So ganz scharlatanig finde ich ihn Beuys nicht, auch nach dem langen zeitlichen Abstand nicht. Der Mann war eine Persönlichkeit, und die phantastischen Geschichten um den Fett-Filz-Hintergrund hat eben das Bedürfnis derjenigen Kunstkonsumenten bedient, die unbedingt eine Erklärung wollten. Ich habe ihn einmal gesehen in einer Ausstellung in Hannover, in der eine riesige gefällte Tanne diagonal im Ausstellungssaal lag, dazu irgendwelche Steinmuster auf dem Boden ... Das muss man nicht schön oder noch weniger als künstlerisch originell empfinden, es erzeugte aber eine heilige Stimmung. Und er Meister durchschritt den Saal, umwieselt von der Schar seiner Jünger. Sicherlich waren auch einige Provinzpolitiker dabei, die von Beuys´ Bekanntheit einen Hauch abhaben wollten. In Düsseldorf wohnte ein Bekannter in Sichtweite mit dem berühmten Künstler, der genauso wie andere in Oberkassel Probleme hatte, sein Fahrzeug (Jaguar) zu parken. Man sah, dass er gut Geld verdiente. Der spätere Bundespräsident Rau erwarb als NRW-Kultusminister eine internationale Bekanntheit dadurch, dass er Beuys als Prof. der Kunsthochschule entliess, weil der (- wie ich mich meine zu erinnern) bestimmte rechtliche Regelungen nicht einhielt. (Ob er Studierende ohne schulische Voraussetzungen aufnahm oder nie zu Vorlesungen erschien?? Weiss ich nicht mehr, müsste im Archiv der Rhen.Post zu finden sein.) Also: Scharlatan - nein. Eben ein Künstler im weiteren Sinne. Und gut zeichnen konnte er auch. (Aber das soll Richter ja auch können,) liest man.)
@ Alexander Brandenburg: Wenn ich mich richtig erinnere - bin selbst Kasseläner -, so kamen an den Basaltsteinen nicht wenige zu Tode. Das könnte man vermutlich auch als Teil des Gesamtkunstwerks sehen, ist aber vermutlich selbst für Beussche Verhältnisse zu geschmacklos.
Es heisst, dass sich Beuys hinter vorgehaltener Hand aber unmissverständlich über all jene lustig gemacht hat, die voller Ehrfurcht “Tiefsinniges” beim Anblick seiner stinkenden Honigpumpe (auf irgendeiner Dokumenta) von sich gelassen haben. Enthüllt hat er das natürlich nicht wirklich, der Mann musste ja von was leben. Was ist Betrug? Wir brauchen einen Irrtum des Getäuschten, der von dem Betrüger erregt wird, kurzum: der Irrtum, das Schwachsinn Kunst ist. Aber ist das eine Fehlvorstellung von Tatsachen? Ist Kunst eine Tatsache? Leider nein. Also war er kein Betrüger, sondern nur ein Scharlatan, ein Rasputin, der nackeste Kaiser aller Zeiten, von seinem speichelleckenden Kretingefolge in virtuelle Seide gehüllt. Beuys war immerhin kein kompletter Idiot wie seine gesammelte Gefolgschaft. Die Entstehung der Kunstsekte um den Scharlatan erinnert übrigens fatal an die Jüngerschar, die Brian hinterher rennt. Erst mit der Flasche, dann mit der Sandale. Der Unterschied ist nur, dass Brian dafür überhaupt nix kann.
Ursprünglich dachte ich mal, ich hätte Beuys verstanden, als ich von seiner “Capri-Batterie” erfuhr: eine gelbe Glühbirne in eine handelsübliche Fassung schrauben, diese in eine (echte!) Zitrone quetschen und das Ganze 200 Mal zu je 15000 Euro verkaufen. Inzwischen ahne ich, dass ich dadurch eher Einstein verstanden habe: “Zwei Dinde sind unendlich: das All und die menschliche Dummheit”! Letztere entlarvt zu haben, war wohl nicht unbedingt Beuys’ Absicht - aber dennoch sein Verdienst!
Ich bin vielleicht altmodisch, aber ein “Kunstwerk”, bei dem mir ein “Künstler” erklären muss, was er da eigentlich darstellen wollte, ist höchstens ein Marketinggag. Da verstehen viele was von: die Bitcoin-Jünger, die Tesla-Wolkenschieber, die Investment-Gurus mit “50%- pro-Jahr-Gewinn”-Chancen. Jeder halt in seiner Branche Der Künstler setzt darauf, dass alle staunend in Verzückung geraten, ob der tiefen Ausdruckskaft und Seelenarbeit dieses Künstlers. Wenn dann ein Kind, kommt und sagt: “das ist doch Krikel-Krakel”, dann kommt man der Sache schon näher. Kinder und Betrunkene sagen die Wahrheit. Für einen Beuys würde ich keinen Cent zahlen.
Laut einer Rezension in WELT Online sieht Herr Riegel Beuys in erster Linie als grün gefärbten Braunen, Verehrer von Rudolf Steiner und Scharlatan.
Mit Hape Kerkeling: Hurz! Beuys war einer der ersten Hurzer. Allerdings von unerbittlicher Humorlosigkeit.
Vielen ank für die Infos. Ich finde das alles sehr interessant und werde die Beuys-Biografie von Hans Peter Riegel auf jedenfall lesen, allerdings ohne einen Landsitz zu besitzen.
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