Genosse Bodo und die Thüringer Honecker-Vergleiche

Wenn der abgewählte und dennoch amtierende Ministerpräsident der SED-Nachfolgepartei die erfolgreicheren Abtrünnigen mit einem Honecker-Vergleich treffen will, ist allein das schon komisch. Es war aber nicht der erste Thüringer Honecker-Vergleich.

Die Regierung des Ministerpräsidenten Bodo Ramelow wurde von den Thüringer Wählern bekanntlich schon im Jahr 2019 abgewählt. Doch nachdem er nur für ganz kurze Zeit von Thomas Kemmerich (FDP) abgelöst und dessen Wahl auf erklärten Wunsch einer Kanzlerin „rückgängig gemacht“ wurde, durfte Genosse Ramelow Thüringen weiter führen. Die CDU machte es möglich und stützte die Minderheitsregierung der SED-Erben mit Grünen und SPD zuverlässig und vergaß darüber auch das Versprechen von Neuwahlen, das ihre Politiker nach dem merkwürdigen Erfurter Coup des Jahres 2020 den Wahlbürgern gegeben hatten.

Letztere wählten – als sich ein Urnengang nicht mehr weiter hinausschieben ließ – die Regierung des Genossen Ramelow noch deutlicher ab und hinterließen bekanntlich ein Ergebnis, das das Zusammenschrauben einer Regierungskoalition mit parlamentarischer Mehrheit bei geschlossener Brandmauer beinahe unmöglich macht.

Genosse Bodo stünde aber sicher bereit, geduldet von allen anderen auf seiner Seite der Brandmauer, weiterhin den Landesvater zu geben. Allerdings liegen ihm die von seiner Partei abgefallenen Genossen vom BSW grundsätzlich schwer im Magen. Und dass die Führerin der nach ihr benannten Partei, Sahra Wagenknecht, aus dem fernen Saarland bzw. dem nicht ganz so fernen Berlin mehr Einfluss auf die Regierungsbildung in Erfurt hat als er selbst, wurmt den amtierenden Noch-Ministerpräsidenten so sehr, dass er sich zu zeitgeschichtlichen Vergleichen hinreißen lässt, die eigentlich in seiner Partei verpönt sind.

Wie das einer reaktionären Gesinnung unverdächtige Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) berichtet, erinnere Ramelow der Einfluss von Wagenknecht und ihrem Gatten auf die Geschicke in Thüringen an den DDR-Staats- und Parteichef Erich Honecker. „Die Zarin und der Saarländer haben den kommunistischen Kadavergehorsam tief verinnerlicht“, habe er in Anspielung auf Wagenknechts Ehemann, den Saarländer Oskar Lafontaine, gesagt. „Schon einmal hat es im Gebiet der heutigen neuen Bundesländer einen Saarländer gegeben, der die Macht exekutierte. Aber die Befehle kamen letztlich aus Moskau.“ Honecker wurde bekanntlich im saarländischen Neunkirchen geboren.

Video im Honecker-Auto

Also wenn ein Landesparteichef der umbenannten SED, der ursprünglich aus dem Westen kommt, jetzt die aus dem Osten stammende Führerin einer aktuell erfolgreichen Kaderpartei, die sich von der umbenannten SED abgespalten hat, damit angreifen will, dass er sie wegen ihres saarländischen Gatten mit Erich Honecker vergleicht, dann ist das schon recht absurd. Ist das nun Thüringer Humor? Oder nur nach Thüringen importierter Humor?

Vielleicht fällt Ramelow auch gar nicht auf, dass er als Westdeutscher, der im Osten ein Land für die einstige DDR-Staatspartei regiert, selbst gerade zu solchen Vergleichen einlädt. Es ist nicht der erste Honecker-Vergleich in der Thüringer Landespolitik der letzten Wochen. Im jüngsten Wahlkampf schrieb beispielsweise der FDP-Spitzenkandidat Thomas Kemmerich unter der Überschrift „Wagenknecht und Ramelow schwurbeln wie Honecker“:

Eine europäische Friedensordnung entsteht nicht dadurch, dass Deutschland die Hosen herunterlässt und gegenüber Putins Russland wehrlos dasteht. Das stellt Thomas L. Kemmerich angesichts jüngster Äußerungen von Sahra Wagenknecht (BSW) und Bodo Ramelow (Linke) klar. „Beide liefern sich im Thüringer Wahlkampf einen bizarren Überbietungswettbewerb, wer der größere Friedensengel ist. Erst waren es vor allem Mythen und Desinformationen, nun kommt der Vorschlag hinzu, einen Nichtangriffspakt mit Russland zu schließen. Dieses Geschwurbel erinnert an Propaganda wie zu Honeckers Zeiten. Dass der scheidende Ministerpräsident sogar einen Begriff aus der finstersten deutsch-sowjetischen Geschichte ausgräbt, ist einfach nur geschmacklos“, sagt der FDP-Spitzenkandidat.“

Also war der Honecker-Vergleicher Ramelow gerade erst selbst Opfer eines Honecker-Vergleichs. Wundern dürfte ihn das eigentlich nicht, gehört er doch durch sein Parteibuch in gewisser Weise zwangsläufig zur politischen Erbengemeinschaft des Erich Honecker. Zuweilen kann er dem offenbar auch etwas abgewinnen. Aus dem Wahljahr 2019 berichtete Bild: „Thüringens Ministerpräsident dreht Video in Honecker-Auto“. Sein Umgang mit der alten SED-Macht, ihren Devotionalien und auch Erich Honecker scheint also eher ein spielerisch-pragmatischer zu sein. Vielleicht zielt er auch einfach nur auf den kleinen Unterhaltungswert, damit er kurz im Gespräch bleibt und nicht alle Aufmerksamkeit nur auf Ex-Genossin Sahra ruht. Mehr als nur ein kurzes Aufmerken kann man von einem Honecker-Vergleich heutzutage auch wirklich nicht erwarten. Herrn Kemmerich hat der bekanntlich auch nicht geholfen.

 

Peter Grimm ist Journalist, Autor von Texten, TV-Dokumentationen und Dokumentarfilmen und Redakteur bei Achgut.com.

Foto: Bundesarchiv/ Peter Zimmermann CC BY-SA 3.0 de via Wikimedia Commons

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CKrull / 21.10.2024

das kann einem wirklich auf den s.a.c.k gehen! wenn einer nicht mehr weiter weiß, kommen sinnfreie begriffe und vergleiche wie nazi, schwurbler, ddr, kommunisten, sozialisten, stasi, spitzel, nachfolge-sed, honecker, genosse, blablabla usw. usw. usw. leute!!!!!!!!!!!!!!! das ist seit 35 jahren geschichte! das was heute passiert, ist lupenreine bundesrepublikanische selbstgeschaffene realität und dümmlichkeit par excellence. jetzt kommt doch wirklich mit aller macht mal ans tageslicht, welche geistig-moralischen tiefflieger wir herangezüchtet haben,  die die schaltstellen dieses landes okkupiert haben. das waren nicht die russen, wie üblicherweise beweisfrei behauptet wird, wenn argumente ausgehen. diese wohlfeile ausrede für eigenes versagen zieht lange nicht mehr. die russen haben mit eigenen problemen genug und besseres zu tun, als ein land im absoluten steilflug nach unten zu begleiten. merkel: “wir schaffen das”. recht hatte sie! wir haben die letzten jahre uns eine politik gefallen lassen nach dem motto: “und wer dümmer ist als dumm, der kommt ins ministerium”, und haben mal eben zusätzlich 72 geschlechter erfunden, die niemand definieren kann und nebenbei die differenzierteste sprache der welt, unsere muttersprache, verhunzt und in den orcus gespült. aber wehe dem, der das kritisiert oder nur eine halbweg plausible erklärung dafür haben will, der wird von den dümmsten dieser art denunziert und ans kreuz genagelt. wissenschaft war einmal, jetzt herrscht die “meinungs-schaft”. wenn man wissen will, wie weit wir schon mal waren, sollte mal die internationale erinnern und auch mal wieder singen: ” wacht auf, verdammte dieser erde…reinen tisch macht mit dem bedränger, heer der sklaven, wache auf…”

Lutz Herrmann / 21.10.2024

Ihn als “Salonkommunisten Ramelow” zu bezeichnen, ist nicht korrekt. Der Mann kommt aus kleinen Verhältnissen und hat sich über den Weg des Gewerkschaftsbonzentums hochgearbeitet. Dummerweise hat er die kleinen Leute dann vergessen.

Dirk Jungnickel / 21.10.2024

Danke, Peter Grimm, für diese absolut notwendige Klarstellung ! - Die Wagenknechte und andere Salonkommunisten gehören inzwischen in ein “DDR” - Panoptikum !

Horst Jungsbluth / 21.10.2024

Die mehrfach umbenannte SED war nur deshalb “friedlich”, weil sich der geplante nukleare Überfall auf Westeuropa (siehe NZZ vom 13. 9. 2008:  “Warschaupakt plante nuklearen Überfall auf Westeuropa”)  dank der Aufmerksamkeit westlicher Dienste trotz Aufmarsch der von der Stasi “beeinflussten” westdeutschen Friedensbewegung!!!  nicht durchsetzen liess. Auch Westberlin wollte man militärisch durch NVA und Stasi besetzen lassen und die PLäne waren so detailliert, dass man für alle 12 Bezirke bereits je zwei namentlich bekannte Stasioffiziere als Fühnrungskräfte vorgesehen hatte. Man probte 1988 in Magdeburg, die Stadt hatte plötzlich einen RB, einen Senat und war besetzt von amerikanischen, britischen und französischen Streitkräften.  Man wollte an das in Westberlin lagernde Vermögen, um dann noch mit den Bürgern als Geiseln Bonn weiter zu erpressen. Ich weiß gar nicht, warum ich ständig darauf hinweisen muss, es ist doch eine Sache der Politik,  der Justiz und der Medien. Diese “schönen” Pläne klappten nun nicht und da wollte der Liebling der Medien und der Justiz Gysi wenigsten noch retten, was nicht mehr zu retten war und ermunterte den sowjetischen Funktionär Falin, die Einigung doch bitte militärisch zu verhindern, wobei sich beide einig waren, dass die Westmächte nicht eingreifen würden. Was sie nicht ahnten, war die erschreckende Tatsache, dass sowohl die SPD als auch die Grünen für Koalitionen mit dieser außer bei Verbrechen vollkommen unfähigen Partei willig bereitstanden. Verhinderte Massenmörder im Glückstaumel!

Thomas Ebs / 21.10.2024

Das wahre Problem ist, dass die flegelhaften Thüringer ein unverzeihliches Wahlergebnis hingelegt haben. So viel Demokratie verkraften die lupenreinen Demokraten nicht, noch dazu, wenn keine Demokratie-Zurechtrückungsanweisungen von der großen Führerin kommen. Mein Vorschlag: eine Brandmauer um jede einzelne Partei machen, so dass die stärkste Partei zum Zug kommt.

L. Luhmann / 21.10.2024

“Honecker wurde bekanntlich im saarländischen Neunkirchen geboren.” - Jeder Saarländer aus “Neinkeie” wird behaupten, dass “de Dachdekka” in “Wiwwelskeie gebor woa is”.

Helmut Driesel / 21.10.2024

  Na ja, ich sag mal: Würde der Ramelow kurz andeuten, dass er im Fall des Falles bestechlich ist, würden ihn die Thüringer Koalitionäre die nächsten Jahre umschwirren wie Bienen einen Honigtopf.

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