Thomas Rietzschel / 11.03.2018 / 16:33 / 15 / Seite ausdrucken

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Tellkamp, zum Dritten!

Ich zähle nicht zu den Bewunderern des Dresdner Schriftsteller Uwe Tellkamp. Staunend habe ich verfolgt, wie die westdeutsche Kritik sein Buch „Der Turm“ (2008) zu einem vielfach ausgezeichneten Besteller hochjubelte, wie die Rezensenten dem Autor auf die literarische Leimrute gingen. Weil er es versteht, gut und bisweilen spannend zu erzählen, wurde ihm als kritischer Gesellschaftsroman abgenommen, was mit den Verhältnissen, so wie ich sie erleben musste, herzlich wenig zu tun hat.

Wieder und wieder habe ich mir die Augen gerieben, wenn der dickleibige Roman als eine Darstellung des Dresdner „Kulturbürgertums“ unter den Bedingungen der SED-Herrschaft angepriesen wurde. Zwar stimmt es, dass sich die Intellektuellen mit dem Parteiabzeichen am Revers gern eine bürgerliche Existenz zuschrieben, doch haben sie die Belle Etage und die Villen, in deren Milieu sie sich aufplusterten, erst bezogen, nachdem ihre Besitzer von den Kommunisten exmittiert worden war. Dieser literarischen Glorifizierung des Opportunismus konnte ich nie etwas abgewinnen.

Aber dennoch und trotz allem stelle ich mich jetzt, nachdem ihm der eigene Verlag das freie Wort verübelt hat, an die Seite von Uwe Tellkamp. Nachdem der in einer Diskussion über den massenhaft Zuzug von Flüchtlingen gesagt hatte, „die meisten fliehen nicht vor Krieg und Verfolgung, sondern kommen her, um in die Sozialsysteme einzuwandern“, twitterte der Verlag stante pede: „Die Haltung, die in Äußerungen von Autoren des Hauses zum Ausdruck kommt, ist nicht mit der des Verlages zu verwechseln.“ So ließen zuletzt die Verlage der DDR ihre Autoren im Regen stehen, wenn sie Druck von oben bekamen.

Siegfried Unseld, der einstige Suhrkamp-Verleger, müsste sich im Grabe umdrehen, würde er von diesem Verrat Wind bekommen. Natürlich war auch er nicht immer mit dem einverstanden, was etwa Thomas Bernhard verlauten ließ. Aber wann hätte er sich deshalb je von seinem Autor öffentlich distanziert? Wann hätte Ernst Rowohlt jemals Hans Fallada coram publico den Rücken gekehrt, wann wäre Samuel Fischer derart von Gerhart Hauptmann abgerückt. Nicht zuletzt in ihrer Loyalität gründete der gute Ruf deutscher Verleger – bisher.

Ein Verstoß gegen die Willkommenskultur

Was sich Suhrkamp jetzt geleistet hat, hätten wir noch gestern kaum für möglich gehalten; und das gilt nun umso mehr, als Uwe Tellkamp nichts gesagt hat, das sich nicht nachprüfen ließe. Es stimmte eben nur nicht mit den Lügen überein, die uns die politischen und intellektuellen Wortführer der „Willkommenskultur“ tagtäglich auftischen. Dass die Pressesprecherin des Verlages auf die Frage, ob man denn gleichwohl gedenke, die Bücher Uwe Tellkamps weiterhin herauszubringen, wie aus der Pistole geschossen antwortete „aber natürlich“, setzt der ideologischen Verlogenheit die Krone auf. Da geht es doch, mit Verlaub, auf jedem Flohmarkt ehrlicher zu als im Hause Suhrkamp.

Allerdings ist diese Luderei unterdessen auch schon eingeübt, wenigstens seit der letzten Frankfurter Buchmesse. Damals war der Börsenverein des Deutschen Buchhandels gleich zweimal mit Transparenten gegen Rassismus und Rechts vor dem Stand des Antaios Verlages aufmarschiert. Dabei hatte die Frankfurter Buchmesse, eine Tochter des Börsenvereins, die Standfläche zuvor höchst selbst für gut 8.000 Euro an das Unternehmen des „rechtsradikalen Publizisten“ Götz Kubitschek vermietet. Geschäft ist halt Geschäft und die moralische Entrüstung danach ein scheinheiliges Theater.

Später hieß es dann noch, es seien namhafte deutsche Verlage gewesen, die den Börsenverein zum Aufmarsch angestiftet hätten. Inzwischen, nach der Abfertigung Uwe Tellkamps durch Suhrkamp, ist anzunehmen, dass es sich bei diesem Verdacht um mehr als ein Gerücht gehandelt haben mag. Es bestand bereits begründeter Anlass, vor einer neuen „Gesinnungsdiktatur“ in Deutschland zu warnen, wie es die Dresdner Buchhändlerin Susanne Dagen tat, als sie im Anschluss an die Messe-Krawalle ihre „Charta 2017“ verfasste.

Zu den Erstunterzeichnern zählte Uwe Tellkamp. Die Rechnung dafür ist ihm jetzt präsentiert worden, grob und unflätig. Die Profiteure des linksliberalen Zeitgeistes stehen mit dem Rücken zur Wand; sie beginnen, blindwütig um sich zu schlagen. 

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Bechlenberg Archi W. / 11.03.2018

Mir fiel seinerzeit Tellkamps Name unter den Erstunterzeichnern auf, und ich dachte: Sieh an, da zeigt einer Flagge, der in keiner Weise durch bisherige Kommentare, Essays, Artikel in unabhängigen Medien und Blogs oder sonstigen Äußerungen “kontaminiert” ist. Wenn das mal gut geht. Es ging bis dato dann auch gut. Aber eben nicht auf Dauer. Dass es nicht irgendwelche für den Kampf gegen Rechts bezahlten Spitzel sind, die ihrer denunziatorischen Aufgabe nachgingen, sondern der einst ehrenwerte Suhrkamp Verlag in vorauseilender Servilität, zeigt, in welchem verwahrlosten Zustand sich inzwischen die Republik befindet. Dichter Grünbein hingegen darf sich Hoffnung auf den Posten des Hofpoeten machen. (Die Rechtschreibkorrektur schlug -narren vor)

Dr. Alexander Brandenburg / 11.03.2018

Man kann sich nicht nur auf Genossen Maas konzentrieren, wenn es um die Herstellung echter Meinungsfreiheit geht. Maas hat seine Helfershelfer überall. Selbst renommierte Verlage eilen ihm gerne und schnell zur Hilfe, wenn die wohlverstandene Meinungs-und Diskussionsfreiheit auf dem Spiel steht. Warum nur vertritt Uwe Tellkamp auch Meinungen, denen man aus demokratischen Gründen, jawohl, nicht zustimmen kann? Er wusste doch, dass solcher Eigensinn und solche Denkakrobatik schlimme Folgen zeitigen. Der Umgang mit dem kleinen Akif oder Sieferle waren doch schon wertvolle Hinweise der demokratischen Gesellschaft auf mögliche Reaktionen. Sie haben auf undemokratische Umtriebe eine demokratische Antwort erhalten. Was hat denn Meinungsfreiheit damit zu tun, andere als die erwünschten Meinungen zu vertreten? Wir sehen, dem Genossen Maas werden in der Öffentlichkeit zuviel Aufmerksamkeit und Lob gezollt. Verlage, die es ja besonders gut und ehrlich mit dem Worte meinen, haben auch ihre Verdienste und müssen dafür belohnt werden. Beim Suhrkamp Verlag empfiehlt es sich, sein Sortiment genau zu prüfen und die Kaufrate demokratiebedingt zu erhöhen.

Rainer Buckl / 11.03.2018

Die Bücher von Herrn Tellkamp kannte ich bisher nicht. Viele andere des Suhrkamp -Verlages stehen in meinem Regal. Irgend wann werden sie in der blauen Tonne landen. Neue werden garantiert nicht mehr dazu kommen.

Dirk Jungnickel / 11.03.2018

Mir geht es was Uwe Tellkamps “Turm” und vor allem die Verfilmung betrifft wie Thomas Rietzschel, dem ich sehr dankbar bin für sein Plädoyer gegen die „Gesinnungsdiktatur“ , an der sich sogar Suhrkamp beteiligt. Die heutige Berliner Morgenpost entblödet sich nicht in ihrer infantilen Zensurrubrik “Kopfnoten” Uwe Tellkamp die Note 5 zu verpassen. Und sich quasi hinter die “Distanzierung” des Suhrkamp - Verlages zu stellen. Leserbriefe, die sich auf politischen Themen der Leitartikler oder redaktionelle Fehlleistungen beziehen, veröffentlicht die BM grundsätzlich nicht. Dafür wird in den Leserbriefspalten fast täglich über Fahrradwege diskutiert.

Monique Basson / 11.03.2018

Entweder diskutiert man über Redefreiheit, Zensur, Netzwerkdurchsuchungsgesetz, politische Korrektheit, die Möglichkeit Gefühle zu verletzen, Befindlichkeiten ganz besonders empfindlicher Gruppen oder man hat Meinungsfreiheit.

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