Thomas Rietzschel / 22.05.2018 / 16:00 / Foto: Cezary p / 7 / Seite ausdrucken

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Paris bleibt Paris

„Wenn jemand eine Reise tut, so kann er was verzählen“, reimte der deutsche Dichter Matthias Claudius 1786 für den „Vossischen Musenalmanach“. Dabei muss es aber nicht immer das sichtlich Auffällige sein, das den Reisenden in Erstaunen versetzt. Mitunter kann man auch mit Verwunderung wahrnehmen, was es nicht zu sehen gibt.

Als ich die letzte Woche in Paris verbrachte, bin ich nirgends auf junge Männer „arabischen oder afrikanischen Aussehens“ gestoßen, die mir in Grüppchen versammelt den Weg verstellt hätten, auf keine Frauen, deren Kleider vom Hals bis auf das Trottoir wallten. Kein Kopf, der so eingebunden war, dass man nichts als das Oval der Gesichter gesehen hätte. Mit dem Burka-Verbot, das die Verschleierung in Frankreich untersagt, konnte das nichts zu tun haben. Solange Stirn, Augen, Nase und Mund zu sehen sind, dürfen Madame und Mademoiselle in Paris tragen, was ihnen gefällt.

Auch fehlt es dem Land nicht an Einwanderern. Rund sechs Millionen zählt die Statistik. Vierzig Prozent davon leben in und um Paris. Überwiegend sind sie aus Nordafrika zugezogen, vor Generationen oder in jüngster Vergangenheit. Man begegnet ihnen auf Schritt und Tritt, ohne dass das auffiele, in Geschäften oder als schlendernde Müßiggänger und immer gekleidet, wie es in der Metropole üblich ist, lässig die einen, eleganter die anderen.

Neukölln? Muss nicht sein!

Sicher, ich bin nicht hinaus in die Banlieues gefahren. Doch auch wenn ich in Berlin bin, zieht es mich nicht nach Neukölln. In den No-go-Areas hat unsereiner nichts verloren. Am Ende würde man nur der Polizei Scherereien bereiten, muss sie einen notfalls aus der Gefahr befreien. Mir genügt es, mich dort zu bewegen, wo ich zu tun habe, die Menschen ihrer Arbeit und ihrem Vergnügen nachgehen, wo sie sich in Cafés und Restaurants treffen.

Dazu hatte ich diesmal viel Zeit, der Termindruck hielt sich in Grenzen. Die Tage vergingen mit ausgedehnten Spaziergängen am linken Seineufer, durch Saint Germain und den Jardin du Luxembourg bis zum Montparnasse, dann weiter auf der anderen Seite des Flusses durch das Marais und über die großen Boulevards. Doch nirgends, nicht einmal in der Rue du Faubourg-Saint-Denis, wo man hinter der Porte Saint-Denis schon in den Schmelztiegel der Kulturen gerät, kam das Gefühl auf, ein moslemisches Schaulaufen zu erleben, wie wir es unterdessen in den Zentren deutscher Großstädte erleben. Keine Demonstration islamischer Gesinnung durch die arabische Verkleidung der Frauen oder die platzgreifende Versammlung junger Männer.

Ungeachtet seines Glaubens scheint sich jeder in den Kodex der französischen Zivilisation einzufügen. Noch einmal: in den Banlieues mag das anders sein. Und natürlich besteht nichtsdestotrotz die fortdauernde Bedrohung durch den islamisch motivierten Terrorismus, in Frankreich vermutlich sogar mehr als im übrigen Europa. Die Anschläge der letzten Jahre haben das gezeigt. Gleichwohl beschleicht einen nie das Gefühl der Expansion einer Parallelgesellschaft, die es auf ein Kräftemessen mit den bestehenden kulturellen Verhältnissen anlegen wollte.

Zurück nach Frankfurt

Bei dem nationalen Selbstbewusstsein der Franzosen erübrigt sich die Diskussion über eine „Leitkultur“ von vornherein, jedenfalls bis heute. Indem sie das respektieren, können auch die Zugereisten ihre Identität bewahren, ohne sich konträr in Szene setzen zu müssen. Wer möchte das heute noch von Deutschland behaupten, von einer Gesellschaft, die sich der multikulturellen Auflösung ihrer angestammten Kultur rühmt?

Schließlich war es die Kanzlerin höchst selbst, die uns die staatlich geförderte Ausbreitung des Islam als eine „kulturelle Bereicherung“ verkaufen wollte. Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD), stellte gar fest: „Eine spezifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifizierbar.“

Dass sich ein französischer Staatsbeamter ebenso gegen sein Land vergehen könnte, dass ihm die eigene Zivilisation derart schnurzegal wäre, darauf bin ich während der letzten Woche in Paris nie gekommen. Dagegen sprach alles, was ich nicht gesehen habe, nicht zuletzt das Fehlen der islamischen Kostümierungen, die hierzulande zum städtischen Erscheinungsbild gehören. 

Doch als ich am Bahnhof wieder in den Zug nach Frankfurt stieg, holte mich die multikulturelle Wirklichkeit wieder ein. Vor mir kletterten drei Frauen mit bodenlangen Walle-Kleidern und verhüllten Köpfen in den Wagen zurück nach Deutschland, dahin, wo sie mehr als in Paris ausrichten können, einer der letzten Hauptstädte Europas. 

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Leserpost

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Dr. Ralph Buitoni / 22.05.2018

Ich fasse es nicht - in was für einem Paris war Herr Rietzschel? Seit Jahren sind dort - nicht nur in den Banlieus, sondern in so beliebten Touristenvierteln wie dem Marais - Kampfgebete hunderter, wenn nicht tausender “Gläubiger” auf offener Straße üblich, inklusive Straßenblockaden. Von den inzwischen wöchentlichen Attentaten, bzw. Attantasversuchen zu schweigen. Und in den Pariser - und anderen franzöischen Banlieus - ist es inzwischen üblich, dass Frauen Cafes und Restaurants nicht mehr (männlich unbegleitet) betreten. So etwas gibt es nicht einmal in Neukölln. P.S. London hat inzwischen New York im Mordranking den Rang abgelaufen. Die Täter? Fast ausschließlich schwarze junge Männer, die sich in Gangs organisiert einen regelrechten Wettbewerb im Morden liefern - wer die höhere Punktzahl erreicht, ist der Massa. Lesen Sie natürlich nicht bei den deutschen “Leitmedien”. Auch nicht von der Schätzung einer britischen Richterin, dass in den letzten Jahrzehnten wohl ca. 1 Million (ich wiederhole: EINE MILLION) “weißer” britischer Kinder und Jugendlicher Opfer der sogenannten “grooming gangs” - aka: moslemischer, überwiegend pakistanischer Parallelgesellschafter - geworden sind. Die jungen Franzosen, die in den letzten Jahren Berlin entdeckt und erobert haben, sind übrigens nicht zuletzt vor solchen Verhältnissen geflohen. Deutschland hat da noch immer einen Rückstand von ca. 10 Jahren aufzuholen. Aber auch das werden wir schaffen.

Alexander Rostert / 22.05.2018

Das finde ich verblüffend, Herr Rietzschel, dass Ihre Mitreisende sich schon beim Einsteigen in den Zug nach Frankfurt als Gespenst verkleidete, denn das ist nach dem Gesetz ja gerade verboten in Frankreich - und Züge sind nicht exterritorial. Ich hatte dieses Erlebnis mal exakt auf der Rheinbrücke von Straßburg nach Kehl.

Petra Conze / 22.05.2018

Stimmt,  Sie waren nicht in den Banlieues, denn da sehen Sie tagsueber keine unverhuellten Frauen! Bin oefter dienstlich dort unterwegs und musste sogar schon mittags Halal essen da es nur ungefaehr 6 dieser Restaurants in Reichweite gab. Schlimmer aber ist dass es nun auch den bislang verschonten Westen erreicht, z .B. ein verhuelltes Maedchen ganz in Schwarz auf einer Schaukel bei 30 Grad: in Versailles wo ich seit 10 Jahren lebe! Alter: maximale 11 Jahre ! Freunde fluechten in das nahe und viel teure auf dem Land weil das Klientel per neuer Tramway in Massen in die Sozialwohnungen und Schulen stroemt: verkaufen ihr Appartement trotz (oder wegen) der neuen Tram Anbindung mit 10 % Verlust nach 8 Jahren in Velizy um sich in Buc (ohne Bahnhof !) ein mini Reihen Haus zu kaufen (und eine gute Schule !) welches im gleichen Zeitraum mehr als 45 % im Wert stieg! Aber es stimmt dass im Stadtkern Paris die Welt noch in Ordnung scheint ! Fuer die Touristen !

Werner Arning / 22.05.2018

Der große Unterschied zu Deutschland ist wohl, dass die Franzosen im Gegensatz zu den Deutschen, niemandem etwas beweisen wollen. Dieser Umstand wirkt entspannend.

Werner Arning / 22.05.2018

Die deutschen Diskussionen um die Leitkultur wären in Frankreich nicht vorstellbar. Ein Franzose könnte sich nicht vorstellen, die eigene Identität in Frage zu stellen, überhaupt auf so eine verrückte Idee zu kommen. Wer nach Frankreich kommt, hat sich dort anzupassen. Aufgrund der kolonialen Vergangenheit gibt es viele arabisch-oder schwarzafrikanisch stämmige Franzosen, jedoch steht fest, dass sie sich in Frankreich befinden und diese Tatsache stellt auch niemand in Frage. In den nördlichen Vororten von Paris oder auch in Städten wie Marseille sieht die Sache etwas anders aus. In Deutschland fehlt die Erfahrung mit arabischstämmigen Einwanderern. Diese wird bald nachgeholt sein. Man hätte sich natürlich auch zuvor schlau machen können. Aber das war nicht der Wille der politisch Verantwortlichen. Wer jedoch den Zuwanderern im eigenen Land fast schon mit Unterwürfigkeit begegnet, darf sich nicht wundern, wenn er nicht respektiert wird. Sie entspricht nicht dem natürlichen Verhalten, welches Andere in vergleichbarer Situation an den Tag legen würden. Es wirkt künstlich, aufgesetzt und unnatürlich. Die Franzosen leiden nicht an dieser Selbstverleugnungs-Selbstablehnungsstimmung und die Zuwanderer kämen nicht auf die Idee eine derartige Stimmung zu erwarten, noch sich diese zu erwünschen.

Wilfried Schultz / 22.05.2018

Ja, es ist richtig: Paris bleibt doch Paris. Die Franzosen, auch die linken Franzosen, selbst die französischen Kommunisten, verfügen über ein selbstverständliches nationales Selbstbewusstsein, das sich nicht nur auf kulturelle Aspekte beschränkt. Auch zugewanderte Franzosen und ihre Kinder stellen das nicht in Frage, sondern orientieren sich daran. Das unterscheidet sie von den Deutschen, die schon bei dem bloßen Gedanken an deutsches Selbstbewusstsein Angst und Panik überfällt. Deutsches Selbstbewusstsein, egal auf welchem Feld - Autobau und Fußball vielleicht ausgenommen - ist für die meisten deutschen Politiker, Journalisten und “Kulturschaffenden” automatisch purer Nationalismus und rechtsextremistisch. Mir macht es regelmäßig zu schaffen, wenn ich in Frankreich, England, Holland, Dänemark und Amerika den schroffen Gegensatz zu Deutschland erlebe. Kaum ein Mensch in diesen Ländern kann den neuen deutschen Weg verstehen. Viele können und wollen gar nicht glauben, was man ihnen über das “neue Deutschland” und die Manifestation des Neuen in den Medien, der Politik, der Gesellschaft und auf den Straßen erzählt. Auch in Frankreich und in England gibt es problematische Städte und Stadtviertel, dennoch ist es nur in Deutschland so, dass flächendeckend die neue “bunte Vielfalt” propagiert und erbarmungslos durchgesetzt wird, einschließlich der gesellschaftlichen Brandmarkung der wenigen Andersdenkenden.

Frank Meier / 22.05.2018

Ich empfehle Ihnen, am Abend mal über den Champs-Elysées zu schlendern und sich an den Zuwanderern aus den Banlieus zu erfreuen, die dort um diese Uhrzeit gerne ihre Zeit verbringen.

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