Am 2. April 2023 detonierte ein Sprengsatz in einer St. Petersburger Bar. Trotz der mehr als 30 Verletzten gab es nur ein Todesopfer – den bekannten russischen Militärblogger Maxim Fomin. Wer war der Mann, der unter dem Pseudonym Wladlen Tatarskij für Moskau über den Krieg in der Ukraine berichtete? Und wer sind die Hintermänner seiner Ermordung?
Das auf Maxim Fomin verübte Attentat erfüllt alle Kritikerin einer filmreifen Inszenierung. Es gibt einen Bösewicht, eine mysteriöse Blondine und eine verdeckte Operation. Am Nachmittag des vorvergangenen Sonntags richtete der prominente Militärblogger im Kreise seiner Anhänger einen „kreativen Abend“ aus. Die Veranstaltung wurde gefilmt, das Video ist bei YouTube abrufbar. Die Lokalität, die Street Food Bar Nr. 1, gehört Wagner-Chef Jewgenij Prigoschin. Sein Büro befindet sich in Sichtweite.
Die überwiegend jungen Gäste haben sich an mehreren Tischen zusammengefunden. Gebannt blicken sie auf Fomin, der auf einer kleinen Bühne steht. Auf die Wand hinter ihm ist sein Konterfei projiziert. Im Hintergrund sind verschiedene Sturmgewehre zu einem Kranz aufgespannt. Darunter prangt der Schriftzug: „Wladlen Tatarskij. Es gibt einen Beruf namens Kriegskorrespondent.“ Die Atmosphäre wirkt martialisch. Fomin spricht leidenschaftlich über seine Tätigkeit als Berichterstatter. Er ist in seinem Element.
Plötzlich ist eine junge Frau zu sehen. Sie hat lange blonde Haare und trägt einen braunen Geschäftsmantel. Die Polizei wird sie später als Daria Trepowa identifizieren. Und sie zur Hauptverdächtigen der Ermittlungen erklären. Im Netz ist ein Video im Umlauf, das Trepowa beim Betreten der Bar zeigt. Ihr todbringendes Geschenk trägt sie mit beiden Armen vor sich her. Fomin scheint Trepowa zu kennen, sein Umgang mit ihr wirkt vertraut. Merkwürdig ist, dass er sie als „Nastja“ anspricht. Niemand der Anwesenden scheint das zu hinterfragen. Sie berichten später, Nastja habe sich als Künstlerin vorgestellt. Ihr Geschenk soll sie zunächst in der Garderobe verstaut haben.
Nachdem ein Mitarbeiter die Präsentbox schließlich entgegengenommen und auf einem kleinen Tisch auf dem Podium deponiert hat, will Trepowa gehen. Dazu kommt es jedoch nicht. Fomin ist begeistert und bittet zu bleiben. Sie solle auf der Bühne neben ihm Platz nehmen. Trepowa tut das. Sie kehrt um, geht an Fomin vorbei und setzt sich in einer Entfernung von etwa zwei Meter links neben ihn. Die Veranstaltung läuft derweil weiter.
Fomin packt nun das Geschenk aus. Neben ihm steht sein Mitarbeiter. Über das Mikrofon macht er Witze. Was für ein hübscher Kerl sich in der Präsentbox befinde, fragt er mit einem Grinsen. Das Publikum lacht. Die Stimmung ist heiter. Fomins Telegram-Kanal hat mehr 560.000 Follower. Er ist es gewohnt, vor einem großen Publikum zu sprechen, sich zu inszenieren. Seine Videos auf dem Kurznachrichtendienst werden millionenfach geklickt. Er gilt als einer der prominentesten prorussischen Kriegsblogger.
200 Gramm TNT in der Büste
Schließlich holt Fomin das Corpus Delicti hervor – eine aus Gips gefertigte, goldfarbene Büste. Sie ist seinem Gesicht nachempfunden und trägt einen russischen Stahlhelm. Fomin ist begeistert und nimmt sein Geschenk nun aus nächster Nähe in Augenschein. Es sind die letzten Augenblicke seines Lebens, das wenig später im Feuersturm einer Explosion enden wird. Doch so weit ist es jetzt noch nicht. Fomin stellt die Büste auf dem Tisch ab und wendet sich nun Trepowa zu, die noch immer neben ihm auf der Bühne sitzt. Sie macht keine Anstalten, die Bar zu verlassen. Wusste sie womöglich gar nicht, dass sie Fomin einen Sprengsatz überreicht hatte?
Kurz darauf kommt es zur Detonation eines Sprengsatzes. Trepowa soll ihren Platz rechtzeitig verlassen haben. Genau rekonstruieren lässt sich das nicht. Die Explosion ist so stark, dass das Fensterglas der im Erdgeschoss gelegenen Bar zerplatzt. Aus drei Fenstern dringt eine wilde Feuersbrunst nach außen. Dass außer Fomin sonst niemand ums Leben gekommen ist, grenzt an ein Wunder. Das Opfer selbst hatte keine Chance. Die Polizei geht davon aus, dass 200 Gramm TNT in der Büste deponiert waren. Dabei handelt es sich um eine Menge Sprengstoff, die auf so begrenztem Raum verheerend wirkt. Ob die Vermutung der Ermittler tatsächlich zutrifft oder ob der Sprengsatz schon vorher im Raum angebracht worden war, ist derzeit noch unklar.
Innerhalb kurzer Zeit hat sich die Nachricht über das Attentat wie ein Lauffeuer im Netz ausgebreitet. Wer aber war Maxim Fomin? Und wer sind die Hintermänner des auf ihn verübten Attentats?
Fomin wurde 1982 in Makijiwka im Donbass geboren. Sein Vater war Bergarbeiter, und auch Fomin will diesem Beruf zeitweise nachgegangen sein. Seinen Vater hat Fomin als russischen Patrioten bezeichnet, der ihn in einem patriotischen Geist erzogen habe. Über seine Jugend erklärte Fomin: „Schon als Kind habe ich während des Ukrainischunterrichts einige kleine Dissidentenstreiche verübt. Ich habe immer wieder versucht, den Unterricht zu stören, mit den Lehrern zu streiten und zu beweisen, dass wir das nicht nötig haben. Generell war ich ideologisch engagiert.“
Über sein Leben vor 2014 schrieb Fomin: „Ich habe im Bergwerk gearbeitet, Geschäfte gemacht. Ich war kriminell und saß im Knast.“ Das ist nicht gelogen. Tatsächlich war Fomin Insasse der Strafkolonie Nr. 57 in Gorliwka. Seine Haftstrafe verbüßte er wegen bewaffneten Bankraubes. Am 8. Dezember 2011 war er zu insgesamt 8 Jahren Haft verurteilt worden. Gemeinsam mit zwei Komplizen hatte er in Makijiwka eine Filiale der „Privatbank“ überfallen. Die Bilanz des Raubes fiel bescheiden aus. Das Trio erbeutete lediglich 12.000 Hrywnja, 1.250 Euro, 255 Dollar und 10.800 Rubel. Noch am Tag des Überfalls wurden die Täter festgenommen. Keine drei Jahre blieb Fomin in Haft. Am 27. August 2014 gelang ihm die Flucht. Kurz zuvor hatte die bewaffnete Sezession in der Ostukraine begonnen.
„Die russische Idee ist der Krieg“
Wieder in Freiheit, schloss sich Fomin nun den Milizen der kurz zuvor proklamierten Volksrepublik Donezk an. In dieser Formation nahm er aktiv an den Kampfhandlungen teil. An der Front trug Fomin den Spitznamen „Professor“. Der Dienst an der Waffe scheint ihm allerdings nicht besonders gefallen zu haben. Folglich beschloss er, Kriegsberichterstatter zu werden. Hierzu begann er zunächst, für kleinere pro-russische Gruppen auf dem sozialen Netzwerk VK zu schreiben. Das war im Jahr 2016. Wenig später startete er dann seinen eigenen Blog. Hier erschienen nun regelmäßig Interviews und Berichte über den Verlauf der Kämpfe. Über seine Tätigkeit als Militärblogger im Donbass schrieb Fomin 2017:
„Ich persönlich habe eine leicht gespaltene Persönlichkeit. Ein Teil von mir möchte bequem leben, ruhige Familienabende verbringen und im Büro arbeiten; aber wenn draußen vor dem Fenster der Kanonendonner zu dröhnen beginnt, wird mir klar, dass ich bereit bin, alles fallen zu lassen und dorthin zu rennen, um mitten im Geschehen zu sein. Nein, ich bin nicht krank. Mein Problem ist, dass ich als Russe geboren wurde. Die russische Idee ist der Krieg.“
Im Gegensatz zu späteren Zeiten, beschränkte sich Fomins Berichterstattung damals noch auf die Kritik an den Zuständen in den paramilitärischen Streitkräften der Volksrepublik. Besonders die mangelnde Disziplin der Volksmilizen war Gegenstand seiner Analysen. Mit sichtlicher Empörung schrieb er:
„In den Schützengräben trinken sie viel und gottlos. Sie trinken in den Stäben. Auch die Besatzungen von Kampffahrzeugen und Artilleriebesatzungen saufen sehr viel. Das führt nicht selten zu tragischen Folgen. Und zwar nicht nur zu trivialen Selbstverletzungen, sondern auch zu Positionsverlusten und zur Nichterfüllung von Aufgaben. Ich weiß nicht, wie es in Afghanistan oder Syrien ist, aber in Tschetschenien und im Donbass gab es interne Streitigkeiten auf beiden Seiten.“
Fomin legte auch mit Blick auf die Kampfmoral der Milizen oft den Finger in die Wunde. Immer wieder kam er zu dem Schluss, dass diese unter einer Form des Neofeudalismus litten. Ihre Angehörigen hätten sich um „die neuen Fürsten zusammengeschlossen und Plünderung und Krieg miteinander kombiniert.“ Fomin bemühte sich aber auch, seine Sicht als Korrektiv einer verzerrten Darstellung durchzusetzen. All die Märchenerzählungen, so Fomin, wonach aus er aus Irkutsk in den Donbass gekommen sei, um Kinder zu schützen, und es in Sneschnoje keinen NATO-Stützpunkt gebe, seien Fake News. Noch absurder seien die Geschichten, dass er in den Donbass gekommen sei, weil die Verfassung der Ukraine keine Sezession zulasse.
Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl der Abonnenten auf 570.000
Ein anderes Mal sprach Fomin eine Warnung an Kriegsfreiwillige aus: „Bevor ihr in den Krieg zieht, denkt darüber nach, ob ihr in diesen Abgrund blicken solltet? Seid ehrlich zu euch selbst! Vielleicht vermisst ihr einfach nur ein regelmäßiges Ballspiel oder einen Nahkampf im Ring?“ Die schon damals ausufernde Brutalität der russischen Behörden kommentierte er hingegen wie folgt: „Wenn Ihr für lange Zeit in unserem Land herrschen wollt, dann seid bereit, Eure Angehörigen zu töten.“
Im Jahr 2017 beschloss Fomin, seine Aktivitäten auf Telegram zu verlegen. Das war insofern die richtige Entscheidung, als sich Telegram zu dieser Zeit im Aufwind befand. Hinzu kam, dass Fomins Popularität als Kriegsblogger damals lediglich lokaler Natur war. Noch am 23. Februar 2022 hatte sein Kanal lediglich 30.000 Abonnenten gezählt. Mit anhaltender Kriegsdauer sollte sich dies jedoch ändern. Innerhalb eines Jahres stieg die Zahl seiner Abonnenten auf 570.000.
Im Frühjahr 2022 sorgte Fomin dann mit folgender Verlautbarung für Aufsehen. So gab er an, von der bevorstehenden Invasion der Ukraine bereits im November 2021 erfahren zu haben. Dazu erklärte er: „Stimmt, sie dachten, es sei im Januar. Am 2. Februar kam ich im Donbass an und wusste bereits, was ich hier tun würde“. In diesem Zusammenhang ergänzte er, an der Front nicht nur mit „militärischer Arbeit“ beschäftigt gewesen zu sein, sondern auch „Kampfeinsätze“ durchgeführt zu haben.
Im Verlauf des ersten Kriegsjahres gewann Fomin rasch an Popularität und wurde einem stetig wachsenden Publikum bekannt. Regelmäßig war er nun in verschiedenen Fernsehsendungen zu Gast. RT beauftragte ihn sogar mit dem Verfassen von Texten; ferner wurde er Co-Moderator des Autors Michail Swintschuk, des pro-russischen Militärtelegramkanals Rybar auf dem Kanal Solovyov.Live.
Auf dieser Bühne wandte sich Fomin allmählich größeren Themen zu. Er ging nun dazu über, die offizielle russische Propaganda wiederzugeben. Dazu zählte auch das Mantra der vollständigen Zerstörung des ukrainischen Staates. Dieser sei in seiner gegenwärtigen Form „antirussisch“. Damit die Ukraine in einer anderen Form existieren könne, müssten die Ukrainer von Russophobie und Nationalismus geheilt werden, und zwar in derselben Weise, wie die eigenen Vorväter einst das große Deutschland von seinem dämonischen Führer und dessen Ideen geheilt hätten, mit denen sie infiziert gewesen seien.
Verstärkt das russische Verteidigungsministerium kritisiert
Fomins Popularität wurde von den Mächtigen in Russland mit Wohlwollen gesehen. Und honoriert. Am 30. September 2022 durfte er im Kreml der offiziellen Unterzeichnungszeremonie für den „Anschluss der besetzten ukrainischen Gebiete an Russland“ beiwohnen. Feierlich erklärte er auf seinem Kanal: „Wir werden alle besiegen, wir werden alle töten, wir werden alle berauben, die beraubt werden müssen; alles wird so sein, wie wir es wollen.“
Anders als zahlreiche andere Aktivisten der prorussischen Militärbloggerszene hatte Fomin die Lage an der Front immer überaus optimistisch eingeschätzt. Im Herbst 2022 beispielsweise hielt er den Erfolg der ukrainischen Offensive in der Region Cherson für sehr begrenzt; als sich die russischen Truppen daraufhin wenig später hinter den Dnjepr zurückgezogen hatten, erklärte er, dass die Situation gar nicht so bedrohlich sei und noch immer bereinigt werden könne.
Kurz nach der vernichtenden Niederlage bei Cherson leitete Fomin einen weiteren Kurswechsel ein, indem er nun verstärkt das russische Verteidigungsministerium kritisierte. Dies hatte zur Folge, dass er nun immer mehr als Propagandist im Umfeld von Jewgenij Prigoschin wahrgenommen wurde. Dass sein „kreativer Abend“ in einer von dessen Petersburger Lokalitäten veranstaltet wurde, deutet in der Tat auf Verbindung zum Netzwerk des Wagner-Chefs hin. Prigoschin nahm auch an der Beisetzung Fomins teil, die am 8. April 2022 in Moskau stattfand.
Wie schon im Falle der im August 2022 durch eine Autobombe getöteten Daria Dugina wurde die Zeremonie medial bombastisch inszeniert. Tausende Menschen waren auf das Gelände des Friedhofs von Trojerukowo gekommen, um Abschied zu nehmen. Zahlreiche Prominente aus Politik und Gesellschaft haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Die Veranstaltung wurde von schwerbewaffneten Spezialkräften gesichert. Das Gelände war großflächig abgesperrt. Neben einigen Duma-Abgeordneten war sogar eine staatliche Totenwache war vor Ort.
Fomins prächtiger Sarg wurde zunächst in einer kleinen Gruft aufbewahrt. Nur ausgewählte Gäste hatten Zutritt. Der Sarg war von drei Flaggen bedeckt: darunter die russische Trikolore, eine schwarze Fahne mit weißem Totenkopf und die Flagge der Gruppe Wagner. Vor dem Sarg befanden sich drei Stuhlreihen. Auch ein großes Bild des Verstorbenen war aufgestellt. Prigoschin legte andächtig einen Blumenstrauß neben den bereits aufgebahrten Kränzen nieder. Zusätzlich hinterließ er im Namen von Wagner einen Stahlhammer. Auf seinem Kopf prangte das Symbol der Organisation. Daneben war ein Berg aus Totenköpfen abgebildet. „Wladlen Tatarskij von den Wagner-Kämpfern. Deine Sache lebt“ lautete ein auf dem Stiel prangender Schriftzug. Der letzte Abschied eines Kameraden.
Niemand ist in Russland sicher
Der wenig später aufbrechende Trauerzug wurde von bewaffneten Spezialeinheiten bewacht. Die Angst vor einem weiteren Anschlag war groß. Als der Sarg schließlich zu Grabe gelassen wurde, feuerten Soldaten eine Salve in den Himmel ab. Es ertönte die russische Hymne.
Nach Daria Dugina ist Maxim Fomin nun das nächste prominente Opfer, das wegen seiner öffentlichen Positionierung zu Russlands Krieg in der Ukraine einem Attentat zum Opfer gefallen ist. Auch wenn derartige Fälle natürlich keine nennenswerten Auswirkungen auf den Kriegsverlauf haben, lässt sich ihnen doch ein Symbolcharakter zumessen. Sie stehen dafür, dass niemand in Russland sicher ist. Es kann jeden treffen.
Wer aber steckt hinter dem Attentat? Das weiß niemand so genau. Trotzdem wurden der Öffentlichkeit rasch erste Ermittlungserfolge präsentiert. Kurze nach der Tat hatte die St. Petersburger Polizei Daria Trepowa festnehmen können. Ein kurzer Mitschnitt ihrer Befragung ist bereits im Netz zu sehen. Auf die Frage, ob sie wisse, warum sie festgenommen sei, antwortete sie: „Weil ich Wladlen eine Büste überreicht habe.“ Wer ihr diese gegeben habe, wollen die Ermittler daraufhin wissen. „Darf ich das später beantworten?“ entgegnet Trepowa. Ihr weiterer Verbleib ist unbekannt.
Obwohl es bisher keine Beweise gibt, scheint naheliegend, dass der ukrainische Auslandsgeheimdienst hinter der Ermordung Fomins steht. In der Ukraine gilt Fomin als Verräter und Krimineller. Seine vielfach hetzerischen und zynischen Verlautbarungen über die russischen Kriegsverbrechen in seinem Heimatland haben ihn offenbar zum Ziel gemacht. Zwar war Fomin lediglich eine öffentlich exponierte Privatperson ohne finanzielle Mittel und Einfluss. Dennoch ist er in den vergangenen dreizehn Monaten zu einem wichtigen Influencer für den Kreml avanciert. Ohne Zweifel war er eine bekannte Galionsfigur des Regimes.
Ein dunkles Omen?
So nimmt nicht wunder, dass Kreml-Sprecher Dmitrij Peskow die Ermordung Fomins als Terroranschlag bezeichnete. Damit hat er recht. Wladimir Putin indes gab keine Erklärung ab. Für ihn dürfte Fomins Ermordung keine nennenswerte Bedeutung haben. Es gibt Wichtigeres zu tun. Insofern ist in Russland alles, wie gehabt.
Eine Absurdität gab es dann allerdings doch noch. Während die VIP-Gäste, zu denen auch Prigoschin gehörte, in der Gruft von Fomin Abschied nahmen, ertönte das Lied „Sie sind gegangen“. Es stammt aus der Feder des tschetschenischen Liedermachers Timur Muzurajew. Während der beiden Tschetschenienkriege hatte er dutzende Stücke geschrieben, die den Widerstandkampf seines Volkes gegen Moskau thematisieren.
Heute ist sein musikalisches Werk in Tschetschenien verboten. Wer es konsumiert, kann festgenommen werden. Für zu gefährlich hält man in Grozny die darin transportierten Botschaften. Und zu groß ist die Furcht vor der neuerlichen Entfachung jenes Funkens, der in Tschetschenien schon so oft zu einem Feuersturm wurde.
Wie es scheint, hat man diesen Zusammenhang bei der Auswahl der musikalischen Untermalung für Fomins Beisetzung übersehen. Inwieweit darin ein dunkles Omen für das Regime zu sehen ist, wird sich schon bald zeigen. Wie man vermutet, steht der Beginn einer ukrainischen Frühjahrsoffensive unmittelbar bevor.