Rainer Bonhorst / 03.12.2018 / 16:19 / Foto: POTUS / 13 / Seite ausdrucken

George Bush – zum Gähnen und zu unserem Glück

Es war zum Gähnen, als der neue Mann im Januar 1989 das Weiße Haus in Washington D.C. bezog. Der Umzugswagen musste nicht mal weit fahren: von den Residenz des Vizepräsidenten im Nordwesten der Stadt in das schmucke Haus an der Pennsylvania Avenue. Ja, George Bush war Vize, bevor er Chef wurde. Außerdem war er CIA-Chef, UNO-Botschafter, China-Diplomat und Sohn einer Familie, die zur amerikanischen Oberschicht gehörte. Da zog einer ins Weiße Haus, der tatsächlich sein Geschäft verstand und auch gesellschaftlich hineingehörte. Und das nach Ronald Reagan. Wie gesagt: zum Gähnen.

Seit Donald Trump herrschen neue Maßstäbe, aber Ronald Reagan war für damalige Verhältnisse schon eine unkonventionelle Nummer im ovalen Büro. Vor allem aus deutscher Sicht: ein Filmschauspieler als Präsident der Super-Macht USA. Kopfschütteln von Hamburg bis München. Und fremdschämendes Grinsen, als Reagan bei einem Berlin-Besuch rief: „Mister Gorbatschow, reißen Sie diese Mauer ein!“

Als wenig später die ersten Mauerspechte zu hacken begannen, wollte man von diesem Fremdschämen natürlich nichts mehr wissen. Und dass Ronald Reagan auf dem Weg ins Weiße Haus die in Kalifornien mächtige Schauspielergewerkschaft und dann als Gouverneur den ganzen Bundesstaat geführt hat, nahm man in Deutschland, dem Land der parteipolitischen Ochsentour, sowieso nicht wahr. Dabei kann ein Markus Söder in Bayern von der Macht eines kalifornischen Gouverneurs nur träumen.

Egal. Ronald Reagan war selbst für amerikanische Verhältnisse ein Maverick. Und weil er ein so unkonventioneller Politiker war, war er genau der richtige Mann für seine Zeit. Er schaffte die Kurve vom Kommunisten-Fresser (Russland – das Reich des Bösen) zum Gorbatschow-Freund. Ohne den Maverick Reagan wäre das von Michail Gorbatschow eingeleitete Ende des Kalten Krieges und des Eisernen Vorhangs vielleicht nicht gelungen. Bis hin zum Vertrag über Mittelstreckenraketen, der jetzt wieder wackelt.

Das Tabu-Wort Wiedervereinigung trat aus dem Dunkel

Tja, der Kalte Krieg war beendet, der Eiserne Vorhang schmolz dahin, aber Deutschland war immer noch geteilt. Allerdings robbten sich die beiden Teile vorsichtig wie Igel oder Stachelschweine näher aneinander heran. Das Tabu-Wort Wiedervereinigung trat ganz langsam aus dem Dunkel des Unsagbaren in den aussprechbaren Wortschatz hervor. Aber wie sollten sich die stacheligen Nachbarn vereinen? Und was würden die lieben Nachbarn sagen?

Zur Erinnerung: Die waren entsetzt. Margaret Thatcher konnte bereits den Gedanken an ein derart erstarktes Deutschland nicht ertragen. Sie lebte fest in der politischen Insel-Tradition, dass es die Aufgabe Londons sei, ein Gleichgewicht zwischen den Kontinental-Größen Deutschland und Frankreich sicherzustellen und so die Position Englands zu festigen. Und nun drohten diese neureichen Kriegsverlierer auch noch Zuwachs zu bekommen! Da konnte es nur ein klares englisches Njet geben.

Und Frankreich? Francois Mitterand tat sich mit dem Bonmot hervor, er liebe Deutschland so sehr, dass er sich gleich zwei davon wünsche. Und um seine Liebe zu beweisen, reiste er zu Erich Honecker, um ihn politisch zu stützen, während das sozialistische deutsche Paradies unter den Augen der beiden liebenden Herren hinweg bröckelte.

Wie konnte man solche Nachbarn für eine deutsche Wiedervereinigung erwärmen? Lassen wir den Euro mal beiseite und sagen wir: nur mit äußerster Mühe. Oder besser: nur mit Hilfe eines ferneren Nachbarn. Und der war George Bush. Der amerikanische Präsident stand zu der Idee einer deutschen Wiedervereinigung ziemlich genau so wie die Mehrheit seiner Landsleute. Die freuten sich ganz neidlos und gratulierten uns strahlend, als vielen von uns selber noch der Schreck in die Glieder fuhr, wenn wir an ein vereintes Deutschland in der Nacht dachten.

Für Bush die logische Folge der Ost-West-Entspannung

Für den weltpolitisch erfahrenen und in globalen Kategorien denkenden George Bush war ein vereintes Deutschland die logische Folge der Ost-West-Entspannung. Dass dann ein paar neokonservative Politiker und Autoren ihr Amerika als einzig verbliebene Supermacht feierten und vom Ende der Geschichte träumten, geht nicht aufs Konto des Präsidenten. Wohl aber war er der Mann, der auf westlicher Seite grünes Licht für den Weg in die deutsche Einheit gab. Sein „Ja“ war so wirkmächtig, dass die widerspenstigen Nachbarn murrend klein beigaben. Es blieb ja noch genug zu tun, um die Sache mit den Russen klar zu machen. Auch da war George Bush, wenn auch im Hintergrund, so wichtig wie vor ihm Ronald Reagan, als der in Reykjavik mit Michail Gorbatschow den ersten Teil dieses geglückten Dramas schrieb.

Ein in Deutschland unverstandener Maverick mit notorischen Gedächtnislücken und ein zum Gähnen konventioneller Kompetenter haben es gedeichselt. (Und dann natürlich Helmut Kohl, den auch viele nicht mochten und belächelten.) Gegensätzlicher geht es nicht. Aber wie es scheint, gibt es in der Politik keine Regel für die Idealbesetzung. Es sei denn, wir machen die personelle Überraschung zur Regel. 

Foto: POTUS dodmedia/Navy Link">via Wikimedia Commons

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Leserpost

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Bernd Ackermann / 03.12.2018

George H.W. Bush war ein Beamter, ein Verwalter, ein guter zweiter Mann, aber kein Macher, deshalb bekam er wohl auch keine zweite Amtszeit.  Richard Nixon fand Barbara Bush wesentlich interessanter als George, “she knows how to hate”, sagte er über sie. Die Bush-Sippe gehört in den USA wie die Clintons zum politischen Establishment, einen dritten Bush im Weißen Haus wollten sich die Amis dann aber wohl doch nicht antun und haben Jeb Bush schon in den Vorwahlen 2016 einen Korb gegeben.

Thomas Eder / 03.12.2018

Klasse, Herr Bonhorst. Bei Ihren Beiträgen schmunzle ich jedes mal satt und zufrieden in mich hinein.

B. Rilling / 03.12.2018

Wir haben die Wiedervereinigung vor allem dem Wohlwollen der Amerikaner zu verdanken. Dafür bin ich auf ewig dankbar! Ich weiß, dass es damals schon viele im Westen gab, die den DDR-Bürgern die friedliche Revolution übelnahmen und bis heute meinen, wir müssten als Strafe für alle Ewigkeit getrennt bleiben. Sie sahen in der sozialistischen DDR die Erfüllung Ihrer feuchten Träume. Dass Andere die Suppe auslöffeln mussten, egal! Und ihre Familien waren ja auch nicht getrennt. Meine schon! Und wir feiern jedes Jahr wieder dieses Glück! Thank you Mr. Bush! Rip!

Alexander Damaskimos / 03.12.2018

Kleine Korrektur: “Ohne den Maverick Reagan wäre das von Michail Gorbatschow eingeleitete Ende des kalten Krieges und des eisernen Vorhangs vielleicht nicht gelungen.” Nicht “vielleicht nicht gelungen”, sondern “mit Sicherheit nicht gelungen”. Und jetzt brauchen die USA und auch wir einen Maverick wie Trump, der den Linksdrall der letzten Jahrzehnte in der westlichen Welt aufhält.

Sabine Drewes / 03.12.2018

Danke für den Nachruf auf George Bush Vater. Nur zum Gähnen langweilig fand ich diesen amerikanischen Präsidenten keineswegs. Im Gegenteil: seine unaufgeregte Verlässlichkeit, seine Unbeirrbarkeit, sein fester Glaube daran, dass die Deutschen alles Recht der Welt auf die Wiedervereinigung ihres Landes in Frieden und Freiheit hätten, haben diesen Mann zu einem Glücksfall für Deutschland gemacht. Er war wie Reagan ein echter, verständnisvoller Freund der Deutschen. Das werde ich ihm niemals vergessen. Möge er in Frieden ruhen.

Klaus Müller / 03.12.2018

Der erwähnte DDR-Besuch von Mitterand war unter Modrow, nicht unter Honecker

Peter Zentner / 03.12.2018

D’accord, Monsieur Bonhorst! Wir sollten uns generell abgewöhnen, nur altgediente, bis zur Gesichtslosigkeit glattgebügelte Partei-Apparatschiks (m/w) als regierungstauglich zu befinden. Reagan und der erste Bush — der Herrgott hab’ ihn selig! — waren US-Präsidenten der unerwarteten Sonderklasse. Sogar Donald J. Trump könnte sich zu einem solchen mausern, muss aber trotz fortgeschrittenen Alters noch seine Kinderschuhe abstreifen; nicht nur seine eigenen, sondern auch die Gummistiefel der durch Bill Clinton (samt Ehefrau) und Barack Obama vertieften Sumpflandschaft namens Washington, D.C. || Back to basics: Alle Deutschen sollten Ronald Reagan und George Bush ein ehrendes Andenken bewahren.

Michael Scheffler / 03.12.2018

Damals wurde sogar das “Ende der Geschichte” ausrregufen. Inzwischen muss man Angst um das Erreichte haben. Insbesondere als Deutscher, der seiner Regierung wieder ein “über Alles” verdankt. Aber auch dieses Mal nicht im Sinne des Demokraten Fallersleben. Nun wollen wir mit “Klima” und “Migration” über Allem sein…

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