Thomas Rietzschel / 23.03.2018 / 17:02 / 8 / Seite ausdrucken

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Skandal um Heino

Landauf, landab schwirrt die Meldung durch den Äther. Morgen wird sie noch das letzte Käseblatt abgeschrieben haben. Heute schon macht BILD mit der Schlagzeile auf: „Skandal um SS-Lied auf Heino-Platte“. Weil er als „Heimatbotschafter“ Nordrhein-Westfalens glaubte, Ina Sharrenbach (CDU), seiner Ministerin „für Heimat, Kommunales, Bauen und Gleichstellung“, eine Freude zu machen, indem er ihr seine alte LP der „schönsten Heimat- und Vaterlandslieder“ schenkte, erreicht  den Schlager-Sänger nun der Fluch der verpfuschten Tat.

Was hat sich der alte „Nazi“, als der Heino schon 2014 von dem Hip Hopper Jan Delay entlarvt wurde, was hat er sich da nur wieder geleistet? Findet sich doch auf der Platte auch das Lied „Wenn alle untreu werden“. Selbstredend ein „SS-Lied“, da es von der SS gern gesungen wurde, wenn es auch nicht auf deren ideologischem Mist gewachsen war. 

Angelehnt an ein Gedicht des Romantikers Novalis, hatte es Max von Schenkendorf bereits 1814 geschrieben, während der Befreiungskriege gegen Napoleon, in denen der Offizier als Freiwilliger diente. Die Literaturgeschichte zählte ihn nachher zu den bedeutendsten Lyrikern dieser Epoche. Brahms vertonte eines seiner Werke. Während des Dritten Reiches soll Henrich Böll „Wenn alle untreu werden“ den Nazis zum Trotz gesungen haben. Nicht zu reden von den Revolutionären, die das Lied sangen, als sie 1848/49 zur ersten Deutschen Nationalversammlung in der Frankfurter Paulskirche zusammentraten, bis heue einer der wichtigsten Gedenkorte deutscher Demokratiegeschichte.

Vielleicht sollten nicht bloß die Kollegen von BILD ihre Spürnase erst einmal ins Schulbuch stecken, bevor sie Dampf ablassen. Sonst müssen wir demnächst noch Wagner und Mozart auf den Index setzen. Denn auch deren Kompositionen erfreuten sich bei den Nationalsozialisten großer Beliebtheit. Mitunter ließen sie sich diese sogar von Häftlingsorchestern im KZ vorspielen.

Warum also soll es nun ausgerechnet einem Volksmusikanten ans Leder gehen? Wollen die Moralisten von der Popularität und der Massentauglichkeit ihres Opfers profitieren, mit der Unbedarftheit eines harmlosen Geistes ihren Schnitt machen? Wird da nicht eine Büchse der Pandora geöffnet, aus der bloß der Gestank künstlich geschürter Empörung quillt? Der Mann kann gut singen, er verfügt über ein Stimmkraft, die ihresgleichen sucht. Reicht das nicht?

Dass man seine Auftritt wie die anderer Schlager-Futzis mit dem Etikett eines „Konzertes“ versieht, heißt doch nicht, dass er mehr zu bieten hätte als seichte Unterhaltung, bisweilen durchaus anrührenden Kitsch. Auf welchem Niveau der politischen Auseinandersetzung sind wir angelangt, wenn wir ernst nehmen, was ein Heino nicht zu sagen hat. Diejenigen, die sich gleichwohl darin gefallen, ihm jetzt politisch die Leviten zu lesen, verhalten sich nicht weniger dämlich als der, an dem sie ihr moralisches Mütchen kühlen.

Natürlich gehören ihm die Löffel lang gezogen, wenn er wie in einem Interview mit der FAZ im Hitler-Jargon erklärt, „ich bin hart wie Kruppstahl, zäh wie Leder und flink wie ein Windhund“, doch gibt es keinen Grund, solche Dummheiten zu einer Staatsaffäre aufzublasen, den Bekloppten deshalb als „Nazi“ durchs mediale Dorf zu treiben. Schließlich wird er, um ein Bild der Kanzlerin abzuwandeln, nicht als Historiker von seinen Fans beklatscht und bejubelt. 

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Eleonore Weider / 23.03.2018

“Der Widerstand gegen Hitler und die Seinen wird umso stärker, je länger das Dritte Reich zurück liegt.” sagte Herr Broder so treffend. Daran arbeiten wir ganz intensiv - wenn es sein muß mit Heino. Übrigens „Wenn alle untreu werden“, wurde nicht nur von der SS, sondern auch vom NS-Widerstand gesungen wurde. Hauptsache die Sprache bleibt rein.

Werner Arning / 23.03.2018

Ohne die Details der Diskussion zu kennen, wer ein Gedicht von Novalis und dessen Verarbeitung von von Schenkendorf als Nazi- verdächtig erachtet, weiß gar nicht, warum es Deutschland überhaupt gibt. Goethe maschierte auch gegen Frankreich und gegen Napoleon. Interessiert euch für die deutsche Geschichte. Sie besteht nicht nur aus Hitler.

Michael Graf / 23.03.2018

Dieses Lied ist in jedem Liederbuch aller möglichen traditioneller Studentenvereinigungen, also nicht nur bei den ach so bösen Burschenschaftern, sondern auch bei den apolitischen Corps, den monarchistischen Landsmannschaften und den Verbindungen des katholischen Cartellverband zu finden und wird dort auch regelmäßig bei Kneipen und anderen Anlässen gesungen. Es ist einfach nur eine Frechheit, eine Perfidie sondergleichen, dieses schöne Lied als “SS-Lied” darzustellen. Ja, es wurde bei der SS gesungen, aber die Nationalsozialisten haben viele Dinge für ihre Zwecke missbraucht. Wie laut wäre wohl der Aufschrei, wenn der Umweltschutzgedanke als nationalsozialistisches Anliegen bezeichnet werden würde? Immerhin waren sie die Ersten, die ihm politische Bedeutung beigemessen haben.

Roland Stolla-Besta / 23.03.2018

Irgendwo hatte ich mal gelesen, daß von den Nazis der “Eintopf-Sonntag” ins Leben gerufen worden sei. Seither ist mir als edlem und politisch-korrektem Bundebürger der Eintopf von sowas zuwider!

Hans Weiring / 23.03.2018

Sehr geehrter Herr Rietzschel, das heist immer noch “Fuzzi”, ursprünglich eigentlich “Fuzzy”, und nicht “Futzi”; so viel Zeit muß sein. Wir wollen doch schließlich nicht mit “Schlager-Futzi” eine neue Species (Haselnußtorten-gedopter Spätrocker) generieren.

Judith Hirsch / 23.03.2018

Das Theater ist absurd und ein weiterer erbärmlicher Versuch einen “Nebenkriegsschauplatz” zu schaffen um von den wirklichen, brennenden Problemen dieses Landes abzulenken. Ich bin Jüdin und kann mir mit Freude “Die Wacht am Rhein” anhören.

Thomas Schade / 23.03.2018

Eine wirksamere Verharmlosung der SS ist kaum möglich als sie mit Heino in Verbindung zu bringen.

Karl Will / 23.03.2018

Dazu hat Heino auch eine andere Melodie benutzt als die SS.Heino singt nämlich zur Melodie der Niederländischen Nationalhymne!Aber in dieser wird ja auch vom deutschen Blut gesungen,also auch verdächtig *hüstel*. ps:Gestern erzählte mir ein alter Mann das man bei der SS auch Brot gegessen hat.

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