mit ihrer oft als übergriffig empfundenen Volkserziehungsattitüde solche Ansätze, die sich in den sozialen Medien über den Hashtag #grüneversenken vernetzen.

Wie aber könnte das Kalkül der Verhinderungswähler für die kommende Bundestagswahl aussehen? Da das hiesige Wahlsystem keine Möglichkeit bietet, sich mit einer „Nein“-Stimme gegen eine bestimmte Partei auszusprechen, bleibt nur die taktische Wahl eines Wettbewerbers, mitunter sogar ohne Rücksicht auf eigene politische Überzeugungen.

Jeder Pfad jenseits der GroKo führt über die Grünen

Bezogen auf die Regierungsbildung in einem Parlament mit zwei großen und vier kleinen Fraktionen sind nach dem gegenwärtigen Stand der Umfragen zwei Prämissen formulierbar: Für die große Koalition langt es immer und gegen eine solche wird der Bundeskanzler nur in einer Konstellation aus drei Partnern gewählt werden können. Da niemand mit der AfD zusammenarbeiten möchte und weder Union noch FDP mit der Linken eine Koalition eingehen wollen, sind Viererbündnisse ohnehin auszuschließen und es verbleiben Jamaika (Union/FDP/Grüne), die Ampel (SPD/FDP/Grüne) und R2G (SPD/Linke/Grüne).

Jeder Pfad zu einer Mehrheit jenseits der GroKo führt über die Grünen. Wer also Union, SPD, Linke oder FDP wählt, kann sich nicht sicher sein, am Ende nicht doch den Grünen einen Weg zur Macht gebahnt zu haben.Tatsächlich verringert, aus rein mathematischen Erwägungen, nur eine Stimme für die AfD die Wahrscheinlichkeit einer Regierungsbeteiligung der "Ökopartei" zwingend.

Natürlich stützt der dadurch motivierte Verhinderungswähler indirekt die große Koalition aus Union und SPD, die als Option aber ohnehin nicht vermeidbar ist. Irgendeine Regierung wird und muss es schließlich geben. Da mag das geringste Übel vielleicht eine solche sein, in der drei nach ihrem Verständnis als Volksparteien anzusehende Vereinigungen (CDU, CSU und SPD) Kompromisse zum Ausgleich einer Vielfalt von Partikularinteressen schließen müssen, statt einer bestimmten Klientel absoluten Vorrang einräumen zu können.

Eine Machtperspektive haben die Blauen nicht

Außerdem ist aus der Perspektive des Verhinderungswählers die Unterstützung der AfD völlig risikolos. Denn ganz gleich, wie krude man deren Programm in bestimmten Aspekten finden mag: Eine Machtperspektive haben die Blauen nicht. 

Man kann diese Betrachtungsweise natürlich auf andere Parteien ausdehnen. Wer die FDP nicht in der Regierung sehen möchte, hat die Linke oder die AfD zu wählen. Gegen die Linke helfen Stimmen für Union, FDP oder AfD. Zur Ansprache von Verhinderungswählern sollte sich die Linke daher vor allem gegen die FDP positionieren. Union und FDP andererseits haben die Chance, von einer gezielten Kampagne gegen R2G zu profitieren. Die Grünen wiederum können sich als diejenigen darstellen, ohne die eine Ablösung der GroKo nicht möglich ist.

Für die AfD jedoch beinhaltet der geplante Anti-Merkel-Wahlkampf angesichts der numerischen Randbedingungen bundesrepublikanischer Machtmechanik durchaus auch Risiken. Denn je besser die Blauen abschneiden, desto sicherer wird Merkels Verbleib im Kanzleramt als Chefin einer großen Koalition. Die Wähler sind nicht so dumm, das nicht zu bemerken. Will man zusätzlich zu konservativen Nationalromantikern und wetterwendischen Protestwählern Potentiale erschließen, sollte man sich stattdessen auf die Grünen als Hauptgegner fokussieren. CDU und FDP öffnen gerade in Schleswig-Holstein und vielleicht bald sogar in Nordrhein-Westfalen eine entsprechende Flanke für einen erfolgversprechenden Vorstoß.

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