Es gibt ein Foto, darauf sieht man die Bundesministerin der Verteidigung im zartrosafarbenen Kampfanzug. Alles Ton in Ton, die Bluse unter dem kurzen Blazer noch etwas heller als der Rest der Aufmachung, passend dazu die Schühchen in der Trendfarbe „nude“.
Breit lächelnd blickt die Chefin deutscher Verteidigung in die Kamera. Sie ist in die Knie gegangen. Neben ihr ein Zelt, gerade groß genug, dass darin zwei Soldaten auf dem Bauch liegen können. Auch sie lächeln uns an, mit erhobenem Kopf auf die Ellenbogen gestützt. Die Gesichter sind, kontrastierend mit dem Teint ihrer Dienstherrin, dunkel bemalt; bei dem einen ziehen sich schwarze Streifen schräg von der Stirn bis zum Kinn. Die übliche Tarnung.
Bloß gut, denkt man unwillkürlich, bloß gut, dass Ursula von der Leyen gleich nach ihrem Amtsantritt sich darum gekümmert hat, die Spinde in den Kasernen mit „Schminkspiegeln“ auszustatten. Sonst müssten die Männer womöglich mit finsterer, schweißverklebter Miene neben ihr posieren. So aber ist ein Bild entstanden, dass es verdient, in die Sammlung des Deutschen Historischen Museums aufgenommen zu werden. Symbolisiert es doch den Umbau der Streitkräfte in eine Truppe, deren Darbietungen ästhetisch überzeugen müssen, ohne dass sie noch militärischen Anforderungen gerecht werden sollten.
Der bereits als zukünftige NATO-Generalsekretärin gehandelten Oberbefehlshaberin ist es gelungen, aus der Bundeswehr einen „Arbeitergeber“ zu machen, dessen Angestellten die Handhabung funktionierender Waffen zunehmend erspart bleiben wird. Zwar gibt es noch immer, weil das nun einmal zur Darstellung einer Armee gehört, Gewehre, Panzer und anderes schweres Gerät, doch steht vieles davon mittlerweile entschärft im Arsenal.
Es fehlt vor allem an politischem Rückhalt
Der Bestand der einsatzbereiten Ausrüstung ist auf 50 Prozent geschrumpft. Am Standort Munster könnten von 44 Kampfpanzern des Typs Leopard 2 gerade noch zwei ausrücken; von den 14 Schützenpanzern stehen drei zur Verfügung. Winterbekleidung und Zelte müssen notfalls, bei politisch zugesagten Auslandsmissionen, von einer Kompanie an die andere verliehen werden. Von „dramatisch schlechten“ Zuständen spricht der Wehrbeauftragte. Noch deutlicher wird der Vorsitzende des Deutschen Bundeswehrverbandes, André Wüstner, wenn er kurzerhand „die Auflösung der Bundeswehr“ vorschlägt.
Beileibe keine Panikmache eines frustrierten Soldaten, der unbelehrbar aufs Kämpfen versessen wäre, vielmehr die auf den Punkt gebrachte Konsequenz einer Politik, zu deren Vollstreckung Ursula von der Leyen berufen wurde. Dass ihr die Aufgabe auf den Leib geschrieben ist, dass es eines militärischen Dummchens bedurfte, dieses Projekt tatkräftig anzupacken, ändert nichts daran, dass sie sich auf den Konsens aller Parteien berufen kann. Denn tatsächlich fehlt es dem Heer, wie die FAZ schreibt, „nicht nur an Geld und Gerät“, sondern „vor allem an politischem Rückhalt“.
Zielstrebig wurden die Streitkräfte mit Abschaffung der Wehrpflicht und fortgesetzten Sparmaßnahmen über die Jahre hin, seit 1990, zu einem Ensemble umgebaut, das wie in Schillers „Wallenstein“ Armee spielen soll, ausgestattet mit Requisiten, nicht aber mit Waffen, die es den Akteuren erlaubten, zu sein, was sie darstellen. Wann wurden Soldaten jemals derart veralbert? Wer hat sie je zu einer Aufführung verdonnert, die wir unterdessen eher nach theaterkritischen als nach militärischen Kriterien zu beurteilen haben?
Die Vorspiegelung eines lustigen Soldatenlebens
Und das alles, ohne dass ihnen gesagt worden wäre, es gehe doch nur noch um die Attrappe, um einen Auftritt gleich dem der Schweizer Garde vor dem Vatikan, bloß nicht ganz so bunt. Dass die Männer, und mittlerweile auch viele Frauen, dann gleichwohl zu hoch gefährlichen Auslandseinsätzen abkommandiert werden, setzt der Heuchelei die Krone auf.
Es grenzt an Verhöhnung, wenn die Parteien jetzt das große Wehklagen anstimmen und sich scheinheilig über die schlechte Ausrüstung erregen. Oder haben die Roten, die Schwarzen, die Gelben und die Grünen schon vergessen, welche Debatten es jedes Mal gab, sollte eine neue Flinte angeschafft werden: Wozu diese Kosten, wozu überhaupt noch eine Armee, die feuern kann?
Wie kommt die CDU, die Partei der Frau von der Leyen, dazu, sich plötzlich über den „desolaten Zustand der Ausrüstung“ zu ereifern? Woher nimmt Andrea Nahles den Mut, laut zu tönen, dass „die Bundeswehr für ihre Aufgaben gut gerüstet sein muss“? Welche Aufgaben meint sie, wenn die SPD zugleich zu verhindern versucht, dass zukünftig zwei Prozent unseres BIP für die NATO aufgewendet werden? Von welcher Amnesie ist die FDP befallen, dass sie den „erbärmlichen Zustand“ der Bundeswehr beklagt, als sei sie aus allen Wolken gefallen?
Wenn hier etwas „erbärmlich“ ist, dann doch nur eine politische Aufführung, die der Theaterkritiker nach Strich und Faden verreißen müsste. Die Vorspiegelung eines lustigen Soldatenlebens wie auf dem Foto der Verteidigungsministerin mit den lachenden Soldaten. Das Bild passt wie die Faust auf’s Auge: Kasernen-Barbie im Feldlager. Beinahe schon ein Kunstwerk.