Selbst viele der eher desillusionierten Deutschen glauben felsenfest daran, dass ein regierender Politiker über ein gewisses Basiswissen verfügen muss. Beispielsweise sollten einem Finanzminister die Grundrechenarten nicht völlig fremd sein. Davon kann man gewiss auch bei Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) ausgehen. Das hindert ihn jedoch nicht, über die Grenzen der Grundrechenarten hinaus wachsen zu wollen. Anders kann man die folgende Meldung kaum verstehen, die am Sonntagmorgen in der FAZ zu lesen war:
„Die SPD verlangt vom Koalitionspartner Union, eine Garantie des Rentenniveaus weit über das bisher vereinbarte Jahr 2025 hinaus zu beschließen. Bundesfinanzminister Olaf Scholz sagte der «Bild am Sonntag»: ‚Wir werden darauf bestehen, dass die Bundesregierung ein stabiles Rentenniveau auch in den 20er und 30er Jahren gewährleistet und ein plausibles Finanzierungsmodell vorlegt.‘“
Nun dürfte auch Olaf Scholz wissen, warum politische Verantwortungsträger nie über das Jahr 2025 hinaus geplant haben. Danach bricht das Rentensystem in gewohnter Ordnung entweder unter Einnahmeverlusten und Ausgabenlast zusammen, oder es gibt bis dahin derart drastische Reformen, dass sie einem Systemwechsel gleichkommen. In den auf 2025 folgenden zehn Jahren werden die geburtenstärksten Jahrgänge Nachkriegsdeutschlands das Rentenalter erreichen.
Immer mehr Menschen fallen dann Jahr für Jahr als Einzahler aus und reihen sich in das Heer der Leistungsempfänger ein. Diesen Erdrutsch kann das Rentensystem nicht verkraften. Doch so lange es keine politisch durchsetzbare Lösung für das Problem gibt, ist es regierenden Politikern immer lieber gewesen, das bestehende System schönzureden und zu versuchen, mit kleinen Änderungen an der Rentenformel die Grundrechenarten noch wenigstens für die eigene Amtszeit zu überlisten.
Verständlich also, dass keine Regierung Versprechungen über die Zwanziger Jahre hinaus gemacht hat. Und nun fordert der Bundesfinanzminister genau das? Ein Rentenversprechen bis 2040? Und das garniert mit einem „plausiblen Finanzierungsmodell“?
Wunderwaffe für Wahlkämpfe
Es gibt verschiedene Möglichkeiten, sich diesen Vorstoß zu erklären. Wir werden ja dem Genossen Scholz nicht gleich unterstellen, er würde die Bürger wider besseres Wissen mit falschen Versprechungen einlullen wollen. Er könnte auch den Stein der Weisen, sprich jenes „plausible Finanzierungsmodell“, gefunden haben und möchte es nun als eine Art Wunderwaffe für kommende Wahlkämpfe einsetzen. Aber dann muss es irgendwo eine Quelle für hohe Milliardenbeträge geben, die bislang noch keiner entdeckt hat.
Der deutsche Nachwuchs kann die Lücke nicht füllen. Und das stetig wachsende Millionenheer von Zuwanderern auch nicht. Im Gegenteil, denn die Mehrheit dieser Neuankömmlinge richtet sich langfristig im Sozialsystem ein. Somit sind die Neuen eher zusätzliche Kostgänger und keine Einzahler. Also worauf will Scholz die neuen deutschen Rentengarantien gründen?
Vielleicht wird aber auch seine Beherrschung der Grundrechenarten überschätzt, und er ist sich des Unsinns, den er redet, gar nicht bewusst. Vielleicht gebricht es ihm auch nur an dem nötigen Respekt vor dem kleinen Einmaleins, das sich vielleicht ja noch mit der Staats-Mathematik der Steuer-Milliarden-Jongleure ausmanövrieren lässt. Oder geht es am Ende nur um eine so billige Stimmungsmache, die sogar Norbert Blüm mit seinem berühmten Satz „Die Rente ist sicher“ noch seriös erscheinen lässt? Dafür gibt es am Ende der zitierten Meldung leider ein Indiz, heißt es doch da:
„Das Vertrauen der Bürger in die Rente hält Scholz für ein zentrales Mittel gegen nationalistische Populisten wie US-Präsident Donald Trump.“
Wenn es dem Minister wirklich darum gegangen wäre, an der Altersversorgung über 2025 hinaus ernsthaft zu arbeiten, hätte er unbequeme Wahrheiten aussprechen müssen. Das kann derzeit nun wirklich niemand von einem Minister erwarten. Solche Illusionen hinsichtlich des Verantwortungsbewusstseins regierender Politiker hat nun wirklich kein deutscher Wahlbürger mehr, oder?
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