Peter Grimm / 19.10.2023 / 15:30 / Foto: SPD Schleswig-Holstein / 47 / Seite ausdrucken

Genossin Fahimi und das neue Gewerkschafts-Feindbild

Natürlich gehört auch die klare Einmischung in die Politik zu den gewerkschaftlichen Aufgaben. Gewerkschaften müssen überall präsent sein, wo Arbeitnehmerinteressen berührt werden. Doch ist es auch eine gewerkschaftliche Aufgabe, exklusiv gegen eine Oppositionspartei zu Felde zu ziehen?

Was ist die Aufgabe von Gewerkschaften? Sie sollen sich für die Interessen der Arbeitnehmer einsetzen. Dabei sollen sie ihren Mitgliedern das organisatorische Rückgrat bieten, wenn diese Auseinandersetzungen bis hin zu Arbeitskämpfen mit den Arbeitgebern auszufechten haben. Und natürlich sollen sie sich für ebendiese Interessen auch politisch einsetzen, indem sie bei den Regierenden für arbeitnehmerfreundlichere Gesetze eintreten oder gegen die Regierenden protestieren, wenn diese weniger arbeitnehmerfreundliche Gesetze beschließen wollen. Das alles sind wichtige Aufgaben in einem freiheitlich-demokratischen Gemeinwesen.

Aber sollen sie sich auch auf Seiten der Regierung gegen eine Oppositionspartei stellen, die inzwischen von mehr Arbeitnehmern gewählt wird, als die einstige Arbeiter- und heutige Kanzlerpartei SPD? Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und SPD-Genossin Yasmin Fahimi sieht genau darin eine neue gewerkschaftliche Aufgabe. Sie hat nach den jüngsten Wahlerfolgen der AfD vor allem bei Arbeitern eine härtere Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit der AfD angekündigt, meldet welt.de. „Wir werden als Gewerkschaften klarer als bisher herausarbeiten, dass die AfD keine Arbeiter-Partei ist“, habe Fahimi der „Augsburger Allgemeinen“ gesagt. „Die AfD ist nicht der Freund, sondern sogar der Feind der Arbeiter“, wird die DGB-Chefin weiter zitiert, denn in der Steuer- und Sozialpolitik vertrete die Partei klassische neoliberale Forderungen. „Wir müssen jetzt besser erläutern, wofür diese Partei steht: Die AfD ist eine Partei der Rassisten, die auch Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegeneinander hetzen will, statt gemeinsam Fortschritt für alle zu erreichen“, heiße es von Genossin Fahimi weiter.

Sie will also besser erläutern, warum der deutsche Arbeitnehmer nicht AfD wählen sollte. Das klingt nicht gerade so, als würde die Gewerkschaftschefin den Arbeitern, die ihre gegenwärtige Funktion legitimieren, auf Augenhöhe begegnen wollen. Sie will sie stattdessen vom „falschen“ Wahlverhalten abhalten. Vielleicht sollte sich die große Vorsitzende Fahimi zuvor noch ein paar Gedanken zu der Frage gönnen, warum denn so viele Arbeitnehmer diese böse Partei wählen? Was wollen die denn ihren Volksvertretern  mit dieser Stimmabgabe mitteilen?

Wo ist das Stopp-Schild?

Vielleicht, dass sie nicht zu „klimagerechtem“ Verhalten umerzogen werden wollen? Vielleicht, dass sie nicht mit den höchsten Energiepreisen und einer Deindustrialisierung des Landes für die angebliche Rettung der Welt zahlen wollen? Vielleicht, dass sie bei anhaltender ungesteuerter Massenmigration in die Sozialsysteme langsam Angst um Letztere bekommen? Vielleicht, dass ihnen der Traum vom sozialen Aufstieg ebenso wichtig ist, wie das Ziel eines eigenen Hauses für die Familie, die unabhängige Mobilität mit dem eigenen Auto, das Essen und Trinken ganz nach eigenem Geschmack ohne jede weltanschauliche Belästigung? Das, was die meisten Menschen im Lande nicht wollen, nämlich staatliche Erziehung, gehört zum Angebot aller etablierten Parteien, wenn auch in spürbaren graduellen Unterschieden. Aber ein klares Stopp-Schild gegen Bevormundung glauben viele Wähler derzeit mit einer Stimme für eine der nicht ganz so neuen Parteien nicht setzen zu können. Da haben alle und ganz besonders die sogenannten Liberalen der FDP versagt.

Wenn die Gewerkschaftschefin die weitere Erstarkung der AfD fürchtet, dann sollte sie sich mit allen Mitteln darum bemühen, dass die Regierungsparteien ihren Kurs auf eine Politik wechseln, die sich an den Interessen der hiesigen Arbeitnehmer orientiert. Wenn die das Gefühl haben, dass sich wenigstens einige der Politiker mit Macht und Einfluss um die Interessen der Bürger kümmern, statt zu versuchen, die Bürger davon zu überzeugen, ihre Interessen an der herrschenden Politik zu orientieren, wählen sie auch viel entspannter. Hätten einflussreiche deutsche Politiker dies auch vor zehn Jahren so gehandhabt, wäre gar keine AfD gegründet und in die Parlamente gewählt worden.

Die Textbausteine der Genossin Fahimi lassen solche Einsichten allerdings nicht vermuten, denn sie rettet sich lieber auf Allgemeinplätze: „Das beste Mittel gegen die AfD ist eine Politik, die Zuversicht schafft: gute Löhne und eine funktionierende staatliche Infrastruktur mit guten Schulen, gesundheitlicher Versorgung, Service auf den Ämtern und Sicherheit im öffentlichen Raum.“ Da kann man dann nur hoffen, dass sich wichtige Teile des Gewerkschaftsapparats durch solche Slogans nicht davon abbringen lassen, sich weiter ums gewerkschaftliche Kerngeschäft zu kümmern.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: SPD Schleswig-Holstein CC BY 3.0
Leserpost

netiquette:

R. Reiger / 19.10.2023

„Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) und SPD-Genossin Yasmin Fahimi hat nach den jüngsten Wahlerfolgen der AfD vor allem bei Arbeitern eine härtere Auseinandersetzung der Gewerkschaften mit der AfD angekündigt …“ Glaubt man anhand der Analysen der Wahlen den dargestellten Wählerwanderungen, dann sind von den linken Parteien mehr Stimmen zur AfD gewandert als von den anderen. Vielleicht sollten gewisse Leute erst mal bei sich anfangen und nicht bei den anderen.

Boris Kotchoubey / 19.10.2023

Wer hat es gesagt? “Es reicht nicht, keine Gedanken im Kopf zu haben; man muss sie auch nicht ausdrücken können”

Thomas Holzer Österreich / 19.10.2023

Mit Verlaub, auf den Resten des “freien” Marktes wäre Frau Fahimi zum Empfang des Bürgergeldes angewiesen gewesen. Da sollte es niemanden Wunder nehmen, daß sie “erweiterte” Betätigungsfelder sucht

Wolfgang Fischer / 19.10.2023

Ich muss den Artikel gar nicht lesen. Nach mittlerweile 42 Arbeitsjahren weiß ich, der Feind der Arbeiter sind überbezahlte Gewerkschaftsbonzen und politische linke Labertaschen. Immer schön auf Linie bleiben, Frau Fahimi, gibt ja linke Staatsknete dafür.

Jörg Themlitz / 19.10.2023

Die SPD Bonzinnen Yasmin Fahimi (DGB) und Christiane Brenner (IG Metall) versuchen sich an die Arbeiter ranzuwanzen, indem sie gegen die Alternative polemisieren. Hätte, hätte… Hätte sich der schwer verliebte Ferdinand Lasalle ( nicht nur Chef des ADAV Allgemeiner Deutscher Arbeiterverein, darüber hinaus noch beliebt und geachtet )  im Duell nicht über den Haufen schießen lassen, hätte Deutschland eine Arbeitervertretung gehabt. So bekam Deutschland 1890 eine marxistisch, sozialistisch durchtränkte SPD, die die Arbeiter eher als Verfügungsmasse für ihre Ideen verwendete. Interessant wäre, wie hoch der Anteil der Arbeiter in den oben genannten Gewerkschaften ist. Schon die SED krampfte schwer herum und versuchte mit allen Tricks, einen hohen Arbeiteranteil der SED Mitglieder zu suggerieren. Den es nicht mal hälftig gab. Da war dann die Zwiespaltung möglich. Nach SED Zählung Arbeiter, nach Steuerzahlung Intelligenz. Arbeiter zahlten 5 %, Intelligenz 20 % Steuern. Was soll man schreiben, Sozialisten brauchen immer Geld. Und lieben deshalb alle, alle Menschen.

Dr. med. Jesko Matthes / 19.10.2023

“Anspruch auf die Führung Deutschlands hat die Arbeiterklasse mit allen demokratischen Kräften!” (Neues Deutschland, 1953)

Geert Aufderhaydn / 19.10.2023

Fr. Fahimi sollte die AfD so schnell wie möglich vernichten, denn sonst fegt Volkes Wille sie weg, um für richtige Gewerkschaftler Platz zu machen.  Ein Wettlauf mit der Zeit - Frau Fahimi wird dafür immenses Glück brauchen; also: ran an die Arbeit. Ich jedenfalls wünsche ihr dabei alles Schlechte.

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