Anabel Schunke / 16.06.2018 / 06:10 / Foto: Federico Grechi / 50 / Seite ausdrucken

„Generation Haram“

Wenn von muslimischen Parallelgesellschaften die Rede ist, wird vor allem der Faktor der Abschottung, die Isolierung der islamischen Community von der (westlichen) Mehrheitsgesellschaft, betont. Zwangsläufig entsteht so der Eindruck, dass es sich bei ihr um ein in sich geschlossenes und nach außen undurchlässiges Werte- und Rechtssystem handelt. Unberücksichtigt bleibt bei dieser Betrachtung allerdings der zunehmende Einfluss des islamischen Wertekanons auf westliche Gesellschaften wie Deutschland.

Ja, die muslimische Parallelgesellschaft mag sich als erstaunlich resistent gegenüber Einflüssen von außen erwiesen haben, dies gilt jedoch umgekehrt nicht in gleichem Maße für die sich stets tolerant und weltoffen gebende Mehrheitsgesellschaft, die sich zunehmend durchlässig für jene archaischen Werte der islamischen Welt zeigt, die man im Zuge von Emanzipation und Gleichberechtigung eigentlich längst auf den Müllhaufen der Geschichte verbannt hatte. 

Die Gründe hierfür sind vielfältig. Da ist vor allem der Umstand, dass es sich bei der Integration in „identitätsschwache“ Gesellschaften wie Deutschland um die allseits bekannte „Einbahnstraße“ handelt. Liberale Werte wie Offenheit und Toleranz gegenüber anderen Kulturen mögen für den westlich-demokratisch sozialisierten Otto Normalbürger das Nonplusultra für sein Image als Kosmopolit sein. Für viele Muslime ist die Offenheit gegenüber den Werten des Anderen jedoch Ausdruck von Schwäche. Wer sich anpasst, wird verachtet.

Wer dies als Frau tut, verletzt darüber hinaus die Familienehre und muss, wie Phyllis Chesler feststellte, dafür nicht selten mit dem Leben bezahlen. Es ist dieses strenge Korsett aus Regeln und Sanktionen, welches letztlich für die Konservierung des eigenen archaischen Wertesystems sorgt und es nahezu immun gegen die freiheitlichen Verlockungen von außen macht. 

Das heißt jedoch nicht, dass islamische Werte umgekehrt keinen Einfluss auf jene hätten, deren „System“ ihnen nicht mittels sozialer Sanktionen untersagt, sich anzupassen. Dass ihnen schlimmer noch eine ausgesprochene Weltoffenheit dafür attestiert. Bereits in meinen Texten zu Antisemitismus und Frauenfeindlichkeit im Deutschrap – und nicht zuletzt im Rahmen der Echo-Debatte um Kollegah und Farid Bang – wies ich immer wieder auf den Einfluss des islamischen Weltbildes auf deutsche Jugendliche und Männer mit – und was noch viel entscheidender ist – OHNE Migrationshintergrund hin. 

Muslimische Jugendliche als Peergroup für die deutschen Kumpels

Der verweichlichte westliche Mann, des Typus Malte-Thorben in Funktionsjacke, der Soziale Arbeit studiert hat und jetzt mit „Geflüchteten“ arbeitet, aber seine Freundin nicht vor dem arabischen Mob auf der Kölner Domplatte schützen konnte oder wollte, ist sicherlich eines der großen Probleme einer multikulturellen Gesellschaft, die es nicht vermag, sich einzugestehen, dass all die #metoo-Debatten und hochtrabenden feministischen Diskussionen über verkappte Komplimente zwar beim mittlerweile völlig verunsicherten deutschen Mann ankommen, sicherlich aber nicht in Murats muslimischer Parallelgesellschaft. Was so entsteht, ist zweifelsohne eine immer größer werdende Kluft zwischen gegendertem Akademiker, der schon in Kindheitstagen von grüner Erzieherin und Helikopter-Mama auf Linie gebracht wurde, und Murats Welt, in der zumeist die Gesetze der Stammesgesellschaft herrschen. 

Aber dieses Problem ist, bei aller Richtigkeit, vornehmlich ein akademisches. Malte-Thorben ist ein Produkt seiner Soja-Latte-Mutter, seines fehlenden oder Funktionsjacken-Papas und des feministischen Gender-Schwachsinns an seiner Uni. Daneben gibt es eine ganze Menge junger Typen, an denen diese Dinge mehr oder weniger vorbeirauschen. Die nach Orientierung in einer hedonistischen Gesellschaft suchen und die fündig werden: bei ihren muslimischen Kumpels in der Schule, im Fußballverein und bei den Texten einer ganzen Generation von Rappern mit muslimischem Background. 

„Generation Haram“, nannte das der österreichische Blog „biber“ bereits 2016 in einem bemerkenswerten Bericht aus dem Inneren eines Klassenzimmers an einer Wiener Schule, der beschreibt, wie muslimische Jugendliche das Klassenklima bestimmen und die „Regeln“ des Miteinanders zwischen Mädchen und Jungen festlegen. Dass ich immer wieder auf diesen Bericht zurückkomme, zeigt, wie wenig Beachtung das Thema in der deutschen Debatte um Integration und gegenseitigen Einfluss der Kulturen aufeinander findet.

Was hier deutlich wird, deckt sich jedoch nicht nur mit meinen Erfahrungen mit Männern meiner Generation und jünger, sondern zeigt darüber hinaus, dass der Einfluss der islamischen Kultur auf unsere Gesellschaft sich eben nicht nur auf Aspekte wie kulinarische Bereicherungen und die Leidenschaft für das Shisha-Rauchen begrenzt, sondern auch auf das Frauen- und Weltbild insgesamt erstreckt. Dieser Einfluss war bei meiner Generation bereits deutlich spürbar, und er wird in dem Maße zunehmen, wie sich die Mehrheitsverhältnisse vor dem Hintergrund des demographischen Wandels weiter zu Ungunsten der westlich sozialisierten (Noch-)Mehrheitsbevölkerung verändern. 

Junger Männer, die es satt haben, wie Malte-Thorben zu sein

Das Miteinander, die Werte einer Gesellschaft werden in Zeiten einer politisch desinteressierten und historisch mehrheitlich mangelhaft gebildeten Bevölkerung nicht in erster Linie durch festgeschriebene Gesetze geprägt, deren Sinn und Ursprung, insbesondere bei der jungen Generation, ohnehin nur noch die Wenigsten begreifen. Dies gilt umso mehr für eine Gesellschaft mit einer stetig wachsenden desintegrativen muslimischen Parallelgesellschaft, für die das Grundgesetz gegenüber den eigenen kulturellen und religiösen Gesetzen allenfalls eine untergeordnete Rolle spielt. Nein, sie werden durch die Menschen geprägt, die ihr Leben und ihre gelebten Werte am konsequentesten durchdrücken. Auch hier gilt das Recht des Stärkeren. 

Stärke und Selbstbewusstsein strahlen zugleich eine gewisse Attraktivität aus. Sie wirken, egal wie idiotisch das vorgetragene Weltbild auch sein mag, insbesondere für Halbstarke verlockender als die eigene ewige Bückhaltung als Deutscher. Dazu kommt der Gruppenzwang. Ereignisse wie Silvester in Köln haben nicht nur die Verachtung gegenüber der westlichen Frau gezeigt, sondern auch gegenüber dem westlichen Mann, der sie „einfach nicht im Griff hat“, wie Zana Ramadani unlängst auf Achgut ausführte.

Umso achtsamer sollten wir nicht nur gegenüber der Generation Malte-Thorben sein, die sich und andere nicht mehr schützen kann oder will, sondern auch und vor allem gegenüber der Generation junger Männer, die es satt hat, wie Malte-Thorben zu sein. Die lieber Kollegah oder Farid Bang ist. Eine Generation deutscher Jugendlicher, die das krude, verschwörungstheoretische Weltbild ihrer muslimischen Kumpels übernimmt. Die Mädchen, die ihre sexuelle Selbstbestimmtheit ausleben, als Schlampen ansehen. Die es plötzlich ebenso „haram“ finden, wenn die eigene Freundin im Sommer in knappen Klamotten herumläuft, weil man nicht schlecht vor den muslimischen Kumpels dastehen will. 

Die Gefahr für die Freiheit der westlichen Frauen und Mädchen geht längst nicht mehr nur von muslimischen Männern aus, die Mädchen wie Mia in Kandel ihr Verständnis von verletzter Ehre näherbringen. Sie geht längst auch von jenen nachfolgenden Generationen junger Männer aus, die das Weltbild ihrer muslimischen Freunde übernehmen. Die auf Konzerten ihrer Vorbilder lauthals die zutiefst frauenverachtenden Texte mitrappen und auf dem Schulhof auch stark sein wollen. Die nicht mehr Verbündete im Kampf um Freiheit und Gleichberechtigung sind, sondern Gegner. 

Lesen Sie zu diesem Thema auch das neue Buch aus der Achgut Edition:

Antje Sievers: Tanz im Orientexpress – Eine feministische Islamkritik, mit einem Nachwort von Zana Ramadani, Hardcover/Klappenbroschur, 21,0 x 14,5 cm, Verlag Achgut Edition, ISBN 978-3-9819755-0-5, 17,00 €. Hier gehts zum Shop.

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Klaus Metzger / 16.06.2018

„Stärke und Selbstbewusstsein strahlen zugleich eine gewisse Attraktivität aus“ und das nicht nur auf Kevin, sondern auch auf Malte-Thorben. Denn auch Mia-Johanna findet das attraktiv. Und da auch Malte-Thorben mit dem männlichen Murat um Mia-Johanna konkurriert, was soll er anderes machen, als Murat zu imitieren. Da wird sich die gendergeschulte grüne Feministin, die irgendwas Soziales oder was mit Medien studiert hat noch umschaun. Die großen Emanzipationsfortschritte der Frau seit den 1950ern sind geschichtlich nicht in Stein gemeißelt, das zeigt ein Blick in die Welt. Und den Echo haben Kollegah und Farid Bang ja nicht gewonnen, weil die Musikkritiker sie so gut fanden, sondern weil sie sich so gut verkauft haben und ein sehr breites Publikum angesprochen haben. Die Frauen der zukünftigen Generation können einem heute schon leid tun.

Rico Martin / 16.06.2018

Im Osten und in Bayern nicht!!! Fragt euch mal warum!

Ortwin Maffay / 16.06.2018

Noch ein kleiner Nachtrag: Es werden nicht die “Malte-Thorbens” sein, die zunehmend die niederen und mittleren Ränge bei Polizei + Bundeswehr füllen werden ...

Simone Robertson / 16.06.2018

Da versucht man seit Jahrzehnten, die Jungen in Kita und Schule zum Weichei zu erziehen, das zwar einstecken, aber nicht austeilen darf und dann stellt man fest, dass es einige (mit einem durchaus natürlichen und gesunden) Instinkt für ihre eigene Männlichkeit) gibt, die durchs Raster gefallen sind. Dabei hat man schon vor Jahren festgestellt, dass Jungen, die man genderneutral erzieht, trotzdem mit Autos spielen wollen. Vielleicht hätte man die Jungen einfach zu anständigen Jungen erziehen sollen, statt zu Neutronen, die irgendwann in der Selbstfindungsphase die falschen Vorbilder suchen. Und auch die Mädchen scheinen ja, zumindest in der Pubertät, das eher Männliche zu suchen. Logisch…für den Nachwuchs muss ein Kerl her, der die Familie schützen kann und auf die Jagd geht. Mit 35 heiraten sie dann aber dann doch lieber den Malte-Torben.

Rainer Alexy / 16.06.2018

Exzellente Analyse, Frau Schunke. Die im Hintergrund ablaufenden Prozesse der gesellschaftlichen Veränderung sind möglicherweise viel gefährlicher als Terrorakte oder Ehrenmorde. Die sind nur die Spitze des Eisbergs, und der ist sehr groß. Noch spielt die Kapelle auf der Titanic.

Judith Hirsch / 16.06.2018

In meinen 30 Jahren als Erzieherin in Berlin habe ich eher die Erfahrung gemacht, dass Mädchen sich von der Machokultur der muslimischen Mitschüler angezogen fühlen und sich freiwillig hingeben. Jungs haben oft keine Wahl. Welcher 15jährige hat den Mut den Koran zu kritisieren, wenn 70-90% der Mitschüler Muslime sind? Das wagt er nur einmal. Es ist kein Liebesbeweis sich für “halal” zu erklären, es ist pure Überlebensstrategie.

Ortwin Maffay / 16.06.2018

Liebe Frau Schunke, super! Endlich mal ein Artikel darüber, dass die Gefahren für unser bisheriges gesellschaftliches Zusammenleben - und das Verhältnis der Geschlechter zueinander - nicht nur durch die ‘Political Correctness’ von oben sondern genauso durch die “Riberysierung” der sozial schwachen (männlichen) Jugend “von unten” ausgehen. Wobei, wie Sie richtig anmerken, das eine (PC) das andere (Anpassung an ‘männliche’ Peergroups)  mit bedingt ...

Elmar Stede / 16.06.2018

Wohl dem, der hoch - sehr hoch - springen kann; der ganze gesellschafts- und genderpädagogische Stuhlkreis-Mumpitz der letzten Jahrzehnte wird uns krachend auf die Füße fallen… Also dann; wenn wir schon nicht, trotz all unserer Anstrengungen, die Anderen integrieren konnten, dann können wir ja immer noch versuchen, uns zu assimilieren; also treten wir ein in die Welt der Anderen! Aber nicht vergessen: Schuhe aus und Füße waschen, die Frauen nehmen bitte den anderen Eingang ! Dann sind wir endlich zusammen, endlich ‘one world, one people’ ! Ich weiß echt nicht, wie viel ich essen müsste,...

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