Schon seit Jahrzehnten gilt in Forscherkreisen: Die Ernährungswissenschaften bedürfen einer Radikalreform, weil sie keine belastbaren Beweise liefern können. Es gib keine validen Ursache-Wirkung-Beziehungen zwischen Ernährung und dem Schutz vor Krankheiten.
Schon seit Jahrzehnten gilt in Forscherkreisen der klare Konsens: Die Ernährungswissenschaften sind in einer bemitleidenswerten Lage und bedürfen einer Radikalreform, weil diese Fachrichtung keine belastbaren Beweise liefern kann. Es fehlt also vollumfänglich an echter Kausalevidenz, was bedeutet: Es gib keine validen Ursache-Wirkung-Beziehungen zwischen Ernährung und dem Schutz vor Krankheiten. Somit entbehrt die Ernährungsforschung jeglichen Beweises, dass beispielsweise Gemüse unser Herz-Kreislauf-System schützt, „gesunde“ Ernährung Krebs verhindert oder Pommes ungesund sind – und diese Kausalitäten wird es aufgrund der massiven Limitierungen an durchführbaren Ernährungsstudien auch niemals geben.
Stattdessen benebelt man die Bürger mit „Gesundheitswolken“ ganz schwacher Korrelationen, also einfacher statistischer Zusammenhänge – und suggeriert mit diesem Scheinwissen zu wissen, welche Ernährung gesund hält. Doch der Dunstschleier „ökotrophologischer Nebelkerzen“ wird zunehmend durch aktuelle Studien aufgelöst – und hinter dem vernebelten Blick offenbart sich ein klarer Fokus auf die Wahrheit, auf das ökotrophologische Universalcredo: Nichts Genaues weiß man nicht.
Nachdem jüngst die hoch angesehene Cochrane-Collaboration den Low-Carb-Mythos als bis dato vermeintlich „beste Ernährungsform“ in einer Großstudie als Luftnummer entlarvt hat (mehr dazu hier), erschienen in den letzten Monaten weitere bemerkenswerte Publikationen, die mit bekannten Ernährungs(nase)weisheiten aufräumen.
Kein Herzschutz durch Gemüse
Auch wenn es gar keine Beweise gibt, so galt bislang die Binsenweisheit: Viel Gemüse schützt Herz und Kreislauf. Doch eine neue Mega-Analyse ergab nun: Der Verzehr von Gemüse schützt nicht vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Die aktuellen Ergebnisse dieser aussagekräftigen, groß angelegten neuen Beobachtungsstudie im renommierten Fachmagazin „Frontiers in Nutrition“ zeigen, dass ein höherer Verzehr von gekochtem oder ungekochtem Gemüse das Risiko von Herz-Kreislauf-Erkrankungen nicht beeinflusst. Die Forscher erklären in ihrem Paper auch, wie Störfaktoren, so genannte „confounder“, zu früheren falsch-positiven Ergebnisse geführt haben könnten (das ist im Übrigen einer der Kardinalfehler der Ernährungsforschung).
Die Daten der aktuellen Studie stammen aus der UK Biobank – das wiederum ist eine groß angelegte vorausschauende Studie, die untersucht, wie Genetik und Umwelt zur Entwicklung der häufigsten und lebensbedrohlichsten Krankheiten beitragen. „Hier nutzten wir die große Stichprobengröße, die Langzeitnachsorge und die detaillierten Informationen zu sozialen und Lebensstilfaktoren der UK Biobank, um den Zusammenhang zwischen Gemüseverzehr und dem Risiko einer späteren kardiovaskulären Erkrankung zuverlässig zu beurteilen“, sagte Prof. Naomi Allen, Großbritanniens Chefwissenschaftlerin der UK Biobank und Co-Autorin der Studie.
Die Forscher analysierten die Angaben von fast 400.000 Teilnehmern zu ihrem täglichen durchschnittlichen Verzehr von Gemüse und analysierten einen Zusammenhang mit dem Risiko einer Krankenhauseinweisung oder des Todes durch Herzinfarkt, Schlaganfall oder schwere kardiovaskuläre Erkrankungen. Darüber hinaus kontrollierten die Wissenschaftler ein breites Spektrum möglicher Störfaktoren, darunter den sozioökonomischen Status, körperliche Aktivität und andere Ernährungsfaktoren.
Dr. Qi Feng, Forscher am Nuffield Department of Population Health an der University of Oxford und Hauptautor der Studie, präsentiert die Ergebnisse:
„Unsere große Studie hat keine Beweise für eine schützende Wirkung von Gemüse auf das Auftreten von kardiovaskuläre Erkrankungen (KHK) gefunden. Stattdessen zeigen unsere Analysen, dass die scheinbar schützende Wirkung des Gemüsekonsums gegen das KHK-Risiko sehr wahrscheinlich auf Verzerrungen durch verbleibende Störfaktoren im Zusammenhang mit Unterschieden in der sozioökonomischen Situation und im Lebensstil zurückzuführen ist.“
Klare Ansage. Ein echter Dogma-Killer – Gemüse muss seinen Titel als „Herzschützer“ abgeben. By the way: Eine vergleichbare Daten-Großanalyse in einer wissenschaftlichen Artikelserie zeigte bereits 2019, dass auch zum Mythos „Fleisch ist ungesund“ keinerlei Kausalevidenz zu holen ist.
Kein Krebsschutz durch „gesunde Ernährung“
Zur Fragestellung „welche Nahrungsmittel haben einen Einfluss auf das Krebsrisiko?“ existieren nicht nur Tausende von Einzelstudien, die allesamt nur Korrelationen liefern und damit ausschließlich Vermutungen erlauben. Aus diesen Myriaden Papern wurden bereits etliche Großstudien – so genannte Metaanalysen – erstellt, in denen deren Einzelergebnisse zusammengefasst ausgewertet wurden. Nun hat eine Riesenstudie in einem der Topjournals „Nature“ satte 860 dieser Metaanalysen zu einer einzigen Mega-Metaanalyse zusammengefasst – und den Forschern zufolge wird, vorsichtig formuliert, der Zusammenhang zwischen Ernährung und Krebs möglicherweise überschätzt.
Die Autoren fanden einige wenige Korrelationen, die kausal sein könnten (auch hier der Konjunktiv wohlgemerkt). Das Gros weiterer Krebs-Ernährungs-Assoziationen könnte auch „echt sein, aber es bleibt eine erhebliche Unsicherheit. Es ist unwahrscheinlich, dass weitere ähnliche Forschungen die aktuellen Beweise für die meisten Assoziationen ändern“. Genauso sieht es aus: Auch eine weitere Million Beobachtungsstudien bringt uns keinen Schritt näher an das nötige Wissen der Kausalevidenz. Die Autoren empfehlen daher statt konkreter Ernährungsempfehlungen zum kolportierten Krebsschutz: „Für die öffentliche Gesundheit und die Politik sollten die Bemühungen darauf ausgerichtet sein, die bekannten großen ernährungsbedingten Risikofaktoren für Krebs, insbesondere Fettleibigkeit und Alkoholkonsum, zu verhindern.“
Ernährungsapostel frohlockend als Beweislieferanten
Zum Abschluss sei ausnahmsweise mal keine weitere Beobachtungsstudie kredenzt, sondern eine echte RCT – also eine randomisierte klinische Studie, das ist der Goldstandard wissenschaftlicher Forschung. Von diesen Topstudiendesigns RCT gibt es im Bereich Ernährung nur ganz wenige – doch auch diese „Perlen der Ernährungswissenschaft“ haben starke Schwächen: Sie sind meist viel zu kurz und geben nur Auskunft über Ersatzwerte („Surrogatparameter“) wie Blut- oder Stuhlanalysen, aber sie liefern keine – die Redundanz sei verziehen – Kausalevidenz für die wirklich aussagekräftigen harten klinischen Endpunkte wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Krebs oder Tod (= Mortalität, der härteste aller wissenschaftlichen Endpunkte, wahrlich ein echter Endpunkt).
Auch wenn sie in der Gesundkostszene altbackener Ernährungsapostel frohlockend als Beweislieferanten abgefeiert werden, so entpuppen sie sich bei genauer Datenanalyse doch oft als Unstatistik des Monats, die aufgrund statistischer Ungereimtheiten wieder zurückgezogen werden muss: Beides real existent bei der gerne gehypten „Vorzeigestudie“ PREDIMED, die immer wieder als „Beleg für die gesundheitsfördernde Wirkung mediterraner Ernährung“ ins Scheinwerferlicht geschoben wird – doch auch dieses schwache „Paperlein“ kann nicht ansatzweise seine Rolle als Kausallieferant erfüllen. Aber das nur am Tellerrande. Kommen wir zurück zur Tellermitte und gönnen uns eine köstliche Portion goldgelb gebackener, knusprig krosser Pommes Frites – die ja gemeinhin den „ungesunden Lebensmitteln“ zugeschrieben werden (wobei es diese strikte Kategorisierung in „gesunde und ungesunden Lebensmittel“ inzwischen gar nicht mehr gibt – offiziell bestätigt von den sieben großen ökotrophologischen Fachinstitutionen in Deutschland, Österreich und der Schweiz).
Doch hier kommt nun die Rehabilitation des gesunden Rufs der energetisch hochwertigen Kartoffelstangen, frisch serviert von Wissenschaftlern der Indiana University und der University of Alabama at Birmingham, publiziert im höchst angesehenen „American Journal of Clinical Nutrition“. Die Forscher haben dazu eine belastbare Untersuchung durchgeführt, eine randomisiert kontrollierte Studie, die eine tatsächliche Ursache-Wirkung-Beziehung zwischen Pommes- und Mandelkonsum untersuchte. Die Wissenschaftler verglichen dazu zwei zufällig aufgeteilte (= randomisierte) Gruppen mit je 90 Erwachsenen miteinander. Die Teilnehmer der P-Gruppe verspeiste einen Monat lang jeden Tag als Zwischensnack eine Portion Pommes (300 Kilokalorien). In der M-Gruppe, die als Kontrolle fungierte, knabberten die Probanden statt der Pommes eine Portion Mandeln mit gleichem Energiegehalt (300 Kcal) pro Tag. Darüber hinaus wollten die Forscher keine weiteren „Interventionen“, ergo konnte jeder seinen gewohnten Lebens- und Ernährungsstil beibehalten.
Wie die Pommes so die Mandeln
Die Studienleiter analysierten sowohl die Körperfettmasse sowie den Blutzucker und die Insulinproduktion. Am Ende des Studienmonats waren alle Werte in beiden Gruppen vergleichbar:
„Auf Grundlage unserer Ergebnisse gibt es keine statistisch signifikanten Beweise für unterschiedliche Auswirkungen zwischen dem täglichen Verzehr einer typischen 300-Kcal-Portion Pommes frites und einer 300-Kcal-Portion Mandeln. Die Ergebnisse unterstützen keinen kausalen Zusammenhang zwischen dem erhöhten Verzehr von Pommes frites und den untersuchten negativen Auswirkungen auf die Gesundheit.“
Klar, auch hier gelten die üblichen Limitierungen und Kritikpunkte solider Wissenschaft: zu kurze Dauer, wenig Probanden, nur Surrogatparameter und so weiter. Aber: Aus dieser kleinen Pilot-RCT lässt sich definitiv keine Hypothese ableiten, die es weiter zu untersuchen gilt: Pommes seien ungesund und machten dick. Dafür gibt es keinen Anlass mehr. Das heißt: Auch beim Abnehmen sind Pommes natürlich nicht tabu – man muss sie nur korrekt einbeziehen. Aber das ist ein anderes Thema. Wer sich für erfolgreiches Abnehmen und vor allem das Halten des neuen erschlankten Wunschgewichts interessiert, dem sei folgender Artikel empfohlen, der sich explizit diesem Themenkomplex widmet.
Und die Moral von der Geschicht´? Beweise für gesunde Ernährung gibt es nicht! Daher lautet die ernährungswissenschaftlich-liberale Empfehlung: Vertrauen Sie beim Essen nur auf den, der weiß, was wirklich gut für sie ist: Ihr eigener Körper. Hören Sie auf Ihre intuitiven Gefühle: Essen Sie nur, wenn Sie echten, körperlich-biologischen Hunger haben, worauf Sie Lust haben, was Ihnen richtig schmeckt und vor allem, was Sie gut vertragen. Essen Sie vielfältig, abwechslungsreich und frische Lebensmittel von hoher Qualität. Vertrauen Sie auf ihr „wohliges Stöhnen aus der Tiefe des Bauches“, mit dem Ihnen Ihr Körper signalisiert: Ich fühle mich gut, alles richtig gemacht! Das Credo lautet: Es gibt so viele gesunde Ernährungen, wie es Menschen gibt, denn: Jeder Mensch is(s)t anders. In diesem Sinne: Genießen Sie Ihr Leben – lukullische Grüße!