Fabian Nicolay / 21.11.2021 / 16:00 / Foto: Imago / 49 / Seite ausdrucken

Genosse Frank-Walter: Er denkt, wie er spricht

Frank-Walter Steinmeier ist ein Mann der Doktrin. Er denkt, wie er spricht. Dabei erscheint er weder groß noch staatsmännisch. Es umgibt ihn eine Aura des peniblen Apparatschiks, der hinter dem Mikrofon bürokratische Anweisungen erteilt und das Staatsmann-Sein mit dem Vorführen parteiischer Sichtweisen verwechselt. Als „Staatsoberhaupt“ ist er schon mehrfach negativ aufgefallen, wenn er sich absichtsvoll und kleinlich auf eine politische Seite schlägt, nämlich seine eigene, die linke Seite. Er tut dabei sachlich, das Salbungsvolle verrät seine Absichten.

Wer als Bundespräsident glaubt, der Regierungspolitik Schützenhilfe leisten zu müssen und diese zu oft wie ein Regierungssprecher verklärt, ist Erfüllungsgehilfe der Kanzlerin, aber nicht das repräsentative Oberhaupt aller Deutschen. Das muss man Frank-Walter Steinmeier leider attestieren. Er ist ein Opportunist, der gern mitregieren möchte, sich deshalb einzumischen im Recht glaubt und dabei gern die Möglichkeiten seines hohen Amtes zum Wohlgefallen seiner Kanzlerin außen vor lässt. Als Repräsentant des deutschen Volkes und der Bevölkerung als Ganzes ist er nicht seinen Wählern im Parlament verpflichtet, sondern seinen Bürgern. Wer sagt es ihm endlich?

Die handstreichartigen Gesetzesänderungen Angela Merkels während der Corona-Krise wären ohne eilfertige Unterschriften des Bundespräsidenten nicht ad hoc möglich gewesen. Er ist ihr Abnicker, Frau Bundeskanzler konnte bestellen und sofort abholen. 

Wenn Frank-Walter Steinmeier redet, wertet er pausenlos, ermahnt einseitig und wertet ab, wo er die Position der Gegner seiner präferierten Politik zu schwächen wünscht. Seine Redekunst ist verbale Bückware, strukturell steif, hat nichts Ergreifendes, ist mehr Synthetik als Wolle, strotzt vor Beschwörungsformeln, bleibt irgendwie teilnahmslos, erschöpft sich in Worthülsen des Merkel‘schen-Rhetorik-Kühlschranks, wo er im engen Selbstgehege seines unterkühlt-pastoralen Tons und seiner linken Larmoyanz auch intellektuell gefangen bleibt. 

In den Verhandlungen mit Erdogan hilfreich

Wie kam es dazu? Einige letzte Stationen seiner Irrungen... 

Kurz vor der Flüchtlingskrise 2015 trat er – noch Außenminister – mit Vehemenz einer Anerkennung des Völkermords an den Armeniern entgegen. Angeblich, weil eine solche Anerkennung den Holocaust relativiert hätte. Diese Haltung war kurze Zeit später in den Verhandlungen mit dem türkischen Präsidenten Erdogan hilfreich, der den Strom der Flüchtlinge nicht ungebremst nach Griechenland durchlassen sollte und dafür bei Laune gehalten werden musste. Half nicht viel. Der Bundestags-Abstimmung über die Armenien-Resolution im Juni 2016 blieben er und die Kanzlerin aus Termingründen dann fern.

Als in Chemnitz im August 2018 ein Mann mutmaßlich von mehreren Asylbewerbern getötet worden war, kam es zu mehreren spontanen Menschenansammlungen, die von den Medien als rechte Demonstrationen bezeichnet wurden. Auf einem wenige Tage später organisierten Freiluft-Konzert gegen Rechts trat auch die linksradikale, vom Verfassungsschutz beobachtete Band „Feine Sahne Fischfilet“ auf. Der Bundespräsident empfahl die Veranstaltung und jene Band auf seiner offiziellen Facebook-Seite, was man nicht nur als Mangel an Fingerspitzengefühl bezeichnen kann.

Am 40. Jahrestag der islamischen Republik Iran im Jahr 2019 überraschte der Bundespräsident mit einem Glückwunschtelegramm an den iranischen Präsidenten Hassan Rohani, das er selbstverständlich qua Amt im Namen aller Deutschen verfasst hatte. Somit durfte sich das Volk darüber wundern, dass sich zumindest Frank-Walter Steinmeier mit den Mullahs über die erfolgreiche Geschichte der islamistischen Diktatur freute. Wie er das ein knappes Jahr später mit seinen Verlautbarungen in Yad Vashem zur zentralen Gedenkveranstaltung zum Holocaust deckungsgleich bringen konnte, bleibt sein Geheimnis.

Der Übergang vom Außenamt zur Metaebene des Bundespräsidenten ist Frank-Walter Steinmeier nie gelungen. Er bleibt sich so gesehen immer treu, ein starrer Genosse, der den Staat als Vormund des Bürgers bevorzugt, der die staatskritische Skepsis von freien Bürgern argwöhnisch betrachtet, dafür lieber den Oberlehrer als den Versöhner gibt und im Zweifel auf dem linken Auge blind ist. Es ist von ihm zu viel verlangt, in Zeiten tiefer gesellschaftlicher Risse Worte des Abwägens zu finden, weil er nicht abwägen möchte. Er ist ein Hardliner, machen wir uns nichts vor, mit einer klaren linken Agenda, die „die Menschen da Draußen“ in Gut und Böse einteilt.

Hier ist der Pappkamerad, der Sündenbock 

So gesehen, sind seine neuerlichen Einordnungen folgerichtige, rhetorische Figuren aus dem Repertoire eines Aktivisten-Präsidenten, der die Abweichler im Volk auf Linie bringen will, statt sie für das Gemeinsame zu begeistern. Anlässlich einer Diskussionsrunde im Schloss Bellevue ließ der Bundespräsident letzte Woche Folgendes verlauten: „Wenn ich höre, dass Menschen, die im Krankenhaus mit dem Virus ringen, noch immer bestreiten, dass es dieses Virus gibt, dann erschüttert mich das zutiefst... Wer jetzt immer noch zögert, sich impfen zu lassen, den will ich heute ganz direkt fragen: Was muss eigentlich noch geschehen, um Sie zu überzeugen? Ich bitte Sie noch einmal: Lassen Sie sich impfen! Es geht um Ihre Gesundheit, und es geht um die Zukunft unseres Landes!"

Da staunt man. Der Bundespräsident steigt mit einem oder mehreren „Einzelfällen“ ein, von denen er „gehört" hat: Corona-Leugner sollen in Krankenhäusern bezweifelt haben, dass es das Virus überhaupt gibt. Wie viele waren das, hat der Bundespräsident verlässliche Quellen? Oder ist das nur ein Gerücht, das der Bundespräsident höchstpersönlich weiterverbreiten möchte? Er stellt zunächst fest, mit was für Menschen wir es hier zu tun haben: Menschen mit illegitimen Meinungen. Er betreibt damit Hetze. Hier ist der Pappkamerad, der Sündenbock, den er gleich im nächsten Moment umhauen will. Eine schäbige, rhetorische Figur, um den Gegner klein und unwert zu machen und dessen Anliegen von vornherein zu diskreditieren. Also sind die Impfunwilligen nicht nur unwillig, sondern richtig deppert und schädlich. Das weiß der Bundespräsident jedenfalls verlässlich zu berichten und kommt sich gut dabei vor.

Es erschüttert selbst Frank-Walter Steinmeier. Deshalb stellt er gleich eine wiederum rhetorische Frage: „Was muss noch geschehen...?“ Will uns der Bundespräsident jetzt in der Vierten Welle andeuten, dass Millionen von Toten auf der Straße liegen werden und gleichzeitig Krankenhausbetten abgebaut werden? Oder denkt er, dass seine Bleimantel-Argumentation tatsächlich überzeugen kann? Am Ende kommt er doch noch auf den Punkt: „Es geht um die Zukunft unseres Landes.“ Das ist bemerkenswert.

Wenn der Bundespräsident von der Zukunft unseres Landes spricht, könnte man meinen, er weiß, wovon er spricht: Wenn sich also alle impfen lassen, gibt es die Zukunft von Frank-Walter Steinmeier. Wenn nicht, dann eine andere. Ich wüsste liebend gern, welche!
 

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Sepp Kneip / 21.11.2021

Steinmeier, wer ist das? Ach ja, Merkels trojanisches Pferd auf dem Bundespräsidentenstuhl. Sogar ein Heinrich Lübke in all seiner Beschränktheit, füllte diesen Posten besser aus als Steinmeier. Allerdings hatte Lübke auch seine Wilhelmine, die ihn führte. Die Fehlbesetzungen im Regime Merkel sind Legende. Nicht nur Steinmeier. Auch von der Leyen verwüstete zwei Ministerien, bis sie nach Brüssel “befördert” wurde. Und Heiko Maas zerstört Deutschlands Ruf als Außenminister. Aber Steinmeier ist der Gipfel der Unfähigkeit und Unverschämtheit. Er ist derjenige, der die Demokratie wie eine Monstranz vor sich herträgt, die aber leer ist. Je öfter und lauter er die Demokratie vor den Rechten schützen will, umso mehr sägen seine Linken an den Grundfesten dieser Demokratie, Es gibt sie mittlerweile gar nicht mehr in Deutschland. Merkel, Steinmeier und die Linksparteien, einschließlich Union und FDP haben sie abgeschafft. Steinmeier, ein Staatsoberhaupt der Superlative im negativen Sinne, für den Neutralität ein Fremdwort ist.

Wilfried Düring / 21.11.2021

Unser Herr Bundespräsident ist ein Mann, der in den 80-er Jahren gemeinsam mit seiner späteren SPD-Minister-Kollegin Zypries zur Redaktion der linken Quartalszeitschrift Demokratie und Recht des Pahl-Rugenstein Verlags (auch Pawel Rubelschein genannt) gehörte, welcher unter Beobachtung des Verfassungsschutzes stand (Quelle Wikipedia). Was lernen wir daraus? * Steinmeier ist genau der Richtige, um uns Dunkel-Deutsche bzgl. Demokratie, Rechtsstaat, Toleranz und ‘Impfen’ zu agitieren. Glaubwürdiger geht es nicht! * Eine fragwürdige linke Vergangenheit qualifiziert in dieser Republik für höchste Ämter (wir kennen das bereits von seinem Außenministerkollegen, dem Schläger Joseph Martin Fischer). * Solange die ‘Vergangenheit’ ANDERER Leute (Rechte, Nazis, Dunkel-Deutsche) in den Schlagzeilen ist, muß Steinmeier unbequeme Fragen zu SEINER Vergangenheit nicht fürchten. * Wer das iranische Geiselnehmer-Regime zu seinem blutigen Putsch ‘beglückwünscht’, ist meines Erachtens nicht geeignet, anderen Leuten Vorhaltungen bzgl. Antisemismus zu machen!  Steinmeiers rhetorische Mischung aus Larmoyanz, Anbiederung, Heuchelei und unverhohlenen Drohungen wirkt widerlich und be-wirkt das Gegenteil! ‘Walter der Spalter’ ist Bundespräsident - und ich bin einfacher Bürger, man könnte auch sagen ein dunkeldeutscher Steuerzahler-Knecht. Aber: Weil wir in einer Republik leben, ist Walter (auch) mein Angestellter - und NICHT ich seiner! Dieser Herr hat mich einen Scheiss-Dreck was zu fragen! Figuren wie dem Ober-Bundes-Walter begegnen wir schon in der Bibel, in Gestalt des heuchelnden Pharisäers: ‘... Herr ich danke Dir, dass ich nicht so bin, wie diese(r) da. ...’. Ob man sich impfen läßt oder nicht, ist eine ernsthafte, schwierige Frage mit ggf. weitreichenden Konsequenzen. Ich bespreche das mit ECHTEN Freunden. Empfehlungen und Drohungen eines politischen Windbeutels sind da weder hilfreich noch willkommen! Im Zweifelsfall stärken Walters Phrasen meinen Trotz.

Claudius Pappe / 21.11.2021

Ein eigenartiger Mensch. Für ” eigenartig” mag der Leser seine eigene Bewertung einsetzen. Kostet aber einige Tagessätze.

Sirius Bellt / 21.11.2021

Sie haben den “steifen Knochen” sehr gut zerlegt.

Heiko Stadler / 21.11.2021

Ich denke mal, dass unser Herr Bundespräsident recht hat. Er fragt: “Was muss noch geschehen?” Wir wissen, was noch geschehen muss. Wir müssen das gefährliche Virus gemeinsam mit der härtesten aller Maßnahmen bekämpfen: Bleiben wir zuhause, bis die Inzidenz bei null liegt! Am Arbeitsplatz sind wir nah beieinander und übertragen das tödliche Virus auf unsere geimpften und ungeimpften Kollegen. Das wollen wir doch alle nicht, oder? Nur der solidarische hundertprozentige Arbeits-Lockdown bis zu Nullinzidenz kann uns retten. Nur so dienen wir der Solidargemeinschaft und können dann ein paar Jahre später nach dem Endsieg über das Virus singend und tanzend die großartige Regierung beklatschen.

Walter Weimar / 21.11.2021

Wieder was ganz neues erfahren, der Bundespräsident, ein Mann wie du und ich. Ein *****(zensiert), wie er als Buche steht. Immer gutmütig einen Finger mahnend erhoben, als Drohung fürs Volk. Scheinbar paßt er so zum Durschnittsdeutschenvolksverstand. Dann doch eher wie du, nicht wie ich.

Werner Lederer / 21.11.2021

Auch seine Formulierung zur “Sprache der Täter”, bei der ihm wohl entgangen ist, dass diese Sprache auch die Muttersprache von unzähligen Opfern war, muss erwähnt werden. Woher sollte er das auch wissen? Peinlich, in meinen Augen der bisher Peinlichste in diesem Amt.

Sabine Lotus / 21.11.2021

Bezüglich Ihres letzten Satzes: Wollen Sie das wirklich wissen? Denn auch wenn das Frank-Walter Szenario (nachlesbar in Schwabs Büchlein “The Great Reset”) nicht eintritt, wird es ungemütlich. Oder glauben Sie ernsthaft, die Menschmaschinen lassen uns so einfach von der Spritze springen? Die haben schon Methoden uns ihren Unmut spüren zu lassen. Und wenn Ihnen dazu nichts einfällt, dann schauen Sie sich einfach mal den Punkt “monotone Nahrung” in der Biderman chart of coercion” an.

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