Thomas Rietzschel / 17.06.2018 / 11:30 / 13 / Seite ausdrucken

Gesehen, gelesen, gehört, verpasst: Die Nibelungen stehlen der Politik die Show

Vor uns liegen die besseren Tage, die heiteren Vergnügungen der sommerlichen Festspielzeit. Bis in den frühen Herbst könnten wir von einer Aufführung zur nächsten reisen und hätten, wenn es wieder kälter wird, dennoch das meiste verpasst. Landauf, landab wird musiziert, gesungen, gelesen, getanzt und gespielt.

In Worms vor dem Dom und in Bayreuth auf dem Hügel erwarten uns die Nibelungen. Im Rheingau, in Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern konzertieren große Orchester unter freiem Himmel, in historischen Parkanlagen, vor der Kulisse restaurierter Herrenhäuser oder im einstmals kleinsten Dorf des Landes, in Ulrichshusen, dessen alte Feldstein-Scheune heute zu den größten Konzertsälen des Nordens zählt. Auch zu den Festspielen in Bad Hersfeld, in Eutin, wo schon Leonard Bernstein dirigierte, in Xanten am Niederrhein, in Potsdam, in Quedlinburg oder im Bayrischen Wald zieht es die Besucher in Scharen.

Hunderttausende reisen zu hunderten von Veranstaltungen. Sobald es Sommer wird, finden die Deutschen wieder zu sich, kulturbeflissen und stolz auf das, was ihnen die Vorfahren hinterlassen haben: auf das Repertoire einer Nationalkultur, die sich stets auch durch die Begeisterung auszeichnete, mit der sie aufnahm, was die Musiker, die Dichter und die Dramatiker anderer Völker geschaffen haben. Nicht zuletzt der deutschen Aufklärung und Klassik verdankt sich die ethische Maxime der Toleranz.

Kultur als Ersatz für Politik

Auf eine gefährliche Weise lächerlich machten sich dagegen jene Dumpfbacken, die nachher glaubten, „Deutschland, Deutschland über alles“ preisen zu müssen. Weder hatten sie den Geist verstanden, mit dem Hoffmann von Fallersleben die Verse im Vorfeld der Revolution von 1848 schrieb, noch partizipierten sie an dem kulturellen Nationalgefühl des Volkes. Mit dem Selbstbewusstsein, das die Bürger daraus zogen, waren sie ihren machtbesessenen Politikern stets einige Nasenlängen voraus. Mehr als in anderen Ländern musste in Deutschland die Kultur ersetzen, was die Wortführer des Staates schuldig blieben, eine gesellschaftliche Orientierung, die sich mit der Tradition verträgt.

Daran hat sich bis heute nichts geändert. Während die Granden in Berlin das Volk einer Integrationskur unterziehen wollen, um es mit der multikulturellen Gehirnwäsche gefügig für die Durchsetzung ihrer geopolitischen Pläne zu machen, pilgern die Bürger – nicht alle, aber doch viele, denen noch etwas an ihrer kulturellen Verwurzelung liegt – wieder verstärkt zu Festspielen und Festivals. Fröhlich besuchen sie Veranstaltungen, die an das Erbe der weltoffenen Kulturnation anschließen. Alle wollen sie den Sommer in einem Getümmel genießen, in dem sie noch Mensch sein dürfen, gemeinsam und jeder für sich geborgen „in des Volkes wahrem Himmel“, nach dem sich schon Goethes Faust sehnte.

Mit der Vielzahl der Konzerte, der Opernaufführungen, der Dramen und Lesungen kann es die Politik auch in diesem Sommer nicht aufnehmen. Für wenige Wochen fällt ihr Schmierentheater beim Publikum durch, und das, obwohl es dem Staatszirkus keineswegs an Mimen fehlt, die figürlich in eine Burlesque Show passen würden. Nur, wer mag sich die schönen Sommerabende von den Auftritten einer Angela Merkel oder Andrea Nahles verderben lassen?

Es steht zu viel auf den Programmen, das wir nicht verpassen wollen. Von dem einen oder anderen wird hier noch zu berichten sein. 

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Leserpost

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Martin Lederer / 17.06.2018

Ehrlich gesagt, mir geht es nicht darum, ob die Deutschen gut oder böse sind. Ob die deutsche Geschichte jetzt eine edele oder eine übele ist. Mein Standpunkt ist: Ich bin nun mal Deutscher. Das ist weder gut noch böse. Es ist einfach eine Tatsache. Und ich finde es absolut krank, wenn jemand alles sein will, bloß nicht er selbst. Und genau das erscheint mir bei Linken sowieso, aber auch bei vielen “Gutmenschen” so: Man ist “Weltbürger”, “Europäer”, sonst irgendwas, aber um Himmels Willen bloß nicht Deutscher. Was mich immer noch verblüfft: Wenn jemand in den Vorstand eines Dackelzüchtervereins gewählt werden will, wird er sich doch anpreisen: “Ich tue alles für Euch Dackelzüchter in diesem Verein. Ich bin für Euch da. Ich will diesen Verein fördern wo ich nur kann. ...” Er wird doch wohl kaum sagen: “Wir müssen alles für den Schäferhundezüchterverein tun. Ihr müsst für die Schäferhundezüchter zahlen. Der Schäferzüchterverein ist viel wichtiger als der Dackelzüchterverein.” Aber genau mit solchen “Anti-Dackel”-Sprüchen werden Politiker in Deutschland gewählt. Was mich z.B. auch verblüfft: Wenn jemand zum Präsidenten der USA gewählt werden will, ist es doch normal, dass er sagt “America first”. Soll er sagen “Kanada zuerst”? Trotzdem wird er dafür angegriffen. Ein letztes Beispiel: Alice Schwarzer hat bei Lanz einmal freudig gesagt “Die Algerier sind ein stolzes Volk.” Man stelle sich einmal vor, irgendjemand würde im TV sagen “Die Deutschen sind ein stolzes Volk.” Der “Nazi-Ruf” des Establishments würde bis in die letzten Winkel dringen. Ich will einfach nur gleiches Recht für alle. Auch für uns Deutsche.

toni Keller / 17.06.2018

Nibelungen?  erleben wir leider gerade live, am Ende sind alle tot nur nur weil keiner sich traut mal Tacheles zu reden und immer weiter gemauschelt wird.

Kai-Uwe Klein / 17.06.2018

Ich sitze hier im köstlichen Vorharz….ich sehe es auch das die Menschen in unserer Heimat sich wieder auf ihre gemeinsamen Werte besinnen…es ist schön zu sehen das sie sich von denen da ,, Oben” nicht alles nehmen lassen. Danke für diesen Beitrag. Viel Spass für alle in diesem Sommer

Gudrun Meyer / 17.06.2018

Die dt. Kultur verfügt über sehr reiche musikalische, dramatische, lyrische, philosophische und wissenschaftliche Traditionen. Viel von diesem Erbe hüten wir heute noch. Aber von gelegentlichen Ausnahmen abgesehen bewahren wir es nur noch, wir haben aufgehört, es zu erweitern. Im 18. Jahrhundert haben deutsche Dichter Shakespeare entdeckt, der ihnen zwar weit überlegen war, den sie aber genügend verstanden, um ihn erstklassig zu übersetzen. Daraus resultierte eine dt. dramatische Tradition, die sich mehr an Shakespeare als an Racine orientierte, aber auch Racine (der großen Einfluss auf Schiller hatte) nicht vergaß. Und heute, wie läuft heute das künstlerische Multikulti? Doch im besseren Fall so, dass wir die orientalische und afrikanische Musik (die zum Teil wirklich gut ist) übernehmen, ohne sie weiter zu entwickeln oder jedenfalls zu variieren, was dt. Musiker noch im frühen 20. Jh. ganz sicher getan hätten. Im schlechteren Fall hören wir eine musikalische Perversion namens Rap. Amerikanische Spielfilme, auch gute, werden in D sehr viel gesehen, regen dt. Regisseure aber wenig an.  Von den Multikulti-“Kunstwerken” des “Zentrums für Politische Schönheit” brauche ich nichts zu erwähnen, das sind Ergüsse des Wahrheitsministeriums. Aber warum übernehmen wir gute Anregungen unverändert oder auch gar nicht, und warum lassen wir unsere Tradition immer musealer und staubiger werden, statt weiter zu machen, wo andere aufgehört haben? Warum haben wir so gut wie jedes Interesse an neuerer Lyrik verloren, so dass es für Gegenwartslyriker kaum noch eine Bühne gibt? Keine gegenwartspolitische Katastrophe würde uns an weiteren unpolitischen Kunstwerken hindern.

Marcel Seiler / 17.06.2018

Der Artikel, vermutlich ohne dass der Autor das will, bestärkt eine besorgniserregende Tendenz: dass das bürgerliche Publikum, so wie es die kulturellen Veranstaltungen als ZUSCHAUER besucht, ebenso die Politik nur als Zuschauer betrachtet. Demokratie bedeutet aber mehr, nämlich MITVERANTWORTUNG für das Gemeinwesen. Beifall und Buhs an den richtigen Stellen reichen nicht, die häufig zu beobachtende Apathie (“da kann man doch nichts machen”) noch weniger.

Heinz Wieland / 17.06.2018

Ein kluger und wohltuender Beitrag, sehr geehrter Herr Rietzschel! Bei Ihnen nicht ungewöhnlich.

Dietmar Preuß / 17.06.2018

Schade Herr Rietzschel, die Stelzen-Festspiele haben Sie vergessen.

Gabriele Schulze / 17.06.2018

Immer, wenn irgendwo ein bißchen viel Äktschn ist, für mein Nervenkostüm etwas zu viel, dann sage ich mir:“Komm, das ist doch genau das, vor dessen Verschwinden du Angst hast!!” Gilt auch auch für präpotente Besucher der Hochkulturevents…..Wer weiß, wie lange es das noch gibt. Oder nur noch in haram-Reservaten.

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