Die CDU Baden-Württembergs sabotierte letztlich ihren eigenen Willen gegen die verordnete Gendersprache. Mit „Ja“ abstimmen, wo die AfD auch „ja“ sagt, das gehe nämlich gar nicht. Die Mehrheit der Bevölkerung dürfte für solche kindischen Spielchen kaum Verständnis haben.
Es klang wie eine Herzensangelegenheit für Baden-Württembergs CDU. Das sich ausbreitende Gebot des Genderns im offiziellen Verkehr von Behörden, Schulen und anderen Einrichtungen wollte man nicht mehr mitmachen: „Wir sehen doch alle in der letzten Zeit, wie der gesellschaftliche Druck auf Personen wächst, die eine gültige Rechtschreibung anwenden wollen. Diese Art des Gender-Zwangs geht für uns gar nicht – gegen jeden Versuch, der in diese Richtung zielt, werden wir uns entschieden wehren." So kommentierte Manuel Hagel, CDU-Fraktionschef im Baden-Württembergischen Landtag, einen entsprechenden Beschluss seiner Abgeordneten bei ihrer Klausurtagung im vergangenen September. Deutlich wenden sie sich darin gegen die Vorgaben zum Gendern im behördlichen Verkehr und an Schulen. Hagel: Nicht weniger als „die Freiheit der Sprache“ sei „in Gefahr“. Starke Worte.
Energisch zog bald auch der Landesverband der Partei nach. Nur einen knappen Monat nach dem Fraktionsbeschluss unterstrich die gesamte Südwest-CDU die Notwendigkeit, einzuschreiten gegen die in dem grün-schwarz regierten Bundesland sich einschleichende Pflicht vieler Beschäftigten des Öffentlichen Dienstes, in Briefen oder Erlassen Sternchen, Unterstriche, Versalien oder andere Absonderlichkeiten mitten in Wörtern einzubauen, oder auch „Knacklaute“ beim Sprechen. Der Landesparteitag verabschiedete einen Antrag, in dem es hieß: „Die CDU Baden-Württemberg fordert, dass die CDU-geführten Ministerien in der Landesregierung darauf hinwirken, dass in allen amtlichen, behördlichen, schulischen, hochschulischen und öffentlich-rechtlichen Einrichtungen (z.B. öffentlich-rechtlicher Rundfunk) des Landes Baden-Württemberg, insbesondere in den eigenen nachgeordneten Behörden, ausschließlich die gültigen Grammatik- und Rechtschreibregelungen angewendet werden.“
Die Richtung war klar und eigentlich sollte das Ansinnen der CDU im „Ländle“ leicht umzusetzen sein. Auch Winfried Kretschmann schließlich, Ministerpräsident und Alphamann des „großen“ Koalitionspartners, der Grünen, war ein Gegner des Genderns, insbesonders an Schulen: „Es ist schon schlimm genug“, sagt er, „dass so viele unserer Grundschüler nicht lesen können. Man muss es denen nicht noch erschweren, indem man in der Schule Dinge schreibt, die man gar nicht spricht.“
Und dann trickste sich die CDU selbst aus
„Sprache in Gefahr“, „geht gar nicht“, „werden uns entschieden wehren“. Energischer konnte man es nicht formulieren. Und dann gesellte sich auch noch die FDP im Landtag hinzu. Sie nämlich brachte einen Antrag ins Parlament ein, der ziemlich exakt dem auf dem CDU-Parteitag verabschiedeten Antrag entsprach. Natürlich ist so etwas ein etwas vergifteter Vorstoß der oppositionellen Fraktion, einen Keil zu treiben zwischen die beiden Regierungsparteien, Kretschmanns Grüne und die CDU, den Juniorpartner in der Regierung. Allerdings, und das war auch der Union klar, sollte an der Frage des Sternchens oder des Knacklautes nicht die Koalition zerbrechen, zumal der grüne Ministerpräsident persönlich hierbei mit der Union d’accord ging. Am 1. Februar kam es im Stuttgarter Parlament zum Schwur. Und da trickste sich die CDU selbst aus.
Auch eine weitere Fraktion nämlich hatte im Landtag Zustimmung zum Ansinnen der CDU wie auch dem gleichlautenden Antrag der FDP signalisiert. Doch genau das war komischerweise dann der Grund dafür, dass die Unionsfraktion auf einmal ihre ganze Abneigung gegen das Gendern hintanstellte. Denn jene weitere Fraktion war die AfD. Und plötzlich war da all das Gerede vergessen von „Sprache in Gefahr“, „geht gar nicht“, „werden uns entschieden wehren“. Bei einer Abstimmung dort, wo die AfD „ja“ sagt, auch einmal „ja“ zu sagen, das geht gar nicht, egal, was das Thema ist. Bei Hagel hieß es nun auf einmal: „Kein Binnen-I dieser Welt und kein Genderstern sind es wert, dass die AfD im Landtag von Baden-Württemberg Mehrheitsbeschaffer wird." Es hörte sich so an, als hätte sich Hagel bei einer Zustimmung kurz vor einem Koalitionsvertrag mit dem Teufel gewähnt.
Die CDU lehnte den FDP-Antrag folglich ab, und damit gleichzeitig ihr eigenes, nur Wochen zuvor so energisch vorgetragenes Ansinnen – absurderweise aufgrund unerwünschter Erfolgsaussichten. Sicher wäre die Zustimmung im Parlament allerdings so oder so nicht gewesen, denn FDP, CDU und AfD bringen exakt 50 Prozent der Stimmen zusammen, genauso wie die Grünen und die oppositionelle SPD, die beide die Sprache in Behörden und Schulen gern weiterhin mit Klick- und Knacklauten, Unterstrichen, Sternchen und Binnenversalien mitten im Wort angereichert sehen wollen.
Sich von der AfD vorführen lassen
Die FDP hatte den Antrag eingebracht, wohlkalkulierend, dass sie damit Zustimmung von Rechts bekommt. Sind die Südwest-Liberalen jetzt auch „Faschisten“?
Die höchstmögliche Distanz aller anderen Parteien zum Abstimmungsverhalten der AfD ist Diskussionsgegenstand in Politik und Medien seit Jahren. Erklärtes Ziel ist es dabei, die rechte Partei zur parlamentarischen Bedeutungslosigkeit zu verdammen. Dass aber dabei womöglich genau das Gegenteil herauskommt, scheint niemand zu bekümmern. Denn jene größtmögliche Distanz zur AfD kann – wie in diesem konkreten Fall – auch zur größtmöglichen Distanz zum eigenen Willen führen. Und das könnte bei der AfD schnell zur Strategie ausarten. Wollen die Rechten irgendwann, dass ein Antrag mehrheitlich abgelehnt wird, so müssen sie, wie man sieht, nichts weiter tun, als ihre Zustimmung zu signalisieren. Nach Belieben können sie so ihre politische Konkurrenz vorführen.
Konkret zum geschilderten Fall: Es gibt keine Hinweise darauf, aber es wäre zumindest nicht abwegig, dass die AfD – trotz erklärtem Willen zur Zustimmung – gar kein Interesse daran hat, dass der FDP-Antrag gegen das Gendern durchkommt und die CDU ihren selbigen Herzenswunsch erfüllt bekommt. Das Gendern ist bei der überwiegenden Mehrheit der Deutschen ein ziemlich großes Ärgernis. Und wenn durch solche Umfaller, wie sie jetzt die Union in Baden-Württemberg gegen Volkes Willen vollzog, dann die AfD auf Bundesebene die einzige Partei ist, die sich offen und vor allem konsequent dagegen ausspricht, so wird ihr dieses kostbare Alleinstellungsmerkmal quasi auf dem Silbertablett geschenkt.
Allgemeine Abneigung gegen Gendern stabil
Dies gilt umso mehr, als man der CDU durch ihr Verhalten auch leicht ein Demokratiedefizit anhängen kann. Nicht nur wegen ihres verqueren Hin und Her zum Thema. Es ist schließlich kein persönlicher Spleen gegen das Gendern, der erst die CDU-Fraktion und kurz darauf die ganze Landespartei zu ihren Beschlüssen veranlasst hat. Es ist ein Anliegen, das die überwiegende Mehrheit der Bürger in ganz Deutschland umtreibt, und zwar in wachsendem Ausmaß, wie Meinungsumfragen klar ergeben. Die teilweise starke Abneigung gegen die Kunstsprache ist nicht nur stabil, lag vor zwei Jahren bereits bei etwa zwei Dritteln, und zwar quer durch alle Altersgruppen und Bildungsniveaus sowie ohne nennenswerte Unterschiede zwischen Frauen und Männern. Der Unwille, dem Gendern ausgesetzt zu sein, verzeichnet sogar deutliche Zuwächse. Und er ist quasi parteiübergreifend – selbst bei den Anhängern der Grünen ist die Ablehnung größer als die Zustimmung, auch wenn ständig, penetrant und oberlehrerhaft anderes suggeriert wird.
Anders sieht es im politischen Raum aus. Es ist erstaunlich, wie dort trotz solch deutlicher Ablehnung „draußen“ sich in der „politischen Blase“ und auch in vielen Medien quasi selbstverständlich die vor allem ja grüne Deutungshoheit im Kulturbereich über das ganze Land legt, und fast keine öffentlichen Instanzen gegen das Gendern aufstehen. Das Thema ist eines der einprägsamsten Beispiele für die „Besserungsanstalt Deutschland“, für die Erziehung der Deutschen zum Wokismus, alles im Namen der „Vielfalt“.
Angesichts eines äußerst breiten Bedürfnisses in der Bevölkerung, der gültigen Rechtschreibung wieder den Platz einzuräumen, der ihr gebührt, ist es mehr als originell, dann sogar auch noch sein eigenes Interesse, das in dieselbe Richtung läuft, zurückzustellen, nur um jemandem eins auszuwischen, den man politisch kaltstellen will. Und es ist mehr als zynisch, dies dann noch als Dienst an der Demokratie darzustellen. Wer meint, dass solches Verhalten „draußen im Land“ hofiert wird, weil alle nur noch den Kampf gegen Rechts im Auge hätten – der könnte sich täuschen.
Kein Verständnis für kindische Spielchen
Ob die Besserungsanstalt Deutschland dauerhaft funktioniert? Nicht ausgeschlossen, dass das Protestpotential der Insassen zunimmt, zu Lasten der selbsternannten Lehrer. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes INSA liegen seit neuestem AfD und Grüne bundesweit mit jeweils 16 Prozent gleichauf in der Wählergunst, erstmals seit Dezember 2018. Und wer meint, dass dies im Umkehrschluss bedeutet, dass 84 Prozent die komplette Ausgrenzung der Rechten in den Parlamenten begrüßen würden, liegt ebenso falsch.
Im jüngsten „Deutschlandtrend“ von Infratest-Dimap im Auftrag der ARD-Tagesschau (2.2.2023) heißt es über die AfD: „Seit 2017 ist sie auch im Bundestag repräsentiert. Das finden aktuell drei von zehn wahlberechtigten Deutschen (32 Prozent) richtig.“ 32 Prozent, das ist genau doppelt so viel, wie der Anteil der Wähler ausmacht. Im Jahr der Gründung, 2013, waren es lediglich 20 Prozent. Ein Anstieg mithin um 55 Prozent. Dies wohlgemerkt, obwohl die Partei in der Zwischenzeit eher nach rechts gerückt ist.
Ob also noch mehr Abgrenzung nach rechts, noch devoteres Akzeptieren der kulturellen grünen Deutungshoheit zum Beispiel auch in der Sprache diese Entwicklung bremsen kann? Oder ob wohl das Gegenteil eintreten wird? Man kann es auch so sehen: Ganz offenbar ist ein Drittel der Deutschen soweit demokratisch geprägt, dass es die Wähler jener Partei im Parlament vertreten wissen will und sie nicht nur als Ziele zur Bekämpfung um jeden Preis sieht.
Es ist die Frage, ob die Rechnung der Union aufgeht, die AfD durch solche politischen Winkelzüge zurückdrängen zu können, die dem eigenen erklärten Willen widersprechen, aus vermeintlicher „Haltung“. Und sich damit obendrein gegen eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung stellt, die, außerhalb der politischen Blase stehend, für solche kindischen Spielchen kein Verständnis hat. Erst recht nicht, wenn es um etwas geht, was wie die Gendersprache einfach nur nervt.