Martin Schulz (SPD), ist ein Präsident des Europäischen Parlaments, der 2014 eigentlich lieber Chef der mächtigen EU-Kommission geworden wäre. Somit ist er ein waschechter Vertreter jener Brüsseler Parallelwelt aus EU-Institutionen, in der all die kleinlichen Ängste der Bürger der Mitgliedsstaaten keinen Platz mehr haben. Wenn er etwas zum Zustand der EU zu sagen hat, so ist das jedenfalls auch für die Bewohner der hiesigen Welt immer wieder erhellend, wenn auch zumeist nicht in dem Sinne, in dem Genosse Schulz sein Publikum gern beeinflusst hätte.
Aber schauen wir doch einfach mal, was er uns aktuell so über die Neue Osnabrücker Zeitung mitzuteilen hat. Beispielsweise kennt er die Europäer besser, als die sich manchmal selbst. Mögen die Niederländer in einer Volksabstimmung gegen einen Brüsseler Vertrag votieren und EU-Kritiker in etlichen Mitgliedsländern Wahlen gewinnen, Schulz weiß, dass die Kritiker seines Apparats nicht in der Mehrheit sind: Nein, die überwältigende Mehrheit der Menschen in Europa ist für dieses Konzept. Sie wissen, dass wir im weltweiten Wettbewerb gemeinsam stärker sind und dass ein starkes Europa im Interesse ihres eigenen Landes ist. Nur trauen viele Europäer der EU in ihrem jetzigen Zustand nicht mehr viel zu.
Selbstkritik? Aber nicht doch!
Taucht hier etwa eine leise Selbstkritik an der Handlungsunfähigkeit der EU auf, am Versagen des Brüsseler Apparats angesichts der "Flüchtlingskrise"? Auch die Interviewerin der NOZ fragt in diese Richtung und bekommt eine Abfuhr:
Da muss ich Ihnen widersprechen. Es ist ein ganz großes Problem, dass alle ständig darüber diskutieren, was nicht funktioniert, statt über das, was funktioniert. Wir müssen nach wie vor an der beschlossenen Verteilung von 160 000 Flüchtlingen arbeiten. Frankreich ist bereit 30 000 aufzunehmen, Deutschland 40 000.
Äh, wie bitte? Wir ringen mit den ungelösten Problemen einer Millionenzuwanderung und der Herr Parlamentspräsident verweist auf ein Programm, bei dem auch nach Monaten die Verteilung auf die verschiedenen EU-Staaten noch nicht einmal theoretisch geklärt ist? Die praktische Bilanz liest sich eher als ein in Zahlen gegossenes Versagen. Wie viele Zuwanderer wurden denn nun schon verteilt? Seit Beginn des EU-Umverteilungsbeschlusses Ende vergangenen Jahres waren es insgesamt 1.500 Asylbewerber. Bis Mitte Mai kommen noch 294 Migranten aus Griechenland und 61 aus Italien hinzu, heißt es in einem Bericht der EU-Kommission. Bis Monatsende sollen demnach zusätzliche 307 Flüchtlinge aus Griechenland und 137 aus Italien verteilt werden. Ein eher erbärmliches Ergebnis.
Den Genossen Schulz ficht das nicht an, weiter nach solchen Lösungen zu suchen, die möglichst kein eigenes verantwortliches Handeln erfordern. Dass Österreich in europäischer Kooperation mit den ostmitteleuropäischen und den Balkanstaaten für eine wirksame Grenzschließung gesorgt hat, ist natürlich nicht der richtige Weg. Es gibt doch ganz andere Lösungen:
Wir brauchen in Libyen eine stabile Regierung, mit der wir gemeinsam gegen Schlepper vorgehen. Ich setze da große Hoffnung auf den Auswärtigen Dienst der EU. Wir müssen die Außengrenzen schützen, Auffangeinrichtungen haben, Flüchtlinge gerecht verteilen und brauchen vernünftige und schnelle Asylverfahren. Wir müssen in Syrien einen Frieden hinbekommen.
Mal eben "Frieden hinbekommen"
Also alles doch ganz einfach. Warum bloß hat niemand auf den Schulz gehört und in Syrien einfach mal „Frieden hinbekommen“? Doch zurück in die gegenwärtigen Niederungen praktischer Politik. Hätte man eigentlich, bevor man europäische Lösungen anmahnt, die anderen Europäer mal fragen müssen, ob sie den Weg der "Willkommenskultur" für unkontrollierte Masseneinwanderung überhaupt mitgehen möchten? Den Mann, der doch als möglicher Kanzlerkandidat der SPD gehandelt wird, muss man doch fragen dürfen, ob nicht auch der deutsche Sonderweg für die Zerwürfnisse in der EU verantwortlich ist.
Nein, die Bundesregierung steht zu ihrer humanitären Verpflichtung als drittgrößte Industrienation der Welt. Keine Flüchtlinge aufzunehmen nur mit der Begründung, die Deutschen haben uns nicht vorab informiert, halte ich nicht für zulässig.
Wo kämen wir denn da hin, wenn die Deutschen die EU-Partner informieren oder gar erst fragen müssten? So demokratisch ist die EU nicht. Die Kritiker dieses Kurses lassen sich praktischerweise ganz gut in die rechte Ecke abschieben. Dumm ist allenfalls, dass auch das immer weniger Wähler abschreckt, EU-Kritikern dennoch ihre Stimme zu geben.
Doch die schlechte Stimmung liegt natürlich nicht an schlechter Politik, sondern wird nur immer wieder vom politischen Gegner geschürt. Ganz wie im Kommunismus, wo es auch immer nur an Saboteuren liegt, wenn die Wirtschaft und damit die Versorgung zusammenbricht.
3 Promille sind ermutigend
Die ungelöste Flüchtlingsproblematik ist ein willkommenes Instrument für die Konjunkturritter der Angst. Genau das sind nämlich diese Parteien: Sie schüren nur die Ängste der Menschen, ohne Lösungen zu haben. Wir haben schon ganz andere Herausforderungen bewältigt. Wir sollten mit Optimismus in die Zukunft schauen, weil wir stark genug sind, die Dinge ökonomisch, ökologisch und sozial zu bewältigen. Die Erfahrung lehrt, dass Druck von außen nichts bringt, die EU sollte sich nicht in die inneren Angelegenheiten von Staaten einmischen.
Was wollte uns Schulz mit dieser Sprechblasensammlung jetzt sagen? Sind das seine Lösungen, die ihn von der Lösungslosigkeit der "Populisten" unterscheiden? Er hält sie offenbar noch für ausreichend und überzeugend genug: Der Wahlsieg des ehemaligen Grünen-Politikers Van der Bellen hat eines gezeigt: Man kann auch mit einer klaren proeuropäischen Haltung Wahlen gewinnen. Das ist eine Ermutigung für alle proeuropäischen Kräfte.
Auch Schulz scheint also eine Mehrheit von 3 Promille für ermutigend zu halten. Ernstzunehmende Politiker sollte das eher beunruhigen.
Das ganze Interview finden Sie hier.
Zuerst erschienen auf sichtplatz.de hier