Wolfram Weimer / 24.05.2008 / 20:34 / 0 / Seite ausdrucken

Gesine Schwanilanti

Die Wahl des nächsten Bundespräsidenten ist für die SPD eine No-Win-Situation. Stellt sie Gesine Schwan gar nicht erst gegen Horst Köhler auf, so offenbart sie ihre erodierende Gestaltungsmacht. Lässt man sie aber antreten, dann begibt man sich in die Hand der Linkspartei. Entweder Schwan verlöre, dann wäre der Bundestagswahlkampf mit einem Verliererstigma eröffnet. Das Schlimmste aber, was der SPD passieren kann, ist ein Sieg Gesine Schwans mit den Stimmen der Linkspartei. Denn dann wäre nicht nur die Bundestagswahl verloren, sondern auch jede Glaubwürdigkeit, man werde mit der Linkspartei auf Bundesebene keine gemeinsame Sache machen.

Je mehr die SPD die Personalie Schwan öffentlich zelebriert, desto mehr wächst die Angelegenheit zu einer Art „Ypsilanti 2.0“ aus. Frank-Walter Steinmeier, Peter Struck und Peer Steinbrück kämpfen darum hinter den Kulissen vehement gegen die eigene Kandidatin. Sie erkennen das strategische Dilemma ihrer Partei. Eine Kanzlerkandidatur Steinmeiers wäre durch die „Aktion Schwan“ mit einer schweren Hypothek belastet. Er würde landauf landab versichern, dass man auf keinen Fall mit der Linken koalieren werde, doch keiner könnte es ihm mehr abnehmen, wenn schon das höchste Amt im Staat mit ebendieser Liaison besetzt worden wäre.

Damit nimmt der innere Zerfall der SPD tragische Züge an. Denn selbst Zentralfiguren der staatstragenden Partei sind inzwischen im Mahlstein der Linkspartei gefangen. Kurt Beck wirkt zu schwach, um sich der Gravitation der SED-Nachfolgepartei zu widersetzen. Er scheint nicht einmal mehr eine Mehrheit für eine Strategie der Autonomie zu gewinnen. Inzwischen diktiert der linke Flügel der Partei das Geschehen. Das treibt die SPD zwar immer weiter hinein in die Geiselhaft Oskar Lafontaines. Immer mehr linke Sozialdemokraten aber glauben, dass man seinen Geiselnehmer besser küsst als ihn zu bekämpfen.

Diese frühsommerlichen Tage werden daher zu einem „defining moment“ für die historischen Geschicke der SPD. In der scheinbar nachrangigen Frage der Bundespräsidentschaft bricht die Identitätskrise der Sozialdemokratie voll auf. Kurt Beck hätte das seiner Partei gerne erspart. Doch Andrea Nahles wollte es anders. Schon das zeigt viel über die neuen Machtverhältnisse in der SPD. Wenn Nahles, Wowereit und die Parteilinken so weitermachen, werden sie selber den Kanzlerkandidaten stellen müssen. Denn Franz-Walter Steinmeier ist zwar zu manchem fähig, aber ein politischer Kamikaze ist er nicht.

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