Gastautor / 02.10.2024 / 13:00 / Foto: Montage achgut.com / 26 / Seite ausdrucken

Artikeltyp:Meinung

Gewalt im Namen der Ehre

Von Jan Ilhan Kizilhan.

In archaischen Solidargemeinschaften können aus Klatsch und Tratsch unheilvolle Verhaltenszwänge resultieren. Ein Phänomen, das inzwischen auch In Europa auffällt.

Für archaische Solidargemeinschaften haben Gerüchte, Klatsch und Unwahrheiten als Mechanismus zur Absonderung, Ausgliederung oder sozialen Kontrolle eine wichtige Bedeutung. (…) Da diese wesentlich von dem fast allgegenwärtigen gegenseitigen Misstrauen her mitbestimmt ist, entstehen durch Klatsch und Gerüchte schnell „Tatsachen“ oder „Nachrichten“, über welche die Gemeinschaft spricht und die somit für die Gemeinschaft sowie für die Mitglieder bedeutsam werden. So können allein schon Gerüchte über eine „Ehrverletzung“ dazu führen, dass Menschen zu Unrecht verletzt oder sogar getötet werden.

Dem liegen die grundsätzliche Befürchtung bzw. der Mechanismus zugrunde, dass es allein durch das Gerücht zu einem Gesichtsverlust gegenüber der Gemeinschaft und einem Verlust der „Ehre“ kommt.

In einem sogenannten Ehrenmordfall in Nordrhein-Westfalen wurde ein Mann am helllichten Tage ermordet. Was war passiert? Dem ermordeten Mann wurde vorgeworfen, eine Beziehung zu einer verheirateten Frau zu haben. Über fast ein Jahr verbreiteten sich Gerüchte, dass der Ermordete immer wieder vor der Tür der Frau gesehen worden sei, während der Ehemann in der Arbeit war. Der Ehemann wurde von den Geschwistern und Eltern unterrichtet. Er war wütend, fragte seine Frau, die ihm schwor, dass sie nichts mit dem Mann zu tun habe. Der Ermordete, die Frau und der Ehemann stammten alle aus der Türkei und kannten sich bereits durch ihre Familien aus der Heimat. Es gab aber keinen regelmäßigen Kontakt.

Die Leute grüßen uns nicht mehr

Der Ehemann glaubte zunächst seiner Frau, und sie versuchten, ihr Leben wieder normal zu leben. Nach einigen Wochen berichtete ihm jedoch ein Freund, dass auch er gehört habe, dass seine Frau und der Mann eine Beziehung hätten. Woher er das wisse, könne er nicht sagen, aber die Leute redeten alle darüber. Die Familie des Ehemannes traf sich erneut, und es wurde heftig diskutiert. „Unsere Ehre ist verletzt, die Leute grüßen uns nicht mehr, und wie sollen wir mit diesem Gesichtsverlust leben“, schrie die Mutter des Ehemannes. Die Ehefrau wurde von der Familie angehört, ihr wurde jedoch nicht geglaubt. Sie sagte, wenn ihr irgendwelche Fakten liefern könnt, dann „bin ich bereit, mich selbst zu töten. Aber ich habe bei Gott nichts getan.“

Schließlich wurde ein Mann für eine kleine Summe Geld beauftragt, den vermeintlichen Liebhaber zu töten. Er erschoss den Mann auf einem Markt mit mehreren Schüssen und flüchtete. Die Polizei konnte ihn jedoch nach kurzer Zeit festnehmen. Gegenüber der Polizei gab er schnell seine Auftraggeber bekannt, und diese wurden verhaftet. Weder durch die Polizei noch durch Aussagen und Telefonprotokolle von allen möglichen Beteiligten konnte eine außereheliche Beziehung festgestellt werden. Die Frau bezeugte auch vor Gericht glaubhaft, dass sie nie eine Beziehung in irgendeiner Form mit dem Ermordeten hatte.

Seither sind die beiden Familien verfeindet.

In traditionellen Gesellschaften gehören diese Gerüchte zum Alltag. Aus diesem ständigen Konfrontiertsein mit Gerüchten und dem ständigen Druck, sich mit den durch sie übermittelten vorgeblichen Tatsachenmitteilungen auseinandersetzen zu müssen, entstehen bei den Mitgliedern der traditionellen Solidargemeinschaften Zwänge bzw. wird ein Verhaltens- und Handlungsprogramm hervorgerufen, dem sich die Einzelnen und die verschiedenen sozialen Gruppen unterwerfen und nach dem sie handeln. Der Versuch, negative Auswirkungen auf die eigene Person oder auf die Solidargruppe zu verhindern, ist in allen Phasen der Blutrachetaten, auch in Europa, immer wieder zu beobachten.

Dies ist ein Auszug aus dem neu erschienenen Buch „Gewalt im Namen der Ehre. Die Psychologie hinter Ehre, Sexualität, Religion und Terror“ von Prof. Dr. Dr. Jan Ilhan Kizilhan, Europa-Verlag, 304 Seiten, hier bestellbar.

 

Jan İlhan Kızılhan, geb. 1966, arbeitet als Psychologe und Autor besonders zu den Themen Transkulturelle Psychiatrie und Traumatologie.

Foto: Montage achgut.com

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S. Miller / 02.10.2024

Wer verneint oder leugnet, daß “die Moslems und der Koran” die Hauptbedrohungskomponenten im Lande sind, der liest auch die Uhr rückwärts. Ja natürlich kann man alles herunterreden, zurechtbiegen und synkretistisch zusammenkruschteln; aber an den Fakten, sprich: Zahlen, kommt man halt doch nicht vorbei. Wer da was Konkretes wissen will, der lese nochmals den o. a. Artikel eines Vaters, “Warum erst jetzt, Herr Özdemir?”, der seine 17jährige Tochter, samt ihres Freundes durch einen Einzelmesserling verlor, der solches - und das ist wirklich übel - als “verzichtbare Einzeltat deklariert”, der sollte wirklich in sich gehen. ‘Archaische Solidargemeinschaften’ sind nunmal mit den demokratischen Prinzipien der neuzeitlichen, westlichen Grundwerte so inkompatibel, wie die friedliche Koexistenz von Katzen und Mäusen. Wir haben allein schon dadurch eine Mitverantwortung an den alltäglichen Tragödien, weil viele sich zwanghaft weigern, darin ein Faktum sehen zu müssen. Ich verstehe schon die Grundangst vor der Radikalität dieser ‘Ideologie’ und das dadurch bedingte Wegsehen. Das ist ja gerade das Problem. Es kann nicht dadurch gelöst werden, nur genug auf den Aufklärungswillen und die wundersame Korrektur dieser Religion zu hoffen. Das hat sie in 1400 Jahren nicht geschafft und wir können es uns nicht leisten, darauf zu warten.  Man kann vor jeder Religion Respekt haben; wenn aber die Angst davor dominiert und von deren Seite keinerlei Respekt für andere Religionen und/oder Staatsformen entgegengebracht wird, dann liegt schon grundsätzlich etwas schief. Schade; Respekt davor wäre uns lieber gewesen als Angst. Auch in unserer, ach-so-modernen Zeit gibt es Auswüchse, die ich nicht zu tolerieren bereit bin, da sie über mein moralisches Verständnis hinausgehen. Aber es gibt schon noch einen Unterschied zur steinzeitlichen, verpflichtenden Blutrache und Ehrenmorden, die alles andere sind, nur nicht ehrenhaft. Pardon!

Klara Altmann / 02.10.2024

Eine gute Darstellung der absonderlichen Fremdartigkeit der eingewanderten Kultur. Womit ich mich aber regelmäßig schwertue, ist dieser verwendete Begriff “Ehre” der für mich selbst komplett gegenteilig besetzt ist. Das Verhalten solcher Menschen, beispielsweise feige Morde an körperlich schwächeren Menschen, ist für mich komplett ehrlos. Schon während meiner Kindheitszeit war klar, dass es ehrlos ist, Schwächere zu schlagen, das war für alle selbstverständlich. Diese Morde sind für mich eher Ausdruck ungebremster narzisstischer Herrschsucht, die durch die “Kultur” eine äußerst schwache Rechtfertigung erfährt. Wer so handelt ist zutiefst ehrlos in meinen Augen, nicht mehr und nicht weniger.

Sam Lowry / 02.10.2024

“Neulich auf einem Grabstein gelesen: “Geboren als Deutscher, gestorben als Ausländer im eigenen Land”.” (Kopie) und so wahr….

Josef Gärtner / 02.10.2024

“Archaische Solidargemeinschaften”, etwas euphemistisch formuliert, aber das trifft es wohl ganz gut. Ich meine diesen neuen Trend im Zusammenleben der Gesellschaft beim Aushandeln der Machtsverhältnisse. Läuft weitestgehend nonverbal. Man beklagt sich, dass jemand der eigenen Frau an den Hintern gefasst hat, und dann kommen fünf bis zehn seiner Kumpels von dem und schlagen einen halbtot. Derartige tatkräftige Unterstützung vor Ort soll ja gerade bei gewissen jungen Männern so eine Art Modus Operandi zu sein. Und bereits auch schon auf dem Schulhof vorkommen, wie man hört. Frage: Darf man in diesem Zusammenhang eigentlich den Begriff “Glaubens-Gemeinschaft” verwenden?

Franz Klar / 02.10.2024

@gerhard giesemann : “Der schlimmste Feind der Moslems ist der Islam, weil er ihnen seit mehr als 1000 Jahren das Leben versaut” .... ” >Gottesvergiftung< ist der Titel eines 1976 veröffentlichten Buches des Psychoanalytikers Tilmann Moser.Es ist eine kritische persönliche Auseinandersetzung mit seiner Erfahrung von Religion als ekklesiogener Neurose (Quelle Wikipedia) . Dann doch besser Agnosterey !

Heinrich Münkler / 02.10.2024

Im  Strafrecht versteht man unter Notwehr die Verteidigung einer Person gegen eine gegenwärtige, rechtswidrige, und zumindest drohende Gefahr für Leib, Leben, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut. Gemäß § 32 StGB ist die Notwehr nicht strafbar. Auszug aus dem BGB. Auch die Ehre ist aufgeführt. Wird sicher heute nicht mehr so verstanden, aber bei Abfassung des BGB war es Bestandteil. Was sagt uns das?

Lars Tragl / 02.10.2024

Die ganzen “Ehrenmorde” sind mit nichts zu entschuldigen.  Das ist Islam-Koran-Steinzeit-Recht. “Blutrache” ist heute noch aktuell in Albanien, EU-Aufbahmekandidat,hoppla! Es geht auch ohne Islam.Auf Korsika wurde sie noch vor wenigen Jahren praktizert, manche behaupten es gibt sie heute noch. Manche Roma-Clans sprechen auch Recht , wie es ihnen gefällt, und die Mafia, Rockerbanden machen es genau so. Nur der “Untertan” unterwirft sich der staatlichen Gerichtsbarkeit, im Glauben an Gerechtigkeit.Wenn dem immer so wäre.. Unser “Rechtstaat” ist mittlerweie ein Linksstaat geworden, erwarte keine Gerechtigkeit vor unseren Gerichten.  

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