Glücklicherweise geht es in der Kleinstadt, in der ich lebe, noch gepflegt zu - sowohl was die Kleidung als auch das Verhalten betrifft. Aber schon in der nicht weit entfernten Großstadt (Altstadt ist Weltkulturerbe) musste ich bei mehreren begeisternden Konzerten in Kirchen erleben, dass einige Zuhörer ihrer Begeisterung durch schrille Pfiffe Ausdruck verliehen. Dass während eines Konzertes - ich rede nicht von Rockkonzerten - auf Smartphones herumgetippt (sehr lästig, wenn man so eine Nachbarin hat) und auch noch fotografiert wird, ist ungezogen. Für den konzentrierten Besucher schmilzt der Genuss dahin. Warum Dirigenten meist nicht darum bitten, auf die Nutzung von Smartphones zu verzichten, verstehe ich nicht. Die meisten Besucher wären dankbar, während eines Konzertes/ einer Aufführung nicht durch die leuchtenden Displays von rücksichtslosen Handynutzern gestört zu werden. Übrigens: Anfang der 80er Jahre war ich in Peking und habe mir eine chinesische Oper angesehen. Es war selbstverständlich, dass während der Aufführung gegessen, sich laut unterhalten wurde und Kleinkinder, die mal mussten, dies einfach in den Gängen im Theatersaal tun durften. Ich nehme an, dass dies in Peking/in China nicht mehr üblich ist. Der Verfall der Sitten wird bei uns hoffentlich nicht so weit führen; wenn man sich allerdings ansieht, wie selbst in Opernhäusern und Theatern manchmal die Toiletten aussehen, kommen doch Zweifel auf. Begrüßenswert fände ich auch, wenn sich Frauen und Männer durchweg dem Garderobenpersonal gegenüber freundlich und höflich verhalten würden. Auch das hat etwas mit Kultur zu tun!
Tja Herr Rietzschel, >Prole Drive< halt, allenthalben und überall, zu jeder Tages-und Nachtstunde. Weite Teile der Gesellschaft sind am Ende. Der Prophet kommt nicht zufällig zur für ihn richtigen Zeit in dieses Land und den Kontinent, den es einst - auch künstlerisch - so sehr befruchtete. Ihnen besten Dank für die ausschnittsweise tragikomische Revue des Zustandes hiesigen Theatergeschehens.
Da hatten Sie mit der Wahl Ihrer Spielstätte offensichtlich noch Glück. Beim Theaterbesuch einer Kultur- & Landeshauptstadt sieht nicht nur ein Großteil der Männer wie von Ihnen beschrieben aus, nein auch die Damen wirken, als wären sie zum Geburtstag der Gartennachbarin in der Vereinslokalität “Zur schönen Aussicht” geladen. Nähere Beschreibungen erspare ich mir ..... Meine Frage in einem Forum, wo man noch entsprechend gut (nicht überzogen!) gekleidete Menschen treffen und einen netten Abend verbringen könnte, bekam ich den Hinweis: Im Spielkasino. Dort dürfe man nur mit guter Garderobe Eintritt begehren. Ich habe das noch nicht überprüft. Was lehrt es uns, wenn im (Regie)Theater eine allgemeine äußerliche Vernachlässigung akzeptabel wird und “die Hölle des Glücksspiels” sich zum letzten Refugium bürgerlicher Kultur aufschwingt? (Die netteste Anekdote: In der 1. Reihe einer musikalischen Revue-Show telefoniert eine Besucherin mit ihren Handy so laut, dass die Vorstellung unterbrochen wird, um die Dame zur Ruhe zu bitten. Woraufhin sie laut mitteilt: “Aber es ist wichtig” und weiter spricht. Nein das habe ich mir nicht ausgedacht.)
“Während die Kleidung der Damen nach wie vor die Freude an einer auffälligeren Eleganz erkennen ließ, wirkten die Männer wie vom Sofa gefallen. Meist nur angezogen mit einem Hemd, öfter kurzärmelig und mitunter großflächig kariert, locker heraushängend über Hosen, die seit ihrer Anschaffung von keinem Bügeleisen traktiert wurden. Vorherrschend war die Etikette der Fußballgesellschaft. ” In einem Land, wo das Fernsehen in viele Fällen vormacht, daß Moral und Anstand überholt sind, was erwarten Sie denn dann von einer bestimmten Klientel ? Abgesehen davon, daß einige (oder auch viele) Männer nur ihren Frauen zuliebe mit ins Theater gehen. Im Fernsehen kann ich immer mehr “bewundern”, daß die Akteure (ob Mann oder Frau) z. B. nach Hause kommen, sich nicht die Hände waschen, sofort zum Kühlschrank gehen und dann bereits am Nachmittag sich den Rotwein regelrecht reinsaufen. Manchmal nehmen sie eine Flasche Milch oder Wasser und trinken natürlich aus dieser, pfui Teufel. Zum Glück sind in unserer Familie und bei meinen Freunden und Bekannten diese Sitten nicht an der Tagesordnung. Was das Theater angeht, die Inszenierungen sind oft derart gewöhnungsbedürftig, daß ich seit Jahren kein Theater mehr betreten habe. Ich hatte das große Glück, weil wir direkt im Theater gewohnt haben, daß ich von meinem achten Lebensjahr (Hänsel und Gretel) bis zu meinem dreißigsten, jedes Theaterstück, ob Drama oder Lustspiel, jede Oper, Operette, auch Varietee und Kabarett und wunderbare Lichtbildervorträge kostenlos anschauen durfte. Ich war Stammgast im Theater und damals waren alle Gäste festlich gekleidet. Allerdings waren auch die Inszenierungen und die Bühnenbilder wunderschön. Es hat sich sehr vieles geändert und leider oft nicht zum positiven.
Die Kritik ist durchaus angebracht. In Berlin kann man bei einem exquisiten Residenzkonzert in Barock - Kostümen mit VIP - Abendessen im Charlottenburger Schloss durchaus Zuhörer in Jeans erleben; gleiche Stillosigkeiten in der Philharmonie. Bleibt zu hoffen, dass Berlin nicht die Regel ist. Nur: Wenn sich der Autor vielleicht “Die Fledermaus” oder “Frau Luna” oder ähnlichen musik - untermalten Schwachsinn antut, kann er auch seine Erwartungen an das ‘verehrte’ Publikum nicht zu hoch schrauben. Oder wenn sich profilierungssüchtige Regisseure am sogenannten modernen Regietheater versuchen, dann dürften lässig gekleidete Fans jubeln, wenn Hamlet mit Yoricks Schädel Fußball spielte…. usw.
Schon dass die „Stimme aus dem Off“ über die Anstandsregeln im Theater belehren muss, zeigt doch, welche Kulturbanausen unser Bildungssystem hervorbringt.
Ihre Beobachtungen teile ich. Ich finde, dass reflexartiger Applaus und Zugaben-Gegröle v. a. verhindern, dass etwas von Musik, Gesang oder Schauspiel beim Zuhörer oder Zuschauer überhaupt ankommt und berührt.
Genau diese Beobachtungen mache ich auch. Egal, ob Theater, Oper, Vernissage und auch private Feiern wie Hochzeiten und offizielle Empfänge, überall finden sich Menschen, die durch ihre Kleidung zeigen wollen / müssen, dass sie fern alle Konventionen leben. Dabei ist es nicht nur Anstand, sich mit der Kleidung dem Anlass anzupassen, sondern es ist auch ein Zeichen von Höflichkeit den Gastgebern (wobei ich auch Musiker im Konzert, Braut und Bräutigam, Dirigent etc hinzuzähle) gegenüber, sich angemessen zu kleiden und diese nicht “overdressed” erscheinen zu lassen! Über deutsche Ess-“Kulturen” erspare ich mir jeden Kommentar!
Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.