Es scheint, dass eine postmodern-autoritäre Auffassung von Demokratie immer mehr an Bedeutung gewinnt: Die Menschen sollen heute tatsächlich für die Politik zur Verfügung stehen – als ideologische und identitäre Projektionsfläche, für Belehrung und Diffamierung, als formbare Masse kollektiver Selbstvergewisserung, als Versuchskaninchen.
Gewissheiten beschreiben Zustände, deren „banale“ Wirklichkeit eigentlich nicht mantrahaft wiederholt werden müsste. Sie sind einfach da. Eine angebliche, von Politikern aufdringlich und häufig geäußerte, umso mehr verlogene Gewissheit ist: „Die Politik ist für die Menschen da“. Mir kommt es vor, als werde Politik in den elitären Etagen der Macht fast ausschließlich zum Selbstzweck ihrer Erhaltung betrieben und im weiten Panorama der Machfülle verliere sich der einzelne Mensch, das demokratische Subjekt, zunehmend in seiner Unbedeutsamkeit. Mit dieser Auffassung bin ich sicher nicht allein.
Wenn man die akribisch konstruierte Gutgelauntheit der Wahlgewinner der Europawahl betrachtet im Angesicht der Privilegien, die sie sich zum Selbstzweck schon eingerichtet haben, und welchen Preis wir Steuerzahler für die bürokratische Gängelei aus Brüssel dafür abzuleisten haben, damit sie diese Privilegien weiter aufstocken, kann ich nur resigniert feststellen, dass die Junckers, Barosos, Michels, Von der Leyens, Metsolas und Borells nichts veranlassen, wozu ich sie legitimiert hätte. Die Gewissheit dieser Politiker ist, dass sie tun und lassen können, was sie wollen, weil sie eine vollverspiegelte Echokammer bewohnen, zu der gewöhnliche Bürger keinen Zutritt haben. Dort im Spiegelsaal des EU-Parlamentarismus ist man nur sich selbst genüge und verachtet den „Plebs“, der demokratische Ansprüche und Fragen stellt. Man sollte den Spiegelsaal mal ordentlich durchlüften, damit sich die verkommenen, falschen Gewissheiten mit der frischen Luft von draußen verziehen.
Politik sollte als Reaktion auf die Lebenswirklichkeiten der Menschen verstanden werden, um rechtschaffen, wahrhaftig und positiv zu wirken: Die Aussage, „die Politik ist für den Menschen da“, ist eine altruistische Hypothese, wie sie gern in Sonntagsreden und auf Festbanketten berufen wird. Im Umkehrschluss könnte als Folgegewissheit ja gelten: Die Menschen stehen in der freiheitlich demokratischen Grundordnung der Politik überhaupt nicht zur Verfügung, es sei denn freiwillig, denn dazu gibt es (bis auf Wahlen) keinen erzwingbaren Anlass, keine Aufgabe, keine Anordnung.
Am Ende bekommt alles das Label „Demokratie“
Ein anachronistischer Trend ist jedoch spürbar: Seit geraumer Zeit werden die Menschen, die Bürger, die Wähler immer mehr zur Verfügungsmasse des Politischen. Es sollte eigentlich keine politische Wirklichkeit geben, nach deren „Gewissheiten“ sich die Menschen zu richten haben, sprich keine Ideologie, keine Haltungsmoral, keine Sprechverbote. Es ist jammerschade, dass einer solchen rein demokratischen Gewissheit kaum noch ein Politiker zu folgen bereit ist. Fast alle Politik ist von einem ideologischen Fanatismus durchzogen, dessen gesinnungsgetriebene Schleimspur aus den Kadern der Universitäten und Medien in die Chefetagen der Unternehmen und Parteien führt und umgekehrt. Jedoch sind die Gewissheiten an der Basis, dort, wo der Wirklichkeitsdruck täglich spürbar ist und sich in existenziellen Problemen manifestiert, andere, die in Konkurrenz zu den konstruiert hochtrabenden der Politik stehen. Dafür stehen einzelne Reizworte: Migration, Wohlstand, Energieversorgung, Rente, Gendersprache, Bürokratie, …
Die Auffassung, die Politik habe sich nach den Menschen zu richten, gilt für liberale undogmatische Systeme, in denen echte Gewissheiten noch Bedeutung besitzen, wie der Kategorische Imperativ. Es scheint jedoch, dass eine postmodern-autoritäre Auffassung von Demokratie immer mehr an Bedeutung gewinnt: Die Menschen sollen heute tatsächlich für die Politik zur Verfügung stehen – als ideologische und identitäre Projektionsfläche, für Belehrung und Diffamierung, als formbare Masse kollektiver Selbstvergewisserung, als Versuchskaninchen, als Korpus des autoritären Machbarkeitswahns, in den man alles gießen kann, was macht- und haltungspolitisch opportun erscheint. Am Ende bekommt alles das Label „Demokratie“, auch wenn dafür gelogen, verängstigt, gedroht und mundtot gemacht wurde.
„Die Menschen“, die Versuchskaninchen des Machbarkeitswahns, sind schon lange nicht mehr auf Augenhöhe der Politik. Anders kann man beispielsweise Robert Habecks Eingeständnis nicht verstehen, wonach sein Heizungsgesetz „nur“ eine Versuchsanordnung gewesen sei. Er ist zwar bei weitem nicht der erste Politiker, der sich in der Gewissheit glaubt, Menschen versuchsweise Zumutungen aufbürden zu dürfen, um herauszufinden, wie weit ideologisch evozierte Politik heute gehen kann. Bei dem Wirtschaftsminister ist jedoch keinerlei Demut oder Reue zu bemerken im Angesicht der „guten Ziele“, die er zum Schaden der Gemeinschaft verfolgte. Das ist der politische Grundirrtum, die Erbsünde der Politik, die so empfänglich ist für die Korruption des ethischen Herzens, das im Angesicht der Privilegien versagt und sich stiekum der Verantwortung für das miserable Ergebnis entzieht.
Bis zum Endsieg einer freiheitsfeindlichen „Vernunft“
Also kommt von Habeck – dem so gern als feinsinnig beschriebenen, empfindlichen Geistesmenschen – kaum ein Wort echten Bedauerns mit Conclusio, wie unethisch solches Gebaren unter Täuschung der Bürger eigentlich ist. Die grünen Bessermenschen nutzen ihre Macht für Versuchsanordnungen am Souverän. Das ist eine beängstigende Gewissheit, denn sie offenbart, wie wenig Demut die Herrschaften mittlerweile gegenüber dem Souverän verspüren.
Absurd erscheint in diesem Zwielicht die ewige Besorgnis um den Zustand „unserer“ Demokratie, die mit der Anhäufung solcher Verfehlungen in den letzten Jahren eindeutig den Besitzer gewechselt hat. Wir sind das Volk? Längst nicht mehr – denn als solches haftet uns schon die falsche Vokabel an. Wir sind eine krude Ansammlung von zugezogenen Bedürftigen und Minderheiten, um die „man“ sich kümmern muss, von Menschen, die bevormundet und gegängelt werden müssen, weil ihr mehrheitliches Votum und ihre deutsche Leistungsorientiertheit gefürchtet wird und von schlecht informierten Massemenschen, die als Opportunisten jedem System dienen würden, das ihnen Vorteile verspricht.
Das Land befindet sich in einer zeitgeistig überladenen Phase, deren Dialektik nach Umkehrung der Verhältnisse giert, die alles neu „gestalten“ möchte und zahlreiche, zum Teil hektisch anberaumte Wendeprozesse mit Hilfe ideologischer Vehikel umzusetzen im Begriff ist – komme, was da wolle – bis zum Endsieg einer freiheitsfeindlichen „Vernunft“, die besonnene Bürger grundsätzlich ablehnen müssen.
Wissenschaftssimulation für repressive Maßnahmen
Dabei geht es nicht nur um die Gewissheiten unserer physikalischen Wirklichkeit, deren Bedeutung mitunter in die Sphären des Aberglaubens zurückkehrt, wo Angst und Pessimismus, Stagnation und Strafe, Drohung, „Haltung“ und Überhöhung als Deutungsskalen herangezogen werden, statt die Axiome der Wissenschaften und ihre nüchternen Schlussfolgerungen ohne Einflussnahme gelten zu lassen. Fast alles ist gefühlte, hochtrabende und anmaßende Politik, die im abstrusen Pirouettendrehen längst die Orientierung verloren hat und im Schwindel nach dem Tischtuch greift, auf dem das Porzellan unserer Kultur und unseres Wohlstands steht.
Währenddessen sind unzählige wissenschaftliche Organisationen zu Bütteln einer Politikbestätigung verkommen, die aus den Reihen der Regierung(en) ihre Budgets und ergo Handlungsanweisungen bekommen, um sie als Wissenschaftssimulation für repressive Maßnahmen zu missbrauchen. Solches ist dieser Tage mit den nun klarschriftlich vorliegenden, ohne Schwärzungen versehenen „Corona-Protokollen“ aus dem RKI (Robert-Koch-Institut) bewiesen worden. Deutsche Politiker logen und missbrauchten schamlos ihre Macht, um Menschen zu Versuchs- und Repressionszwecken unter das Joch von Angst und Strafe zu beugen. Das ist hier der Vorwurf, der sich durch die Dokumente bestätigt hat.
So geschehen und veranlasst durch den damaligen Kanzleramtsminister Helge Braun und den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn (beide CDU), die laut der Protokolle die Wissenschaftler des RKI dazu gezwungen haben, die deutsche Bevölkerung mit „Gewissheiten“ zu folgsamen Lämmern zu degradieren. Infolge der bestellten „Wissenschaftsbeweise“ aus dem RKI konnten die Politiker verfügen, was das Merkel-Kanzleramt unter dem Attribut „Folgsamkeit“ von den Bürgern erwartete. Eine Schande für unser demokratisches Land, wie sich herausstellt, denn Merkel, Braun, Spahn und die politischen Nachfolger Scholz und Lauterbach haben die deutsche Bevölkerung belogen, zu Maßnahmen gezwungen und unrechtmäßig ihrer Freiheitsrechte beraubt. Millionen von Menschen haben sich auf Drängen der Politiker und Wissenschaftler einer Impfung unterzogen – im guten Glauben, die Panik um die „Pandemie“ sei berechtigt.
Vorwand für gesinnungstechnische Säuberungen
Die damals implementierten „Gewissheiten“ sitzen noch immer so tief, dass die meisten „Qualitätsmedien“, die zu Coronazeiten nach allen Kräften als Erfüllungsgehilfen der Politik agiert hatten, nun diese Steilvorlage eines bewiesenen Skandals, eines Vergehens an der Bevölkerung und eines vielfachen Bruchs von Amtseiden nicht aufarbeiten möchten. Die Verstrickungen in den Skandal gefälschter Gewissheiten gehen nahezu alle an. Die Bürger als Opfer dieser demokratie- und freiheitsfeindlichen Verbrechen werden noch immer im Unklaren gelassen und damit weiter belogen. Das ist auch eine Gewissheit, die aus den ungeschwärzten Dokumenten, die die Täter und Schuldigen benennen, zu ziehen ist.
Das „Sturmgeschütz“ Spiegel hätte in alten Zeiten solche Lügengebäude der Politiker journalistisch in Schutt und Asche geschossen, bis die Verantwortlichen endlich zur Rechenschaft gezogen worden wären. Auch diese Gewissheit einer funktionierenden Medienlandschaft, die die Sphäre des Politischen mit Argusaugen argwöhnisch und unnachgiebig verfolgt, befindet sich im postdemokratischen Sinkflug.
Die politischen Parteien des einst moderaten Westens geraten zunehmend in den Strudel von autoritärem Gedankengut, weil sie sich davon beseelen lassen, die Welt, den Planeten, die Menschheit, die Armen und Benachteiligten retten zu müssen. Oder sie geben nur vor, sie seien beseelt. Dafür nutzt man das ganze Arsenal der Gesinnungsmoral, der Besserwisserei und Infamie, die sie am liebsten an Stellvertreter der Nichtregierungsorganisationen und das privatwirtschaftliche Medienkartell delegieren. So findet beispielsweise Zensur nicht auf der Ebene des Politischen und Staatlichen oder seiner behördlichen Organe statt, sondern auf der Ebene der politmedialen Ständegesellschaft, die über die Erregungspotenziale und Schweigespiralen wacht und verfügt. Im Social-Media-Komplex wird gelöscht, unterdrückt und Meinungsfreiheit mit Füßen getreten – „Hass und Hetze“ sind nur der Vorwand für gesinnungstechnische Säuberungen, wie sie die Politik bestellt hat und nun geliefert bekommt.
Die von der EU beschlossenen Vorschriften im Gesetz über digitale Dienste (DSA, Digital Service Act) haben der Politik und den von ihnen protegierten Vorfeldorganisationen und Unternehmen der „Zivilgesellschaft“ ein riesiges Betätigungsfeld für Manipulation, Zensur und Überwachung eröffnet, das sich bereits stark auf die mediale Öffentlichkeit auswirkt. In Zukunft wird es immer schwieriger werden, Opposition gegen Vorhaben und Ziele der Politik zu formulieren und zu organisieren, weil der Zugang zur Öffentlichkeit schlicht verwehrt wird. Die Meinungsfreiheit ist ein kostbares Gut, dessen freier Handel durch den DSA europaweit stark sanktioniert wird. So werden wertvolle, freiheitliche Gewissheiten für die Bürger im Ungewissen von „Gemeinschaftsstandards“ versenkt, mit denen man auf Dauer jede unliebsame Äußerung tilgen kann.
Im Dschungel ihrer eigenen rassistischen Vorurteile
Die Grünenpolitikerin und Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt sitzt in einem besonders engen Elfenbeinturm. Nach dem 2:0 Sieg der deutschen Nationalmannschaft über die Auswahl Ungarns am 19.06.2024 konnte sie sich eines moralinsauren Kommentars auf „X“ (Twitter) nicht enthalten: „Diese Mannschaft ist wirklich großartig. Stellt euch kurz vor, da wären nur weiße deutsche Spieler“.
Nun ist man kurz perplex: Meint sie das wirklich so rassistisch, wie sie es sagt, oder will sie uns in die Falle unserer eigenen moralischen Verkommenheit locken, in der sie uns als „Rassisten“ verorten möchte. Beides ist absurd und hochgradig unreflektiert: Indem sie mit dem Impetus der Besserwisserin und Oberlehrerin den Beweis antreten möchte, wie wichtig anscheinend Migration für den Erfolg der deutschen Nationalmannschaft ist, hebelt sie das Selbstverständliche heraus und macht es zu einem erwähnenswerten Umstand mit seltsamem Zungenschlag. KGE, die grüne Spitzenpolitikerin mit dem reinsten Gewissen des Öko-Internationalismus verrennt sich im Dschungel ihrer eigenen rassistischen Vorurteile, die auch dann zutage treten, wenn sie die Sache eigentlich positiv meint, nach dem Motto: Schaut mal Landsleute, ein genialer Türke und ein junges Supertalent mit südländischem Aussehen können so gut Fußballspielen, dass wir glatt auf weiße Kartoffeln verzichten können.
Die Bundestagsvizepräsidentin ist über zwei vermeintliche Gewissheiten gestolpert: die erste, dass aus ihrem spröden Geist kein Rassismus quellen kann, die zweite, dass man uns Bürger mit solchem Müll belästigen muss. Abgesehen davon, dass ich davon ausgehe, dass KGE keine Ahnung von Fußball hat, liegt sie generell damit falsch, dass im internationalen Fußball eine solche Bemerkung gut gelitten wäre. Es ist eine dümmliche Schleimerei, mit der sie hoffte, in ihrer Bubble zu punkten. Ich gönne ihr jedoch das Eigentor, damit sie sich in Zukunft vielleicht erinnert, wie es ist, wenn man mit einer unbedachten Bemerkung plötzlich kollektiv in den Senkel gestellt wird, obwohl man es doch wirklich gut meinte.
Sich vor Deutschlands Weißen ein bisschen ekeln
Ich bin davon überzeugt, dass Katrin Göring-Eckardt nicht wirklich eine Rassistin ist, zumindest keine, deren klarer Rassismus sich auf Migranten bezieht. Ich nehme die Entschuldigung der Bundestagsvizepräsidentin an, die mit ihrer peinlichen Dummheit auf „X“ postwendend einen Shitstorm eingeheimst hat, der die öde Doppelmoral der grünen Gesinnung offenlegt, wie es kein noch so ausgefeiltes Argument zustande brächte. Ich glaube aber auch, dass es wichtig ist, Menschen, die nicht Frau ihrer Sinne sind, einfach zu verzeihen. So ist das: Menschen machen Fehler und sollten ihre latente Unzurechnungsfähigkeit nicht mit aller Härte auf ewige Zeit büßen müssen. Das gilt für alle schrägen Geister von links bis rechts, würde ich meinen.
Sicher ist KGE dankbar, dass man Gnade vor Recht gelten lässt, dass man ihr mit christlicher Nächstenliebe begegnet, auch wenn man als weißer deutscher Verbrenner das Gefühl hat, die grüne Politikerin ekele sich vor Deutschlands Weißen ein bisschen und hätte deshalb Nachsicht nicht verdient.
Ich wünschte, die Grünen, die „mit Deutschland noch nie etwas anzufangen“ (Habeck) wussten, würden in Demut darüber nachdenken, ob auch die Erbarmungslosigkeit angebracht war, mit der betrunkene Gröler auf Sylt tagelang durch die Gazetten gehetzt wurden, um ihnen endlich die Fratze des bösen Deutschen auf ewig aufzusetzen. Ist Katrin Göring-Eckardt absolut sicher, dass alle, die dort mit einem bescheuerten Liedtext Mist gebaut haben, tatsächlich vollendet miese Rassisten waren? Keine Gnade also für Schnösel auf Sylt, ebenso keine Gnade für KGE?
Die Gewissheiten kommen ins Schwimmen, je länger man nachdenkt.
Dieser Text erschien in gekürzter Fassung zuerst im wöchentlichen Newsletter von Achgut.com (jeweils am Freitag), den Sie hier kostenlos bestellen können.
Fabian Nicolay ist Gesellschafter und Herausgeber von Achgut.com.