Thomas Rietzschel / 17.04.2018 / 11:26 / 15 / Seite ausdrucken

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Schläger-Typen

Dass es sich nicht gehört, vom Aussehen eines Menschen Rückschlüsse auf sein Wesen zu ziehen, wird uns seit Jahrzehnten eingebläut. Manchmal steckt dahinter die gute Absicht, niemanden wegen seines Gesichts, der Statur oder seiner Kleidung zu diskriminieren. Öfter noch wurde und wird damit aber auch eine politische Absicht verfolgt: die Gleichmacherei der Masse zum Vorteil einer scheinheilig moralisierenden Oberschicht. Im kommunistisch regierten Osten verstand sich das von Anfang an; im Westen wurde es zur pädagogischen Maxime, nachdem sich die Achtundsechziger der gesellschaftlichen Erziehung angenommen hatten. Gestimmt hat die Aussage da wie dort niemals.

Denn natürlich offenbaren sich Charakter und Mentalität eines Menschen, seine geistige und seelische Verfassung in der Art, wie eine oder einer auftritt. Sicher mag das nicht immer zutreffen, Ausnahmen bestätigen die Regel. In den meisten Fällen aber verhält es sich so – mehr, als manchem lieb sein mag. Dabei kommt es keineswegs auf die Ästhetik an, auch nicht auf die Mode, die wir tragen. Sie unterstreicht nur das „Gesicht“, das die Mimik verrät. Der stumpfe Blick offenbart den stumpfen, der helle den wachen Geist. Keine Schminke vermag den Charakterkopf zu kaschieren, keine Botox-Behandlung hilft der Intelligenz auf die Sprünge.

Gegen die Natur, die uns kenntlich macht, sind wir allemal machtlos. Wer sich über diese Feststellung als eine „rassistische“ empört, bestreit doch nur die Individualität, auf die wir sonst so großen Wert legen. Er verschließt die Augen vor der erkennbaren Tatsache, dass unterschiedliche Charaktere nun einmal unterschiedliche Züge tragen. Im schlimmsten Fall werden drohende Gefahren ausgeblendet.

Man sieht es einem Delphin an, dass er kein Hai ist

Zwar gab es nach der verunglimpfenden Darstellung der Juden im Dritten Reich, nach ihrer widerwärtig verzerrten Abbildung durch die nationalsozialistische Propaganda gute Gründe, derartiger Verleumdung ganzer Bevölkerungsgruppen einen moralischen Riegel vorzuschieben, doch ändert dies nichts daran, dass man dem einzelnen, egal welcher Hautfarbe er sein mag, die Neigung und die Befähigung zu diesem oder jenem Verhalten öfter ansehen kann, als wir es noch wahrhaben wollen.

Die Botschaft der Kulleraugen eines Delphins ist schließlich eine andere als diejenige, die vom Maul eines Haifischs ausgeht, obwohl doch beide Meeresbewohner sind. Das zu bestreiten käme niemandem in den Sinn. Nur wenn die Rapper Farid Bang und Kollegah die Zähne blecken, wollen nirgends die Alarmglocken läuten. War Ihnen nicht anzusehen, was von ihnen zu erwarten ist: brutalisierendes Gestammel zu einer emotional brutalisierenden Musik? Bedurfte es wirklich erst ihrer Verhöhnung der Auschwitz-Opfer, um zu erkennen, dass es sich um Schlägertypen handelt, deren geistiges Potenzial zu 100 Prozent in ihren Muskelpaketen steckt?

Wer ist im Bundesverband Musikindustrie auf die Idee gekommen, ihr Machwerk „Jung, brutal, gutaussehend 3“ mit dem „Echo“, dem „renommiertesten Musikpreis des Landes“ auszuzeichnen? Worin besteht der künstlerische Wert ihrer musikalischen Primitivität? Noch, wenn man in Rechnung stellt, dass das bei dieser Auszeichnung keine Rolle spielt, immerhin ist sie auch Helene Fischer mehrfach zuteil geworden, bleibt die Frage, wie die Veranstalter übersehen konnten, wen sie sich da auf die Bühne holten.

Das letzte Wort hat der Ethikrat

Die Rapper jedenfalls sind ihrer Erscheinung treu geblieben. Und der „Ethikbeirat“ der Veranstalter – so etwas gibt es tatsächlich – hat sich mehrheitlich gegen den Ausschluss „der Künstler“ ausgesprochen. Sind die Mitglieder nicht nur gehörlos, sondern obendrein noch blind? Was für eine Gesellschaft war da versammelt, dass sie auf dem Fest nach der Preisverleihung bei Austern und Mini-Burgern wie besoffen zum Krawall der Skandal-Rapper tanzte, bis es endlich zur Schlägerei kam?

Dass das oberste Kriterium für die Vergabe des „Echo“ der kommerzielle Erfolg ist, setzt dem Skandal bloß noch die Krone auf. Spricht es doch für die kulturelle und moralische Unterbelichtung einer Gesellschaft, der es unterdessen völlig egal ist, von wem sie sich aufheizen lässt. Die Underdogs werden im wahrsten Sinn des Wortes ohne Ansehen der Person verpflichtet. Ist ja irgendwie geil. Und so blöd, das Geschäft nicht mitzunehmen, sind die bekloppten Rüpel nun auch wieder nicht. Ihr Milieu verschafft sich zunehmend gesellschaftlichen Respekt, nicht nur in der Musikbranche.

Selbst bei der Schwedischen Akademie, in dem Komitee, das über die jährliche Vergabe des Literaturnobelpreises entscheidet, scheint es mit dem bildungsbürgerlichen Stolz so weit nicht mehr her zu sein. Erste Anzeichen dafür gab es bereits 2016, als die höchste Auszeichnung, die ein Schriftsteller auf Erden erhalten kann, dem Folk- und Rocksänger Bob Dylan zuerkannt wurde.

Korruption, Vorteilsnahme und andere Kleinigkeiten

Dem zweifelsohne begnadeten Musiker war das eher peinlich, diese absurde Ehrung als Literat. Die Akademie indes wollte mit der Zeit gehen. Nun, zwei Jahre später, erfahren wir, wie viel mehr noch in der einstmals so elitären Institution im Argen liegt. Die Lyrikerin Katarina Frostenson, Mitglied der 18-köpfigen Jury, betrieb bis 2017 gemeinsam mit ihrem Mann einen zwielichtigen Kunstclub, der – auch auf ihre Veranlassung hin – regelmäßige Zuwendungen der Akademie erhielt. Im Raum steht der Vorwurf der Korruption, des illegalen Alkoholausschanks, der unerlaubten Vorteilsnahme sowie der Steuerhinterziehung.

Außerdem, heißt es, habe ihr Gatte, der Fotograf Jean Claude Arnault, mehrmals die Namen der Nobelpreisträger vor ihrer offiziellen Bekanntgabe ausgeplaudert, nicht zuletzt den von Bob Dylan. Hinzu kommen Ermittlungen wegen sexueller Übergriffe. Nun wissen wir, wie schnell derartige Vorwürfe erhoben werden und wie haltlos sie mitunter sind, nur macht der Mann, sieht man ihn auf Fotos, in der Tat nicht eben den seriösesten Eindruck. Das allein muss nichts heißen. Jeder kann sein langes Haar mit so viel Gel festkleben, wie er will – auch noch, wenn er in die Jahre gekommen ist. Gleichwohl drängt sich der Eindruck auf, auch hier wäre es womöglich gut gewesen, von vornherein etwas mehr auf den äußeren Anschein zu achten, statt geflissentlich davon abzusehen.

Ob das allerdings geholfen hätte, den Skandal zu verhindern, kann niemand sagen. Fest steht allein, dass sich die bürgerliche Gesellschaft zunehmend mit denen einlässt, die auf ihre Werte pfeifen. Die Annahme, hinter jedem Gesicht verberge sich ein besserer Mensch, ist jedenfalls nicht mehr als ein frommer Wunsch moralisierender Dummschwätzer. Die Erfahrung lehrt etwas anderes.

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Leserpost

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Hjalmar Kreutzer / 17.04.2018

Integrationsbamby für Bushido. Als Ansporn, damit er sich irgendwann integrieren möge? Ohne weitere Worte.

Ulrich Schellbach / 17.04.2018

“Nur oberflächliche Menschen urteilen nicht nach Äußerlichkeiten. Das wahre Geheimnis der Welt liegt im Sichtbaren, nicht im Unsichtbaren”.  Immerhin hat es dieser Artikel über mir völlig unbekannte und unangenehme Menschen in einer öffentlichen, mir gleichgültigen und fremden Nabelschau geschafft, mal wieder den “Dorian Gray” zu lesen. Das ist schön.

Werner Arning / 17.04.2018

In der Kunstszene hat man immer schon das Schräge verehrt. Als habe Schrägheit eine ihr innewohnende besondere Kraft. Doch ist das eben nur eines von vielen eher dummen Vorurteilen, wie man auch an diesem Beispiel wieder sieht. Doch sollte man sich als Preisverleiher nicht den Anstrich der Seriösität geben. Das wirkt dann auch irgendwie deplatziert.

armin wacker / 17.04.2018

“Das oberste Kriterium fuer Verleihung des Echo ist der kommerzielle Erfolg. ” Da ist mir eine Helene Fischer aber schon lieber. Da braucht es keinen Ethikrat.

Gertraude Wenz / 17.04.2018

Kann es sein, dass die bürgerliche Gesellschaft so saturiert ist, dass sie den Kitzel braucht, sich mit dem untersten Niveau einzulassen? Ich sehe das als deutlichstes Zeichen von Dekadenz.

Michael Guhlmann / 17.04.2018

Nobelpreis für Literatur: Elfriede Jelinek. Alles klar. Das ist nicht steigerungsfähig.

Frank Meier / 17.04.2018

Ihre Theorie bricht schon bei den “kulleräugigen” Delphinen zusammen.  Diese töten fremde Jungtiere, fressen Kalmare bei lebendigem Leib und Gruppen von Männchen prügeln ein einzelnes Weibchen, bis es sich begatten läßt.

Marc Hofmann / 17.04.2018

Die Gleichmacherei = Diktatur des Sozialimsus ist die Geisel Deutschland und damit des freien Menschen/Bürger in Deutschland. Der Grüne Sozialismus von EU-DEUTSCHLAND ist eine Globaler Sozialismus der Gleichschaltung unter der Führung von Finanz- Wirtschaftseliten = Mafia. Gleichheit regiert…diktiert sich leichter… Die Erste Überlebensstrategie die ich meinen Kinder mit auf den Weg gebe…schau dir die Menschen…die Gesichter genau an…bevor du etwas äußerst oder tust….es gibt auch “Böses” auf dieser Welt und das nicht zu wenig!

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