Es ist wieder Beuys-Zeit. Seit Tagen geistert der Name des „herausragenden Künstlers" (FAS) durch die Feuilletons. Und es wird gewiss nicht das letzte Mal sein, dass das „Totemtier“ (WamS) unter die Kunsthistoriker fährt, wenn auch die Wellen der Debatte zunehmend in größeren Abständen plätschern. Wurden zu seinen Lebzeiten weit über 100 Ausstellungen gezeigt, so liegt die letzte größere Beuys-Retrospektive inzwischen bereits gute acht Jahre zurück. Um den Untoten nochmals aus der Versenkung zu zaubern, bedurfte es jetzt einer gewaltigen Biographie: Beuys auf über 1.000 Seiten. Geschafft hat das der Schweizer Werbefachmann und Medienunternehmer Hans Peter Riegel.
Das Opus, drei Bände umfassend, wiegt schwer. Ich sage das mit allem Respekt und umso unbekümmerter, als ich noch keine Zeile davon gelesen habe. Später, an den langen Winterabenden, die ich dereinst als Landedelmann auf meinen Gütern verbringen werde, will ich das nachholen. Dann werde ich vielleicht sogar erfahren, was denn das einstige Großmaul der deutschen Kunstszene wirklich war: ein überragendes Genie oder doch nur ein in der Wolle grün gefärbter Nationalsozialist. Die einen sind von diesem so überzeugt, wie die anderen von jenem.
An der Beuys-Front wird scharf geschossen – so scharf, wie es der Mann mit dem Hut als Kriegsheld der Wehrmacht erlebt haben will. Später soll er gern darüber gesprochen und erzählt haben, dass er eines Tages über der Krim abgeschossen wurde und justament von den Tataren in Filz und Fett gebettet wurde.
Als Hochstapler eine Klasse für sich
Stimmte zwar alles nicht, war aber doch eine schöne Geschichte, phantastisch, wie sie nur einem einfallen konnte, der es verstand, als Aufschneider Karriere zu machen. Freund und Feind hat er so geschickt zum Besten gehalten, dass sie sich bis heute nicht davon abbringen lassen, den Narren ernst zu nehmen.
Stellen wir allerdings in Rechnung, dass auch die Bauernfängerei eine gewisse Begabung voraussetzt, dann ist Joseph Beuys zweifelsohne zu den großen Talenten der jüngeren Kunstgeschichte zu zählen. Ganz gleich, was man sonst von seinem Werk halten mag, als Hochstapler war der Kerl eine Klasse für sich. Unterdessen mag das nichts mehr sein, das den Bürger verwundert. Seinerzeit aber, vor einem halben Jahrhundert, gehörten durchaus Mut und Kreativität dazu, der Gesellschaft vorzumachen, wie man sie für dumm verkaufen kann. Da ging Beuys der Zeit so voraus, wie wir es von jedem originären Künstler erwarten dürfen. Er war Avantgarde, als er begann, in Filz und Fett zu machen. Wem würde so etwas heute, zumal im politischen Leben des Jahres 2018, noch ein- oder auffallen.
PS: Den Beuys-Riegel will ich nun doch lieber auf eBay anbieten. Denn wer weiß, ob meine Ersparnisse nächstens ausreichen werden für den Erwerb des Landsitzes, auf dem ich den Wälzer brauchen könnte, um die Zeit totzuschlagen.