Kolumne von Maxeiner & Miersch, erschienen in DIE WELT am 28.11.2008
Die Entdeckung der Welt durch europäische Seefahrer war begleitet von wilden Gerüchten. Jedermann glaubte, dass riesige Seeschlangen in den Ozeanen lauern. Auf den fremden Erdteilen vermutete man Ungeheuer, nur darauf erpicht brave Seeleute zu zerfleischen. Die Erwartungen glichen der heutigen europäischen Sicht auf die Grüne Gentechnik: Es kann nichts Gutes dabei herauskommen, das ganze Unternehmen ist ein Wahnsinn, man sollte es besser sein lassen. Wie damals wird jedes Gerücht begierig aufgesaugt und bedenkenlos geglaubt.
Kürzlich kam wieder ein neues Monster hinzu. Österreichische Forscher hatten eine gentechnisch veränderte Maissorte an Mäuse verfüttert. Beim dritten und vierten Wurf bekamen die Mäuse weniger Junge als ihre Artgenossen, die mit herkömmlichen Mais gefüttert worden waren. Noch bevor die Studie in einer Fachzeitschrift publiziert wurde, stürzten sich die Anti-Gentechnik-Aktivisten darauf. „Verzehr von Gen-Mais verringert Fruchtbarkeit“, formulierte Greenpeace. Der Nachrichtendienst Glocalist war noch ein bisschen kreativer: „Gen-Mais macht impotent.“ Da nützte es nichts mehr, dass die Forscher, die die Studie durchgeführt hatten, sich von solchen Schlagzeilen distanzierten und klarstellten, dass ihr Befund mit vielen Fragezeichen behaftet ist. Auch die Einsprüche von Wissenschaftlern anderer Institute gegen die Methodik des Versuchs verhallten ungehört, ebenso wie eine Richtigstellung des deutschen Forschungsministeriums.
Einmal in der Welt kursieren Gerüchte über Gentechnik solange wie einst die Legenden über Seeschlangen. Deshalb setzen wir jetzt auch mal eines in die Welt: Gen-Pflanzen machen besonders fruchtbar. Man muss nur die Geburtenraten von China, Indien und Brasilien mit der deutschen vergleichen.
Eines der übelsten Gerüchte wurde kürzlich vom International Food Policy Research Institute (IFPRI) korrigiert. Anti-Gentechnik-Aktivisten hatten immer wieder behauptet, Hunderttausende indische Bauern würden Selbstmord begehen, weil westliche Konzerne ihnen Gen-Baumwolle aufgezwungen haben. Wahr daran ist, dass viele indische Bauern sich das Leben nehmen. Doch die Nachforschungen des IFPRI ergaben, dass es keinen Zusammenhang zwischen Baumwollsorte und Selbstmordhäufigkeit gibt. Wirtschaftliche Not ist der häufigste Grund. Mit den neuen Baumwollsorten ernten die Bauern mehr und sparen Spritzmittel, da die Pflanzen gegen ein schädliches Insekt resistent sind. Der Anbau der verbesserten Baumwolle steigt deshalb rasant an, die Selbstmordstatistik dagegen bleibt flach. Vermutlich wird jedoch auch dieser Mythos lange leben.
Wir haben noch einen ganz heißen Tipp für die nächste Anti-Gentechnik-Kampagne. In Deutschland korrelieren die Anbaugebiete von Gen-Mais mit einer Häufung von Neonazis. Besonders deutlich zeigt sich das im Bundesland Brandenburg. Das kann doch kein Zufall sein.