Es klingt nach einem irren Plan, ist aber Gegenstand einer ernst gemeinten und ernsthaften Studie: Lassen sich Menschen wirkungsvoll mit gentechnisch manipulierten Parasiten durch Mückenstiche impfen?
Im New England Journal of Medicine (NEJM), einer ehemals sehr angesehenen Zeitschrift, die seit COVID zum neolyssenkoistischen Altbestand der Wissenschaftsjournale gehört, ist dieser Tage eine Studie zur Impfung von Probanden gegen Malaria mit Hilfe von Mückenstichen erschienen. Bei der technisch sehr gut gemachten Studie wurden allerdings durch Mückenstiche gentechnisch veränderte Malaria-Parasiten als Impfstoff verwendet. Im besten Bild-Stil berichtete das Boulevard-Blatt von einem möglichen Durchbruch gegen die Krankheit, die jährlich bis zu einer Millionen Menschen tötet und damit unter den Infektionskrankheiten zu den tödlichsten zählt. Kritik an der Impfstrategie äußert der Artikel nicht. Die ganze Materie ist auch zu kompliziert für einen Bild-Redakteur. Doch ist diese Strategie besorgniserregend, wie viele beunruhigte Leser es befürchten? Ist sie erfolgsversprechend? Was steckt dahinter? Kommen bald die Mückenstichimpfstoffe? Werden diese sich dann chaotisch über die Mücken verbreiten?
Die Krankheit Malaria
Wir müssen die wichtigsten Tatsachen zu Malaria zur Kenntnis nehmen, um diese Entwicklung zu verstehen. Die Malaria ist eine durch die Gattung Plasmodium übertragene Parasitose (Parasitenerkrankung). Im Menschen zeichnet sie sich durch eine Vermehrung der hochkomplexen einzelligen Parasiten in Leber und Blut aus. Es gibt fünf Arten von Malariaerregern: Plasmodium falciparum, Plasmodium vivax, Plasmodium ovale, Plasmodium malariae und Plasmodium knowlesi. Die Krankheit verläuft proportional zur schubartigen Vermehrung der Erreger in Leber und Blut, führt oft zu schweren Organschäden und zu hunderttausenden Todesfällen pro Jahr sowie zahlreichen schwerwiegenden Behinderungen.
Die Malaria wird durch den Stich der Anopheles-Mücke übertragen. Die Mücken infizieren beim Stechen die Menschen (und andere Säuger) durch Sporozoiten, einem Entwicklungsstadium der Parasiten. Im Menschen gelangen diese über die Blutbahn in die Leber, wo sie sich vermehren und zum nächsten Stadium (Schizonten) reifen. Diese werden in die Blutbahn ausgeschüttet und infizieren rote Blutkörperchen, die Trophozoiten ausbilden. Aus diesen entwickeln sich erneut massenhaft Schizonten, bis die Blutkörperchen platzen und diese freisetzen. Es kommt auch zu einem geschlechtlichen Stadium (Gametozyten), das von stechenden Mücken aus dem Blut aufgenommen werden kann und im Darm der Mücke wieder reift, um schließlich erneut Sporozoiten zu erzeugen, die Menschen infizieren können. Die hohe Last der Schizonten (und Gametozyten) im Blut bewirkt die Symptome und Schäden der Malaria.
Die tödlichste und häufigste Form der Malaria, die Malaria tropica, wird durch Plasmodium falciparum ausgelöst. Daran erkranken pro Jahr 250 bis 500 Millionen Menschen. Die Erkrankung hinterlässt nur eine kurzlebige und begrenzte Immunität – anders als viele andere Erreger. Wahrscheinlich können Plasmodien die Herausbildung einer dauerhaften Immunität unterdrücken. Einige Spezies können auch im Menschen über lange Zeiträume latent vorhanden sein und zu Rezidiven (erneuter Symptomatik) führen. Viele Rezidive entstehen allerdings durch Neuinfektion. Die Impfstoffentwicklung richtet sich aufgrund der wichtigen epidemiologischen Bedeutung hauptsächlich gegen Plasmodium falciparum.
Die Impfstudie
Die hier zu besprechende kombinierte Phase I/IIa Impfstudie ist folgendermaßen aufgebaut. Menschen sollen durch Stiche von mit gentechnisch veränderten Plasmodien infizierten Anopheles-Mücken geimpft werden. Die Erreger sind dabei derart verändert, dass sie nach dem Stich zwar in das Blut und von dahin in die Leberzellen gelangen, über das Leberstadium jedoch nicht hinauskommen. Dadurch kommt es nicht zu einer Ausschüttung der Schizonten in das Blut. In “Stage A” (Phase I der Studie) wurde die optimale Stichdosis ermittelt; dabei wurde festgestellt, dass eine Immunisierung fünfzig (50) Stiche benötigt und über ein gutes, mit der bisherigen Malariaimpfung vergleichbares Sicherheitsprofil verfügt – im Rahmen der geringen Aussagekraft einer Phase-I-Studie.
In der zweiten Phase (“Stage B”) wurden 23 Teilnehmer auf drei Studiengruppen aufgeteilt. Die erste Gruppe von zehn Teilnehmern erhielt 50 Stiche von mit der Sporozoitenform GA2 infizierten Mücken. Die Form GA2 kann sich in der Leber bis zum Stadium der Merozoiten weiterentwickeln, die Leberzellen aber nicht verlassen, da die Parasiten aufgrund einer gentechnisch erzeugten Löschung eines dafür essenziellen Gens sterben. Die zweite Gruppe von ebenfalls zehn Teilnehmern erhielt 50 Stiche von mit der GA1 infizierten Mücken. Diese kann sich nur 24 Stunden lang in der Leber entwickeln und stirbt schon dann ab. Die dritte Gruppe, die Kontrollgruppe, von lediglich drei Teilnehmern erhielt 50 Stiche von gesunden (nicht infizierten) Mücken. Nach Beendigung der Immunisierungsphase stiegen drei Teilnehmer aus der Studie aus (keiner aus der Kontrollgruppe).
Drei Wochen nach den 50 Impfungsstichen der Phase II erhielten alle 20 verbleibenden Probanden jeweils fünf Stiche von mit dem voll pathogenen Erregerstamm Pf3D7 infizierten Mücken, sie wurden also wirklich mit Malaria infiziert. Danach erkrankten in der GA2-Gruppe einer von neun Probanden, in der GA1-Gruppe sieben von acht Probanden und in der Kontrollgruppe alle drei Probanden. Mit anderen Worten: Es war lediglich in der mit gentechnisch manipulierten Erregern infizierten GA2-Gruppe drei Wochen nach der Immunisierung ein guter Schutz gegen Malariainfektion nachweisbar.
Untersuchungen im Blut der Probanden ergaben, dass die Immunität nicht durch Antikörper gegen Plasmodien, sondern gegen sie gerichtete T-Zellen vermittelt wurde. Denn die Antikörperniveaus gegen Plasmodien waren bei der GA1- und GA2-Gruppe zwar höher als bei der Kontrollgruppe, aber in beiden Gruppen gleich hoch, obwohl die Immunreaktion in der GA2-Gruppe viel besser war als bei GA1. Doch zeigte die GA2-Gruppe deutlich höhere Anteile von Cytokinsynthese (Entzündungsfördernde Peptide, die die Immunreaktion unterstützen) aus T-Zellen. Eine extensive Charakterisierung der T-Zell-Rezeptoren wurde im Rahmen der Studie leider nicht durchgeführt, wäre aber immunologisch wünschenswert gewesen. Doch sind die Ergebnisse auch ohne dieses Verfahren technisch und biologisch (aber nicht medizinisch) überzeugend, da aus den Daten hervorgeht, dass der langlebigere Parasit GA2 mehr Immunität erzeugt als die nach 24 Stunden sterbende Variante GA1, weil seine Eiweiße (die daraus abgeleiteten Epitope) mit Hilfe der Leberzellen dem Immunsystem deutlich länger präsentiert werden.
Was bedeutet das?
Die Ergebnisse zeigen, dass es möglich ist, drei Wochen nach der Impfung durch Mückenstiche von Mücken, die mit einem gentechnisch veränderten Malariaerreger infiziert sind, eine recht wirksame Immunität gegen Malaria zu erzielen. Der Einsatz attenuierter Erreger ist seit der Erfindung der Impfung eines der besten zum Einsatz kommenden Hauptprinzipien. Dabei macht es nichts aus, dass die Attenuierung gentechnisch erfolgt.
Doch wissen wir aus der konventionellen Impfung mit der Kombination einer Injektion klassisch attenuierter Sporozoiten und Chemoprophylaxe (Tabletten gegen die Erreger), dass ein solcher Impfschutz nur bis zu zwei Jahre lang mittelgradig wirken kann. In der Studie wurde aber nur ein Zeitraum drei Wochen nach der Impfung untersucht. Außerdem war die Studie mit 20 Patienten viel zu klein, um robuste und repräsentative Ergebnisse zu produzieren. Doch selbst wenn man voraussetzt, dass man eine ähnliche Wirkung erhalten kann wie bei der klassischen Kombination aus Injektion und Chemoprophylaxe und diese auch noch an einer ausreichenden Zahl von Patienten nachweisen kann: Würde man dann zu einer Impfung mit Mücken übergehen?
Wahrscheinlich nicht, und zwar aus folgenden Gründen:
Erstens ist das in der Studie berichtete Impfprinzip viel zu schwach. Attenuierte Plasmodien erzeugen bei der Malaria tropica nur einen mittelgradigen Impfschutz von kurzer Dauer. Wir brauchen für diese Malariaart eine Impfung, die sicher und hochwirksam ist, was mindestens fünf bis zehn Jahre starken Infektionsschutz ab Impfung (95 Prozent oder mehr der Impflinge vollkommen geschützt) bedeutet. Wie bei grippalen Atemwegsinfektionen ist das bei Malaria bisher nicht gelungen (bei der Malaria sogar noch besser als bei Grippe). Es kann gut sein, dass dieser Erreger sich dauerhaft der Immunisierung entzieht.
Zweitens ist eines der wichtigsten Prinzipien der Pharmakologie die Dosis-Wirkungs-Beziehung. Man möchte bei ansonsten gleichen Bedingungen (Alter, Gewicht, Geschlecht, relevante genetische Merkmale) mit derselben Dosis dasselbe Ergebnis erzielen. Dieses Prinzip wurde erst mit der modernen, chemisch fundierten Pharmakologie möglich. Seit Ende des 19. Jahrhunderts können wir Pharmaka mit genau definierten Wirkstoffmengen und Darreichungsformen herstellen und die Wirkung und Nebenwirkungen recht gut vorhersagen. Dies hat die Lebensqualität gewaltig verbessert, man denke nur an Schmerzmittel, Insulin, die kontrollierte Vollnarkose für Operationen, Bluthochdruckmittel oder Antibiotika.
Sollte man zur Impfung von in den Tropen lebenden Populationen mit gentechnisch veränderten Plasmodien infizierte Mücken freisetzen, wäre dieses Prinzip – wie auch bei der SARS-CoV-2-Nukleinsäureimmunisierung – durchbrochen, da es nicht kontrollierbar wäre, wie viele Stiche pro Mensch mit diesen Mücken erfolgen. Da es in den Tropen Milliarden von malariaübertragenden Anophelesmücken gibt, die mit den Trägern der gentechnisch veränderten Plasmodien um Menschen konkurrieren würden, kann es nicht gelingen, so viele GA2-Träger-Mücken zu züchten und freizusetzen, dass man bei einem relevanten Teil der Population die zur Erreichung der Immunität erforderliche Anzahl an Stichen bekommt, bevor eine Infektion mit einem vollvirulenten Parasiten erfolgt.
Drittens sind GA2-Sporozoiten nicht in der Lage, einen Vermehrungszyklus durch Mensch und Mücke zu durchlaufen, was ja ihre raison d’être ist. Daher ist der Mensch ihr Endwirt, nach einer Woche in der Leber sterben sie im Merozoitenstadium. Eine Mücke, die einen mit dem Impferreger infizierten Menschen sticht, nimmt aus dessen Blut keine vermehrungsfähigen Parasiten auf, der Kreis schließt sich nicht. Auch in den infizierten Mücken sterben die GA2-Erreger ab, wenn sie nicht im richtigen Zeitfenster in den Menschen gelangen können. Wie beim Fass der Danaiden muss man immer wieder neu Mücken mit GA2 Sporozoiten erzeugen, da es keinen biologischen Kreislauf gibt. Ob sich das jemand als Geschäftsmodell überlegt hat? Honi soit qui mal y pense.
Viertens widerspricht es allen Prinzipien der Medizin, eine Population ohne deren Einverständnis einer pharmakologischen Maßnahme auszusetzen. Die Trinkwasserfluoridierung in den USA ist so ein Fall, und ich habe sie immer für absolut unverantwortlich gehalten, da das Nutzen-Risiko-Verhältnis ungeklärt ist und mit Sicherheit kein eindeutiger Nettonutzen für fast jeden Bürger besteht (was im Gegensatz dazu beispielsweise bei der DPT- und der MMR-Tripelimpfung jeweils der Fall ist). Einfach gentechnisch veränderte Erreger tragende Mücken auszusetzen und Menschen davon stechen zu lassen, ohne dass diese sich dagegen wehren können, widerspricht jeglicher medizinischen Ethik.
Irrsinn in der Medizin – und wem er dient
Insgesamt bedeutet dies also, dass das hier vorgesellte Impfprinzip zu schwach und auch aufgrund der Konkurrenz mit natürlichen Variantenpopulationen und der engen Begrenzung der Produktion GA2-übertragender Mücken sowie ethischer Bedenken niemals zum Einsatz kommen kann, wenn man vernünftige medizinische Kriterien anlegt. Die eigentliche Frage ist, wie vernünftig die zuständigen Institutionen noch sind – denn warum hat man so eine Studie beispielsweise zugelassen, da ja die obigen Einwände zwei bis vier auch ohne das Vorliegen der Studienergebnisse jedem Tropenmediziner und Epidemiologen klar sein müssen?
Der Umgang mit COVID lässt in dieser Hinsicht nichts Gutes erhoffen. Doch müssten wir Angst vor der Freisetzung von GA2-Mücken haben, wenn man es (irrsinnigerweise) wirklich täte? Wahrscheinlich nicht. Denn eine Infektion damit ist in Anopheles-Gebieten nicht schädlicher als die deutlich wahrscheinlichere Infektion mit Wildtyp-Parasiten. Dennoch ist die Idee strikt abzulehnen, sie widerspricht dem Prinzip der Medizin. Es wäre die Zulassung eines medizinisch unsinnigen Pharmakons, dessen massenhafte Anwendung und die Bezahlung dieser Anwendung durch die Allgemeinheit (Krankenkassen) zugunsten einer sehr kleinen Schicht von Eigentümern der Pharmafirmen ohne Nutzen für die Allgemeinheit. So war es auch bei den COVID-„Impfstoffen“, allerdings dabei deutlich verschärft durch massiven Schaden für die Allgemeinheit.
Quo vadis, Medizin, et cui bono es?
Dr. Jochen Ziegler ist das Pseudonym eines Arztes und Biochemikers. Er arbeitet als Berater für private Anbieter des Gesundheitssystems und lebt mit seiner Familie in Hamburg.